Warum Atemmasken in vielen von uns Panik auslösen … und wie wir dagegen vorgehen können

Mein Atem geht schnell und unkontrolliert, das Herz beginnt zu rasen, mein Kopf versinkt im Dunst. Irgendwo ganz weit entfernt bleibt die Atemlosigkeit. Nein, ich befinde mich nicht etwa inmitten einer anspruchsvollen Sport-Session. Ich trage stattdessen eine Alltagsmaske.

Nicht unbedingt jetzt gerade, in diesem Moment. Doch diese Beschreibung da oben lässt sich charakteristisch eigentlich auf jede Situation anwenden, in der ich mich außer Haus zur Zeit befinde. Im Supermarkt, bei der Post, in der Bahn. Trotz eingeschränkter Ausgangsmöglichkeiten ist gerade sie wohl zum wichtigsten Bestandteil unseres Alltags geworden: Die Stoffmaske, die wir inzwischen so regelmäßig über Mund und Nase ziehen. Spätestens seit die Regierung sie zur Verpflichtung gemacht hat – zum Schutz für uns und andere.

Ein nachvollziehbarer Schritt. Der sich für mich durchaus rational erklären lässt … und der mir dennoch unglaublich viel abverlangt. Diese Momente, die ich beim Tragen immer wieder erleben, lassen mich manchmal nämlich fast schon an eine aufsteigende Panik denken. Ich fühle mich eingeengt, meine Atmung wird stockend, der Kopf macht zu. Ich bin mir sicher, mit diesen Gefühlen nicht alleine zu sein. Und kann mir daher wohl kaum vorstellen, wie herausfordernd das für Personen mit psychischer Vorbelastung sein muss.

Also will ich es genauer wissen. Warum dieses ungewohnte Stück Stoff im Gesicht überhaupt so viel in uns auslöst. Und wie wir dennoch so frei wie möglich den Alltag damit bestreiten können. Denn darin wird wird sie vermutlich noch länger eine Rolle spielen. Aus Gründen der Sicherheit und als Zeichen der gegenseitigen Solidarität. Wir tragen die Masken füreinander? Dann lasst uns doch auch gemeinsam unsere Sorgen teilen.

Allen voran mit Frau Dr. Stephanie Grabhorn, Chefärztin für Psychiatrie und Psychotherapie der Privatklinik Blomenburg. Ihr haben wir Einblicke gegeben, in diese (unsere) neue, aktuelle Situation. Ihr haben wir erzählt, dass wir für Kartoffeln in den Supermarkt hetzen … nur um ohne eben jene wieder herauszustolpern. Dass wir uns in der Bahn verkrampft auf das Sitzmuster gegenüber konzentrieren … um nicht ständig an die flache Einatmung zu denken.

Und genau sie kann uns glücklicherweise auch wieder ein Stück weit beruhigen. Indem sie uns Erklärungen liefert und uns mitnimmt, in die Welt unserer Psyche. Mit Antworten, die deutlich machen: Auch hiermit sind wir nicht alleine.

Menschen, die bisher nie mit Panikattacken zu kämpfen hatten, werden plötzlich das Gefühl der Beklemmung nicht mehr los. Menschen, die psychisch vorbelastet sind, finden sich ständig in neuen Trigger-Momenten wieder. Frau Dr. Grabhorn erklärt, was das Tragen einer Maske in uns, aber vor allem auch in Menschen mit psychischer Vorbelastung, auslösen kann:

„Für Betroffene einer psychischen Erkrankung kann das Tragen der Maske gravierende Folgen haben. Bei traumatisierten Menschen, die mit der eigenen „Vermummung“, aber auch mit der Maskierung anderer Mitbürger beispielsweise traumatische Ereignisse verbinden, kann die Maskenpflicht unerwünschte und ebenso bereits verarbeitete Erinnerungen hervorrufen. Auch Menschen, die bereits unter Angsterkrankungen, wie beispielsweise einer generalisierten Angst- oder Panikstörungen leiden, könnten beim Tragen der Maske auf massive Probleme stoßen. Menschen mit psychischen Vorbelastungen sind in diesen Zeiten ganz besonders auf das Verständnis und die Unterstützung ihres Umfelds angewiesen.“

