So geht Journalismus: Obwohl niemand etwas zum Einkommen der Touristen gesagt hat, wurden die Sylter:innen bei den Kolleg:innen als Kaviar-essende Champagnerschlucker beschrieben – und los ging die Hate-Speech-Lawine…
Wir haben es verstanden: Reiche sind blöd
Ich meine die Gedankengänge der linken Sylt-Hasser so verstanden zu haben: Reiche sind scheiße. Und die fahren gerne nach Sylt. Also ist Sylt scheiße. Und dann haben der Sylter Bürgermeister und andere Sprecher:innen vom Sylttourismus leider beispielsweise auch noch angedeutet, dass sie etwas Angst vor der Saison haben. Wegen des 9€-Tickets. Weil Sylt eh schon überfüllt ist und nun noch mehr Menschen kommen werden, die ja auch verpflegt werden sollen. Was aber die Antifa und seeehr viele Menschen im Internet wie folgt aufgenommen haben: DIE WOLLEN WOHL NUR REICHE DORT AUF SYLT! Das gibt’s doch nicht, diese hochnäsigen Pinkel! Aber so schnell dreht sich das Blatt, wenn die Antifa mal der BILD-Zeitung glaubt. Also, ab nach Sylt und mal richtig zeigen, wo der Hammer hängt und wie der Pöbel so tickt.
Klar finde ich es irgendwie auch super affig, die ganzen Instagram-Stories jetzt zu Pfingsten zu sehen. Die ganzen geknoteten Pullis über weißen Hemden, betrunkene Erwachsene, die völlig eklig und schleimig werden und ihre Kinder bis nachts um ein Uhr noch mit in den Dorfkrug in Kampen zwingen. Und die fand ich auch schon immer affig – das ist allerdings nur mein persönliches Empfinden und etwas, was mich triggert. Weil ich als Sylterin diesen Menschen schon immer Platz machen musste und wusste, dass es ihnen völlig egal ist, was Sylt eigentlich zu bieten hat und ausmacht. Völlig blind vor lauter Statussymbolik fahren sie auf diese wunderschöne Insel zu diesen sich krank schuftenden Menschen, um da das leichte Leben zu leben. Und das ist völlig verständlich – wofür sollte ich sie hassen? Dafür, dass sie die Angebote dort wahrnehmen und das Geld dafür haben? Nope. Ich verstehe es.
Und damit kommen wir auch direkt zum Punkt: Das, was ihr aber gerade in den Medien so sehr hasst, das sind Züge und Charaktereigenschaften anderer Tourist:innen, die mit euch zeitgleich auf Sylt Urlaub machen werden. Aus Hamburg, Berlin, München,… 19 Jahre lang habe ich dort gelebt, bin dort geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen, hatte meine ersten Hobbys, Freundschaften, Liebeskummer. DAS ist Sylt für mich. Strandtage am Wattenmeer mit meiner Familie, im Garten meiner Großeltern etwas über die Sylter Natur lernen. Unbeschwertes Rumtoben auf dem Schulweg, das nette Lächeln der Bäckerei-Verkäuferin bei uns an der Ecke und alle drei Meter ein „Moin“ – wie ein Dorf eben so funktioniert. Und wenn dann Ostern kam, gefolgt von Pfingsten, dann passte ich mich als Kind schon an. Ich wusste, dass die Touris Vorrang hatten. Ich wusste, dass ich morgens beim Bäcker wahrscheinlich vor lauter Stress nicht beachtet werden würde. Ich wusste auch, dass ich mich vor gelben Fahrrädern und betrunkenen Porsche-Fahrer:innen in Acht nehmen und schlecht gelaunten Softshelljacken-Familien um einen Platz im Kino prügeln müsste. Einmal wurde ich durch die gesperrte Straße vor unserer Haustür auf dem Gehweg von einem Range Rover mit 30 km/h überrascht. Ja, sowas kam vor und ich wuchs damit auf. Ich stand an zweiter Stelle, das wusste ich.
Das einzige, was ich als kleines Kind nie verstand, war, warum uns in diesen sieben Monaten Saison immer alle einen schönen Aufenthalt oder Resturlaub wünschten. Wir wohnten doch da. Es ist bis heute wie ein automatischer Vorgang bei allen Syltern und Sylterinnen, einfach einen schönen Urlaub zu wünschen, weil wir Jahr für Jahr ÜBERRANT werden. Und ganz ehrlich? JA, viele würden sich sicher freuen, wenn sich der Tourismus noch mehr nach Amrum, Föhr, Timmendorf, und Co. verteilen würde.
Nicht, weil wir es uns ja „leisten können“ oder undankbar sind, sondern weil mehr einfach nicht geht. ES GEHT NICHT NOCH MEHR. Einfach an Volumen. Der Platz ist ausgeschöpft. Die Natur ist erschöpft. Sylt ist erschöpft. Vom Luxus, von den Witzen, von dem Dünen-Getrampel, von der Beliebtheit. Und das ist Fakt. Fragt mich bitte nicht, warum all diese Massen dort gerne ihr Geld lassen wollen und woanders nicht. Wie ich bereits sagte: Sylt ist für mich etwas anderes. Nie im leben würde ich das Geld ausgeben, um mir dort ein Haus zu kaufen oder ähnliches.