Catcalling im Sommer: Storytime! Ich will eure Erfahrungen hören

Es gibt Momente, in denen möchte Frau einfach nur wegrennen. ❌

Und es gibt auch immer noch einige Männer, die nicht verstehen wollen, dass ihr Verhalten der Grund dafür ist. Ich halte nichts von Männer-Shaming oder Verallgemeinerung. Genauso wichtig ist es aber, uns Frauen zuzuhören und zu verstehen, dass viele von uns manchmal wirklich ANGST verspüren. Angst ist ein Gefühl und sollte niemandem abgesprochen werden. Deshalb gilt: Sich gegenseitig zuhören, ist the key! Die Angst vor Catcalling führt nämlich oft zu tiefgehender Panik und Misstrauen – gegenüber Männern. Und das ist schade für ALLE Beteiligten.

Tatsächlich haben mich einige von euch via Insta gefragt, was Catcalling nochmal genau bedeutet. Catcalling ist eigentlich eine Form verbaler, sexualisierter Gewalt. So bezeichnet man das ungewollte und aufreizende Rufen, Pfeifen, Anlabern, Hinterherbellen und einfach zusammengefasst: All das nervige Verhalten, wonach ich nicht frage und was ich trotzdem ins Gesicht geschallert bekomme. Danke für nichts.

Mir ist das erst vor ein paar Wochen wieder passiert. Ich bin tagsüber (!!!) mit der U-Bahn gefahren und hatte ein langes (!!!) weißes Kleid an – natüüürlich mit hautfarbener, nahtloser Unterwäsche darunter, damit sich nichts abzeichnet und ich keine Kommentare von Fremden provoziere. Allein dieser Gedankengang ist schon vollautomatisch – und ziemlich sad. Als ich dann die Treppe gut gelaunt runtergelaufen bin, kam es zu einer Situation, die mich auch jetzt noch anekelt. Gänsehaut pur.

„Na, na, na! Ohne Unterwäsche unterwegs also? Sowas macht man aber eigentlich nicht. Böse, böse.“ Der Typ flüsterte mir das SO eklig von hinten ins Ohr, dass ich erstmal gar nicht wusste, was da gerade passiert war. No shit, ich habe einfach weitergelächelt, weil es ewig gedauert hat, bis das gerade Geschehene auch in meinem Verstand angekommen war.

Die Treppe unten angekommen, bin ich einfach wie versteinert weiter geradeaus gelaufen und hab’ mich nicht umgedreht. Kurz dachte ich wirklich, da kommt noch mehr. Dass er mir folgt, mich weiter anspricht. Was macht er? Geht an mir vorbei, dreht sich um und zwinkert mir zu. LOL. Wie charming, Mensch. Danach habe ich tagelang innere Monologe geführt und mir vorgestellt, wie ich ihn einfach mit einem dicken: „Verpiss dich!“ anscreameee. Mag ich nach wie vor, diese Vorstellung. 🌝

Natürlich ist mir so etwas schon öfter passiert. Ich müsste also eigentlich Übung haben und dürfte es nicht so an mich heranlassen, right? FALSCH! It is not my fault. Und eurer ist es auch nicht, falls euch so etwas schon mal passiert sein sollte.

Aber zurück zum Thema:

Seit diesem Vorfall habe ich das Kleid nicht mehr angezogen. Immer, wenn ich damit vor dem Spiegel stehe, erinnere ich mich an diesen miesen Moment mit diesen widerlichen Worten und daran, dass ich mir dachte: Ich werde gerade belästigt, jetzt und hier. Vor all diesen Menschen werde ich geCATCALLED. An einem Dienstag um 16 Uhr. I cannot. WTF.

Und was ist die Konsequenz? Dass mein schönes Kleidchen jetzt nicht mehr getragen wird, weil ich Angst habe, eine Wiederholung der Situation zu provozieren.

Tja… Woran hat’s gelegen? Sicher nicht an mir!

Passiert mir das eher im Sommer, den ich doch eigentlich so sehr liebe? Liegt das an den engeren/heißeren/kürzeren/was-auch-immer-Männer-eben-so-anmacht Klamotten? Bin ich die Einzige, die dann jedes Mal den Mund nicht aufbekommt und einfach schnell wegläuft? Und nochmal: Liegt es denn jetzt am Sommer? An MIR? AN MIR – IM SOMMER?! 👹

Ich alleine kann mir das nicht beantworten. Und mein Freund leider auch nicht, sondern ich brauche da Frauenmeinungen und persönliche Erfahrungen mit Catcalling! Also hab‘ ich genau diese Fragen mal an euch weitergeleitet. Ich wollte wissen, was solche Situationen mit EUCH machen. Ob ihr sie im Sommer öfter erlebt als sonst. Ob ihr auch einem Kleid hinterhertrauert. Ob bei euch auch die Angst und die Scham manchmal siegen…

Ich habe das Kleid direkt beim Schreiben dieses Artikels nochmal gesucht und werde es später anziehen. Und mich darin schön fühlen – nicht schmutzig. Period.

