Wenn wir von ‚Body Positivity‘ sprechen, müssen wir auch aufhören mit Vulva-Shaming!

Was Körper-Aktivist*innen rund um den Globus in den letzten Monaten und Jahren auf die Beine gestellt und in den Köpfen der Gesellschaft bewirkt haben, ist so, so krass. Ich ziehe meinen Hut. Plötzlich stürzen sich Frauen jeden Alters nicht mehr in die tiefsten Depressionen, wenn sie Instagram öffnen, weil alles, was sie dort sehen, makellose Haut, wohlgeformte, kurvige aber dennoch perfekt trainierte Körper und Menschen sehen, die 24/7 gut gelaunt sind und ihr Leben vermeintlich besser im Griff haben als jeder Normalo wie Du und ich.

Gut, wir sehen das natürlich immer noch – und das soll auch weiterhin seinen Platz haben – aber der Trend geht immer weiter hin zu realistischeren Abbildungen des Menschseins und ganz besonders Frauseins. Konfektionsgrößen von tiny bis really big, Narben, Dehnungsstreifen, körperliche Behinderungen, ein offenerer Umgang mit der Menstruation (offenER, noch immer nicht offen), Akne, ja sogar psychischen Erkrankungen werden immer häufiger thematisiert. Und das ist ziemlich geil, wenn ihr mich fragt. Social Media soll Platz bieten für alles. Außer Rassisten, Sexisten, Homophobe und sonstige *verkneife mir das Wort*.

Wo wir beim Stichwort „Sexismus“ auch schon beim Thema Frauenhass wären. Ätzend, leidig und eigentlich so von gestern, sollte man meinen. Ist aber nicht so. Denn während Körperpositivität zwar in vielen Köpfen schon angekommen ist, wird ein ganz bestimmter Körperteil oft immer noch zu sehr geshamed – die Vulva.

Wie ein „Camel Toe“ online für Zunder sorgt

Auf dieses Posting von Franziska Lohberger hat mich Aktivistin Louisa Dellert aufmerksam gemacht. Kurz zum Kontext: Franziska zeigt sich links im Bild mit einer Hose, die ihre Schamlippen abzeichnet. In die Caption schreibt sie:

„Keine Scham für die Schamlippen. Vulva Shaming heißt das auf Fachchinesisch. ‚Du hast nen Camel Toe, die Hose solltest du nicht tragen.‘ ‚Man kann deine F🚫tze durchsehen.‘ ‚Deine Vulva zeichnet sich ab, das ist ja widerlich.‘ Wisst ihr, was ICH widerlich finde? Dass Frauen und Mädchen das Gefühl vermittelt bekommen sich für ihren Körper schämen zu müssen. Sich als Beule abzeichnende Männergenitalien sind doch auch völlig normal.“ 

Ein (für Sexismus) bekannter Mann der Öffentlichkeit, dessen Name ich ausnahmsweise vermeide, weil mir meine Rest-Nerven für 2020 zu wertvoll sind, nutzt dieses Posting als Anlass, um direkt mit dem um die Ecke zu kommen, was ja eigentlich angeprangert wird: body shamende, frauenfeindliche Kommentare.

Louisa Dellert spricht sich gegen ihn aus, solidarisiert sich mit Franziska – und schon sind wir mittendrin im Drama, auf das ich nicht näher eingehen will. Was aber das wirklich Nervige daran ist?

Dass der Feminismus dann direkt aufs Korn genommen wird. Wir seien doch alle nur wütende, ungefickte, unrasierte Furien, die den Feminismus brauchen, um unsere mickrige, männerhassende Existenz zu rechtfertigen. Bevor ich meine Lobeshymne an die Vulva singe, um die es ja eigentlich gehen soll, muss ich hier aber doch nochmal einen kleinen Schlenker machen. Sorry, geht nicht anders: Ihr nervt so krass mit eurem Schubladendenken. Feministinnen hassen keine Männer, sie wollen lediglich die gleichen Rechte und Chancen wie sie. Und ob sie dabei wütend, ungefickt, unrasiert oder sonst was sind, geht niemanden auch nur einen Scheiß an. Tut nichts zur Sache.

Und jetzt back to topic: Vulva. Ganz ehrlich? Finde ich super nice, dass die Influencerin dieses Thema aufgegriffen hat. Darauf wäre ich nichtmal ich gekommen, wo ich mich sogar mit Tampon-Faden und Periodenblut im Höschen zeige. Der „Camel Toe“ ist ein Phänomen, dem auch ich aus dem Weg gehe – oder bisher immer gegangen bin. Und während ich gerade schreiben will, dass ich das sehr „mutig“ finde, habe ich einen Gedankenblitz – mutig?! Nein, wieso? Wieso sollte es Mut erfordern, so etwas völlig Natürliches und Harmloses öffentlich zur Schau zu stellen?

Zeichnen sich Brüste ab, ist das völlig. Zeichnet sich die Beule eines Penis ab, ist das völlig egal. Sieht man aber Schamlippen, ist die Kacke am dampfen. Und das macht doch, wenn man’s genau nimmt, so absolut gar keinen Sinn. Jede Cis-Frau hat sie nun mal, die Vagina. Und mit der kommt die Vulva. Und mit der kommen die Schamlippen. Warum ist uns das peinlich, wenn sich deren Kontur mal sichtbar macht? Warum zubbeln wir beschämt an unserer Gym-Leggings rum, wenn wir einen „Camel Toe“ haben? Richtig, weil wir darauf eben getrimmt werden, immer schon wurden.

Schluss mit Vulva-Shaming, feiert euch – in jeder Form

Genau so wie bei Popos, Brüsten, Nasen, Ohren, Bäuchen, Beinen oder anderen Körperteilen – unsere Vulva kommt in allen möglichen, einzigartigen Formen, und Vielfältigkeit ist immer wunderschön. Wäre sonst doch auch langweilig! Dass Schamlippen-Verkleinerungen heute zu den weltweit beliebtesten Schönheits-Eingriffen zählt, sagt alles – nämlich, dass wir hier noch einiges an Arbeit im Bezug auf Selbstwahrnehmung, Selbstbewusstsein und Selbstliebe vor uns haben.

Hier also nur mein kleiner Reminder an euch (und auch an mich selbst), dass unser Geschlechtsteil das allerletzte ist, wofür uns schämen oder beschämen lassen sollten. Alles ist gut so, wie es ist. Ihr seid gut so, wie ihr seid. Und eure Vulva ist es auch. Und wenn sich die mal abzeichnet, dann sage ich ganz platt einfach mal: drauf geschissen!

Feiert euch. Ihr seid es wert. ❤️

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