Die Maske im Gesicht kann unsere Psyche belasten

Nicht nur die Enge im Brustkorb schürt also die Panik in vielen von uns. Auch die ’neue‘ Umgebung kann unseren mentalen Zustand durchaus negativ beeinflussen. Viele Menschen fühlen sich überfordert durch das erschwerte Sprechen oder ein eingeschränktes Sichtfeld. Anderen fällt es schwer, den Gegenüber noch richtig lesen zu können. Diese veränderten Umstände können weitere Ängste in uns schüren:

„Die Maskenpflicht führt unweigerlich zu einigen Veränderungen in der zwischenmenschlichen
Kommunikation. Der Großteil unserer Interaktion findet über die nonverbale Kommunikation statt. Unsere Mimik und Gestik verrät meist mehr über unseren Gemütszustand, als der Inhalt unserer Worte. Ein Lächeln oder heruntergezogene Mundwinkel verraten uns so beispielsweise, ob unser Gegenüber mit Verständnis oder Abwehr reagiert. Mundschutzmasken zwingen uns also langfristig zu einer Anpassung unserer Kommunikationswege. Toleranz, Verständnis und gegenseitige Unterstützung sind in diesen Zeiten besonders wichtig. Wenn wir uns Zeit für die zwischenmenschliche Kommunikation nehmen und kreativ mit unserem neuen Alltag umgehen, werden wir auch diese Hürde meistern. Schließlich sind wir alle gemeinsam in der gleichen Lage!“

Denkt immer daran: Wir sind mit unseren Gefühlen nicht alleine

Ob nun aber den äußeren oder inneren Umständen geschuldet – viele von uns finden sich aktuell gehäuft in Situationen wieder, die vorher viel weniger Teil des Alltags waren. Schnappatmung, beklemmende Enge, Schwindelgefühle, Unkonzentriertheit, fahriges Verhalten. Erst letzte Woche bin ich auf dem Weg zurück nach Hause in die falsche Bahn gestiegen. Und das, obwohl ich genau diese Strecke normalerweise in- und auswendig kenne.

Ein Moment, der in mir das unglaubliche Gefühl eines Kontrollverlusts aufkommen ließ. Was, wenn ich mir aktuell selbst nicht mehr über den Weg trauen kann? Frau Dr. Grabhorn versteht meine Sorgen, die längst nicht nur meine sind. Und gibt allen Betroffenen, ob psychisch vorbelastet oder nicht, wichtige Hilfestellungen mit an die Hand. Aufs Einkaufen oder Bahnfahren können schließlich nur die wenigstens von uns dauerhaft verzichten. Die Psychologin rät daher für den Ernstfall:

„Wir trainieren mit unseren Patienten im Zuge der Therapie bei Panikstörungen beispielsweise
geeignete Bewältigungsstrategien, die bereits im Vorfeld greifen und dem Betroffenen die Angst vor der Situation begreiflich machen. Wichtig ist es zu verstehen, dass Sie den körperlichen Reaktionen nicht ausgeliefert sind und die Symptome anders bewerten können. Bestimmte Atemübungen, die einer Hyperventilation entgegenwirken, können in den beklemmenden Situationen im Supermarkt oder in der Bahn beispielsweise helfen. Achtsamkeitsstrategien dienen ebenso dazu, katastrophisierende Gedanken in Schach zu halten. Bewusste Ruhepausen, Sport und ein gesunder Schlaf sind langfristig ebenfalls essenziell. Ist der Umgang mit den angstauslösenden Situationen jedoch nicht aus eigener Kraft möglich, sollte in jedem Fall professionelle Hilfe zurate gezogen werden!“

Und damit haben wir alle nun hoffentlich einen ersten Wegweiser … für den richtigen Umgang mit unserem neuen Alltag.

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