„Zeitweise hatte ich Suizid-Gedanken“ – Cheyenne Ochsenknecht und Mutter Natascha exklusiv über Cyber-Mobbing

Bei der Gehässigkeit mancher Menschen kann ich fast spüren, wie sich die Galle ihren Weg von meinem Magen in den Mund bahnt. So geht’s mir auch, wenn ich mir Hater-Kommentare und -Nachrichten durchlese, die Model und werdende Mama Cheyenne Ochsenknecht (20), die gerade in der 22. Schwangerschaftswoche ist, seit circa zwei Jahren täglich so auf ihrem Instagram-Kanal kassiert. „Dich und deine Mutter muss man schlachten lassen“, „Wenn man sich bei Social Media mit jedem 3. Bild prostituiert, braucht man sich doch nicht wundern, dass man gemobbt wird, du primitiver Mensch!“, „Du bist so eine geldgeile Hure. Und deine hässliche Mutter erst“ Nur wenige Beispiele einer Reihe beispielloser Frechheiten, die einfach nur widerlich sind und in einem die Frage aufwerfen: Wie hält ein Mensch sowas aus?

Einen Grund? Gibt’s im Cheyennes Fall nicht. Und so oder so gäbe es keinen, der dies rechtfertigen würde. Auf einmal waren sie einfach da, die Cyber-Mobber – verirren sich ein paar, kommen immer mehr dazu, das Ganze wird zum Selbstläufer und schon dreschen Hunderte arme Seelen im Netz unter dem Deckmantel der Anonymität auf eine fremde Person ein. Manche würden unter diesem Gewicht einbrechen – Cheyenne und ihre Mutter Natascha Ochsenknecht (56) wehren sich. Setzen sich dafür ein, dass der Täter angeprangert wird, nicht das Opfer.

So erschien gestern, am 18. November 2020, das Buch der beiden – in Wehr Dich! Wie Mutter und Tochter gegen den Hass im Netz kämpfen“ spricht Cheyenne über ihre von Mobbing geprägte Kindheit, die Beleidigungen, denen sie heute täglich online ausgesetzt ist, was sie und Natascha sich von der Gesetzgebung bzgl. Cyber Mobbing wünschen und wie Betroffene besser damit umgehen können. Und auch mit mir hat das Mutter-Tochter-Gespann über dieses so wichtige Thema gesprochen, um künftig hoffentlich für ein menschlicheres Miteinander on- und offline zu sorgen.

Cheyenne und Natascha Ochsenknecht im Interview über Hass im Netz und wie man sich zur Wehr setzt

TC: Liebe Cheyenne, wenn ich mir so durchlese, welche Mobbing-Attacken du tagtäglich erfährst, wird mir fast schlecht. Gab es irgendetwas, das diese Hass-Welle vor rund zwei Jahren, als alles anfing, ins Rollen gebracht hat?

Cheyenne: Nein, es gab keinen Auslöser, ich habe mir nie irgendeinen groben Fehler erlaubt oder für einen Medienskandal gesorgt. Mobbing kann jeden treffen, grundlos, und somit bin auch in ein Zufallsopfer.

Natascha: Ich bin immer wieder schockiert, zu erfahren, wer alles Opfer von Mobbing wird. Ganz oft schreiben mir Leute und berichten von ihren schlimmen Erfahrungen und ich verstehe die Welt nicht mehr, wenn ich mir anschaue, welch schöne und freundliche Menschen das sind. Jugendliche, Erwachsene, Männer oder Frauen – ganz egal. Manchmal reicht es ja schon, dass der Kollege deinen Job haben will, um dich aus dem Unternehmen zu mobben.

Damals warst du gerade mal 18, noch ein Teenager. Was macht das mit einer so jungen Frau? 

