Ein einziges Motiv, so viele Gedanken. Und alle stoßen einem sauer auf. Dass das Thema sexueller Missbrauch und die Frage danach, wie man sich davor schützen kann oder wo man sich im Notfall Hilfe sucht, schon bei einer jungen Zielgruppe behandelt wird, ist richtig und wichtig. Absolut. Denn als publizierendes Medium und öffentlicher Meinungsmacher – auch als Teenie-Magazin – trägt man seinen Lesern und Leserinnen gegenüber ein gewisses Maß an Verantwortung.
Was mag also passiert sein, dass ausgerechnet einen Schwarzen als stereotypisiertes Bild eines Sexual- oder Gewalttäters abzubilden? Damit werden so ziemlich alle rassistischen und kolonialen Klischees bedient, die wir als moderne und diverse Gesellschaft doch vehement versuchen, endlich vollständig aufzulösen. Ja, wir, die diverseste Gesellschaft, die es seit der Geschichte der Menschheit gibt. Noch nie waren Kultur und Ethnizitäten so stark vermischt wie heute, und das ist ein wertvolles Geschenk, das uns im beste Falle ein empathisches und friedliches Miteinander und Verständnis füreinander lehren sollte. Rassismus ist und war schon immer verachtenswert, furchtbar verachtenswert, aber im Jahre 2019 hat jegliche Tendenz in diese Richtung schon dreimal nichts mehr zu suchen. Und dann auch noch in einem Teenie-Blatt mit Aufklärungscharakter, das sich monatlich an die 70.000 Mal verkauft. In naiven Kinderköpfen ist der Nährboden für menschenfeindliche oder rassistische Klischees außerdem vermutlich noch weicher als bei kognitiv voll ausgebildeten Erwachsenen. Was die Tatsache, dass Vergewaltigungen hier mit People of Color assoziiert werden, noch prekärer macht.
Gleichstellung ist keine Ausrede für mangelnde Sensibilität
Selbstverständlich ist diese ganze Thematik hier ein Balance-Akt. Im besten Fall sähe unsere Welt so aus, dass Hautfarbe, Herkunft oder Glaubensrichtung überhaupt gar nicht erst sonderlich nennenswert wären – und für das Ansehen in der Gesellschaft an keinem Flecken Erde eine Rolle spielen würden. Die totale Gleichberechtigung – so würden Gegenstimmen jetzt argumentieren – würde allerdings auch bedeuten, dass es eine Art von Reverse Racism wäre, wenn man sagen würde: „Na, die Schwarzen müssen wir jetzt aber mit Samthandschuhen anfassen.“ Ja, faktisch muss es so sein, dass jede Ethnie heutzutage alles sein kann und darf. Aber, und hier kommt der springende Punkt: Das alles darf keine Entschuldigung sein für mangelnde Sensibilität – und die, liebe Bravo Girl, wurde hier definitiv an den Tag gelegt. Ja, totale Gleichstellung ist das Ziel, das darf aber nicht bedeuten, dass man die Vorsicht darüber verliert, wie man mit gewissen Themen umzugehen hat. Und dass People of Color eine Historie haben, die heute und für immer einer gewissen Sensibilität bedarf, ist nunmal ein unumgänglicher Fakt.
Es wäre doch ebenso daneben, wenn ein amerikanisches Magazin als Stellvertretung für einen Deutschen einen Weißen mit Hitler-Schnauzer abbildet und dann sagen würde: „Habt euch nicht so, es ist doch nur ein Bart. Und ihr seid doch hauptsächlich weiß.“ – True and true, aber es ist dennoch eine grob fahrlässige Anspielung, die in der aktuellen gesellschaftlichen Anspannung eine Wirkung entfacht, derer man sich als Publizist bewusst sein MUSS.
Das Netz reagiert zurecht empört