Eure Catcalling-Geschichten:

Ihr habt mir teilweise so detaillierte Geschichten erzählt und geschrieben, mir eure Gefühle mitgeteilt und mich damit so gerührt:

„Mittlerweile gehe ich immer sehr schnell, damit mich niemand blöd anmacht. Aber als ich im Juni einmal in Rock und Top in der Hamburger Innenstadt war, muss ich zugeben: Ich habe mich komplett schutzlos gefühlt. Ich wurde so offensichtlich und hemmungslos angeschaut, angesprochen und angepfiffen, dass meine Freundin irgendwann meinte: ‚Ich ziehe meinen Ausschnitt tiefer, dann gucken sie nicht nur dich an’. Das war menschlich betrachtet wirklich gruselig. Ein absoluter Tiefpunkt, wenn man so darüber nachdenkt.“ – Clara, 23

„Im Sommer ist es definitiv schlimmer als im Winter. Kurze Sachen, bauchfrei und Dekolleté… Es wird auch gerne erzählt, was die Männer am liebsten mit dir anrichten würden und dass man selbst schuld ist, wenn man sich so kleidet. Das macht mich so traurig…“– Sarah

(Das macht mich auch traurig, weil so viele Frauen das irgendwann wirklich glauben und sich dann für übergriffige Männer „passender“ kleiden…)

„Ich trage ungern BHs und ich habe meine natürliche Brustform akzeptiert und lieben gelernt. Ohne BH scheint es aber leider wie eine Art Einladung zur freien Belästigung für einige Männer zu sein. Von Catcalling, Nachpfeifen (als wäre ich ein Hund) bis hin zur Verfolgung habe ich schon alles erlebt. Und all das ruft leider ein Gefühl von Unsicherheit hervor. Wann muss ich endlich keine Angst mehr haben, aus dem NICHTS beschämt und degradiert zu werden?“ – Fine, 31

(Hier muss ich auch zugeben: Kenne ich. Ich traue mich nicht, ohne BH rauszugehen! Obwohl ich oft gerne würde, traue ich mich dann nicht.)

„Find’s im Sommer tatsächlich unangenehmer, weil es da noch mehr vorkommt und die Männer irgendwie enthemmter wirken!“Anonym

„In meinem Freundeskreis gilt das Sprichwort ‚Es ist erst Sommer, wenn die erste angehupt wurde‘“ – Anonym

(Und ich denke mir: Guuuuuurl, warum sind denn das deine „FREUNDE“ ?! 😐)

„Ich habe das Gefühl, je mehr man verbal belästigt wird, desto selbstbewusster und distanzierter wird man im Umgang mit eben solchen Äußerungen“ – Felicia

„Deswegen laufe ich grundsätzlich NIE in kurzen Hosen oder mit ausgeschnittenen Tops herum… Ist im Sommer schon echt ätzend. – Tuni, 23

„Ich suche am Anfang die Schuld bei mir, aber äußerlich versuche ich nicht zu zeigen, dass ich mich unwohl fühle. Obwohl ich schon vermeide mich aufreizend anzuziehen, kommen ja trotzdem Kommentare. Wenn es danach geht, müsste ich mich komplett verstecken. Und selbst dann wäre das einigen Männern bestimmt auch wieder nicht recht. Also: Einfach versuchen, weiter dein Ding zu machen!“ – Anonym

Und das Fazit der Geschicht‘: Alleine sind waaa alle nicht!!

Wenn IHR mal das Gefühl haben solltet, bloßgestellt zu werden, denkt an diesen Artikel und meine Worte: Ich fühle euch und ihr seid damit NIEMALS alleine. Es ist nicht eure Schuld. Ihr habt nichts getan, um das zu verdienen! Niemals.

Und um euch das nochmal kurz zu verdeutlichen: Wir sitzen (leider Gottes!!) alle im selben Boot, Ladies.

Nachts gibt es zum Beispiel eine Telefonnummer, falls ihr euch mal unwohl und nicht sicher fühlt – die 030 12074182. Habe ich auch abgespeichert. Und dann weiß ich auch von einer sehr coolen Instagram-Bewegung. In Hamburg gibt es zum Beispiel einen Account, der Catcaller „ankreidet“ (He!). Den Wortwitz daran versteht ihr gleich. Die Sprüche und ekligen Zurufe könnt ihr da nämlich teilen und die Mädels von @catcalls-hamburg schreiben dann mit Kreide die Worte genau dorthin, wo ihr in Hamburg belästigt worden seid!

Natürlich macht das eure Gefühle nicht besser und das Geschehene nicht wett, aber für einen Moment fühlt man sich more POWERFUL. Und darum geht’s! Mal öfter das Gefühl zu verspüren, die Oberhand zu haben.

Dasselbe Prinzip findet ihr übrigens auch für viele andere Städte – alle inspiriert vom Hashtag #chalkback! Gemeint ist damit eben das Ankreiden der Tätern mit echter Kreide. Die Idee entstand durch eine Kreide-Kunst-Bewegung gegen Belästigung.

Das sind jetzt nur zwei kleine Tipps für den Alltag, aber das Wichtigste ist wirklich, dass ihr LAUT werdet und auch LAUT bleibt!

‼️ Hört nicht auf, euch gegenseitig zu supporten und eure Erlebnisse zu teilen. Erzählt es euren Freundinnen, schreibt es euch auf, oder, oder, oder. Aber wenn es etwas mit euch macht, dann lasst es zu und verarbeitet das. Gefühle sind Gefühle – und die kann uns Frauen niemand nehmen und absprechen. ‼️

Fühlt euch gedrückt. ❤️

Credits: Giphy, Pexels

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