Cheyenne: Ich war erstmal überrumpelt und ratlos und stellte mir die Frage: Warum gerade ich? Ich fing an, den Fehler für das Verhalten der anderen bei mir zu suchen. Das Wichtigste zu dieser Zeit war, dass ich von Anfang an über alles mit meiner Mutter sprechen konnte und somit ein Ventil hatte. Sie machte mir schnell klar, dass ich nicht der Fehler bin, sondern diese Menschen selbst.  Es galt, schnell zu akzeptieren, dass dies nun eben einfach meine Realität ist. Einerseits ging es mir natürlich manchmal schlecht, andererseits gab sie mir das Gefühl, trotzdem – oder erst recht – stark zu sein.

Welch schönes Kompliment an eine Mama! Natascha, wie ergeht es dir als Mutter dabei, mit anzusehen, wie das eigene Kind gemobbt wird? 

Natascha: Für mich ist das eine wirklich so traurige Sache, dass mein eigenes Kind gemobbt wird, aber auch mit anzusehen, wie es anderen ergeht und dass es mittlerweile fast Gang und Gäbe ist, jemanden niederzumachen statt Komplimente zu machen. Bevor Nettes geäußert wird, wird erstmal das Negative angesprochen. In welcher Welt leben wir eigentlich?

Was sind das in eurem Fall für Leute, die solche Nachrichten verschicken?

Natascha: Oftmals sind das traurigerweise andere Frauen, die schon etwas älter sind. Viele von ihnen sind Mütter. Die schreiben ganz besonders üble Nachrichten und Kommentare, meistens mit einer Selbstsicherheit, dass es kaum zu glauben ist. Wenn ich auf die Profile so mancher dieser besagten Frauen klicke, machen die oft auf heile Familienwelt – während sie im Netz mit dem größten Hasstiraden um sich schmeißen. Da muss ich mir wirklich an den Kopf fassen und mich fragen, was da falsch gelaufen ist. Die müssen alle abgemahnt werden.

Cheyenne: Jawoll, Mama!

» Meist sind das Frauen, bei denen ich unweigerlich das Gefühl bekomme, dass sie seit 10 Jahren keinen Sex mehr hatten oder dass die Ehe nicht rund läuft. «
Natascha Ochsenknecht

Was glaubst du denn, was bei denen falsch gelaufen sein könnte?

Natascha: Neid spielt hier eine unfassbar große Rolle. Sieht man ja daran, dass oft besonders hübsche Mädels diesen Hass abbekommen. Meist sind das Frauen, bei denen ich unweigerlich das Gefühl bekomme, dass sie seit 10 Jahren keinen Sex mehr hatten oder dass die Ehe nicht rund läuft. Vielleicht haben die Kinder Probleme mit der Mutter und diese wiederum muss das irgendwo auslassen – dann sucht sie sich ein Opfer, das gut aussieht, glücklich scheint und bei dem sie sich denkt, dass es doch ein so einfaches Leben hat, weil es zum Beispiel in deren Vorstellung „nicht arbeiten muss und von den reichen Eltern versorgt“ wird. Die ticken dann aus.

Apropos „Eltern“! Cheyenne, du wirst Mutter – hast gerade bekanntgegeben, dass du schon im 6. Monat bist. Herzlichen Glückwunsch. ❤️ Aber vermutlich springen die Hater auch darauf schon wieder an….

Cheyenne: Danke, wir freuen uns so, so sehr! Und ja, natürlich wird das wieder zum Anlass genommen, um zu haten. Ich habe heute eine Nachricht bekommen, die ich gerne vorlesen: ‚Du bist also schwanger? Und das, ohne dass du gelernt hast, alleine ein Leben zu führen und ohne, dass dir alles in den Po geschoben wurde? Dein Kind wird also genau so aufwachsen?‘ Das sind die Behauptungen, die mich richtig abfucken. Dieses Ganze Gerede von wegen meine Eltern schieben mir alles in den Hintern, geht mir auf die Nerven! Es wäre schön, wenn ich mich zurücklehnen, nichts tun und von deren Geld leben könnte, aber so ist es eben nicht. Es kommt dann schon mal vor, dass ich zwei, drei Stunden lang richtig wütend bin.

» Wir haben uns direkt dazu entschieden, dass wir unser Kind aus der Öffentlichkeit raushalten werden.  «
Cheyenne Ochsenknecht

Wie fährst du dich in solchen Moment selbst runter und schaffst es abzuschalten?

Cheyenne: Mein Partner und ich wohnen hier in Österreich direkt am Waldrand. Wir gehen dann spazieren und ich lasse mein Handy zuhause, weil ich diese Off-Time für mich genießen muss.

Natascha: Ich ignoriere das meiste, es gibt aber auch Tage, wo ich richtig Lust habe, die Konfrontation zu suchen. Manche Kommentare sind so dumm, anmaßend und respektlos, wow! Bei mir traut sich das niemand, es geht ja hauptsächlich um Cheyenne. Wir vermerken auch gerne mal, dass unsere Anwältin mitliest, dann ist oft direkt Ruhe im Karton.

Hat sich dein Gefühl im Bezug auf Sicherheit im Netz nochmal verändert, seit du schwanger bist, Cheyenne? Werdet ihr euer Kind zeigen?

Cheyenne: Natürlich möchte ich meinem Kind so etwas in der Zukunft ersparen. Wir haben uns direkt dazu entschieden, dass wir unser Kind aus der Öffentlichkeit raushalten werden. Ich halte ja auch meine Beziehung sehr privat. Das Kind soll das selbst entscheiden können, sobald es alt genug ist.

Ich wusste damals im Teenager-Alter, als ich den Schritt selbst gegangen bin, auch, worauf ich mich einlasse und was es bedeutet, Jobs im Rampenlicht anzunehmen.

» Zeitweise hatte ich wirklich Suizid-Gedanken. «
Cheyenne Ochsenknecht

Cheyenne, wann hattest du den Tiefpunkt erreicht, an dem du sagen musstest ‚bis hierhin und nicht weiter‘?

Cheyenne: Zeitweise hatte ich wirklich Suizid-Gedanken. Ich hätte das niemals durchgezogen, aber natürlich geht mir Selbstmord durch den Kopf, wenn ich so etwas erleben muss. Ab einem gewissen Punkt merkte ich, dass ich mich darin verlieren und daran kaputt gehen könnte, weshalb ich einen Psychologen aufsuchte. Diese Therapie war notwendig, sonst hätte es vielleicht andere Folgen gehabt.

Das ist so mutig, richtig und wichtig, das auch in der Öffentlichkeit zu thematisieren und nicht zu einem Tabu zu machen. Das Schlimme ist ja, dass Viele mit der Argumentation um die Ecke kommen, man „müsse damit eben rechnen, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist“…

Natascha: Hier muss man erstmal ganz klar zwischen Kritik und Mobbing differenzieren. Kritik ist etwas, das respektvoll und konstruktiv erfolgt. Etwas, bei dem Meinungen einfach auseinandergehen – jedoch keine Worte unter die Gürtellinie. Ist diese Grenze überschritten, sind wir beim Mobbing. Und da dann so zu argumentieren ist so für die Tonne! Mit der Aussage, Cheyenne solle doch einfach von der Bildfläche verschwinden und Instagram löschen, nehmen wir die Täter in Schutz. Ein gemobbtes Kind in der Schule kann ja auch nicht einfach aus dem Unterricht verschwinden, ein gemobbter Arbeitnehmer muss trotzdem seine Rechnungen bezahlen können. Wir dürfen Opfer nicht noch mehr zum Opfer machen! Es muss was getan werden, um den Täter zu stoppen.

» Den Leuten fehlt Liebe. Es fehlt ihnen einfach Liebe!  «
Natascha Ochsenknecht

In eurem Buch „Wehr dich!“ gebt ihr unter anderem ganz konkrete Tipps für Betroffene, um sich Mobbing nicht gefallen zu lassen. Welche Akut-Ratschläge würdet ihr der besten Freundin geben?

Cheyenne: Es gibt viele Organisationen gegen digitale Gewalt wie z.B. HateAid, an die man sich wenden kann – oder auch die Polizei-Onlinewache, dort gibt es extra eine Abteilung für Cyber-Mobbing.

Natascha: Damit kennt Cheyenne sich mittlerweile bestens aus (lacht).

Cheyenne: Des Weiteren würde ich ihr raten: Mach einfach immer weiter! Lass dich auf keinen Fall einschüchtern und gönne den Hatern nicht das Gefühl, dass sie es geschafft haben, dich runterzuziehen und einzuschränken. Du musst diesen Menschen mit Stärke entgegentreten und sie wissen lassen, dass sie dich nicht klein kriegen, sonst haben sie genau das, was sie wollen.

Natascha: Und darüber hinaus: blockieren, blockieren, blockieren. Und wenn jemand wirklich zu weit geht, muss man das zur Anzeige bringen. Ganz einfach.

Welche Erkenntnis hat euch diese ganze Situation gebracht? 

Natascha: Leider, leider, dass es der Welt immer mehr an Empathie fehlt, immer mehr Leute nur an sich denken und alles dafür tun würden, um selbst gut dazustehen. Leute gehen über Leichen, sind berechnend. Diese Erkenntnis tut irgendwie auch weh, und es ist schade, dass sich das dann auch auf weitere Generationen abfärbt. Den Leuten fehlt Liebe. Es fehlt ihnen einfach Liebe!

Lasst uns diese hasserfüllten Internet-Mobber doch mal an die Hand nehmen und ihnen einen Ratschlag geben: Wo sollen sie ansetzen, um mal wieder klarzukommen?

Natascha: Jemand, der so viel Hass in sich trägt, sollte erstmal nach der Ursache suchen. Wo kommt das her? Was ist passiert, dass er das Gefühl hat, er muss diesem Hass Luft lassen? Wurde er vielleicht selbst in der Vergangenheit gemobbt? Und dann soll derjenige sich mal fragen: Wie würde ich mich fühlen, wenn mir das jemand schreiben würde? Kommt er zu der Erkenntnis, dass er verletzt wäre, sollte klar sein, dass er zu weit gegangen ist. Vielleicht muss er sich auch eingestehen, dass er Hilfe braucht, weil es ihm bisher im Leben nicht so gut ergangen ist.

Cheyenne: Genau, ich denke, viele dieser Menschen führen einfach ein unglaublich unerfülltes Leben. Sie sollten nach etwas suchen, das diese Lücke füllt. Und vielleicht suchen sie mal nach dem genauen Grund, warum diese blöde Cheyenne Ochsenknecht so viel Wut in ihnen triggert – vermutlich finden sie ihn bei sich selbst.

Habt ihr noch was auf dem Herzen, das ihr loswerden möchtet?

Natascha: Nie, niemals aufgeben! Alle, die gemobbt werden, dürfen das auf gar keinen Fall persönlich werden. Die goldene Regel lautet: reden! Mit Freunden, der Familie, Lehrer*innen… und im Notfall Hilfe suchen.

Cheyenne: Word.

____________

Was für ein wertvolles Gespräch, das sich fast so angefühlt hat, als würde man mit alten Bekannten an einem Tisch sitzen und sich austauschen. Es war nicht nur schön zu sehen, mit wie viel Herzblut ihr für mehr Gerechtigkeit einsteht, sondern auch, wie schön eure Dynamik als Mutter und Tochter ist. Der oder die Kleine von Cheyenne wird definitiv in eine Bombenfamilie hineingeboren. 💪

Falls auch ihr von Mobbing betroffen seid, lest euch gerne durch das Buch der beiden. Gibt’s für 18€ z.B. bei Weltbild – oder aber ihr nutzt die Coronakrise, um kleinere Buchläden eures Vertrauens zu supporten. Bleibt gesund, bleibt munter, und vor allem, lasst uns doch heute mal eine kleine Challenge meistern: einfach mal ein paar Komplimente verteilen. Offline und online.

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