Ja, wir brauchen vegane Metzgereien – und moderne Hausmannskost! Dieses Interview zeigt, warum

Den meisten von euch wird es wie mir ergehen. Seit über einem Jahr zieht es uns nun schon durch die immer-gleichen Straßen, an den immer-gleichen Häusern und Orten vorbei. Spazierengehen ist zum neuen Lebensgefühl geworden… und inzwischen bereits wieder zum Endgegner verkommen. Wir drehen unsere Kreise, kennen mittlerweile jede Ecke und jeden Baum. Jedenfalls im Umkreis von drei Kilometern um die eigene Wohnung herum. Würde ich schätzen.

Doch trotz des ganzen Einerleis haben diese immer-gleichen Runden auch etwas Gutes mit sich gebracht. Noch nie zuvor habe ich die Straßen um mich herum so durchwandert. Nie zuvor habe ich Geschäfte, Ateliers, Einzelhändler*innen und Räumlichkeiten so sehr wahrgenommen. Und vermutlich bin ich auch noch nie zuvor auf so viel Kreativität und Konzeption gestoßen – wie in diesem Fall in der Raumerstraße im Prenzlauer Berg.

Genau dort befindet sich nämlich eine Vetzgerei. Oder, besser: DIE Vetzgerei. Quasi eine Metzgerei, die gar keine ist… und auch ganz bestimmt keine sein möchte. Denn was dort hinter der einladenden Theke serviert wird, ist komplett vegan. Jedes Würstchen, jeder Aufschnitt – all plant based everything. Wenn das mal nicht mein Herz bewegt!

Ein erstes Mal habe ich die moderne Lokalität bereits im vergangenen Sommer besucht. Damals bestellte ich einen gemischten Teller – durchprobieren war angesagt – und kam aus dem Freuen nicht mehr heraus. Fazit: Diese pflanzlichen Wurstwaren können nicht nur gut aussehen – sie schmecken auch! Seither bin ich immer wieder zurückgekehrt. Für Salami aus Soja. Oder Seitan-Würstchen für den Grill.

Tradition neu interpretiert

Was früher noch das Rädchen Lyoner war, ist heute ein Probierstück Chorizo… und schon bin ich im Glück. Denn auch so kann authentisches Handwerk funktionieren! Die Auslage ist gut bestückt, es duftet verführerisch: Wer diesen Laden betritt, denkt unweigerlich an moderne Hausmannskost. Nur anders eben. Mit V.

Eine Idee, über die wir gerne mehr erfahren würden. Also haben wir nachgefragt … und der Geschäftsführerin Sarah Pollinger einige spannende Antworten entlockt. Vegane Alternativen müssen eben längst nicht voller Zusatzstoffe sein. Sie brauchen aber auch kein „Geschmacksecht“-Label, um daseinsberechtigt zu sein. Ganz vielleicht gefällt uns gerade diese ihrer Antworten besonders gut (aber dazu weiter unten mehr).

Weil die Vetzgerei eben nicht nur ein Laden ist, den man beim Spazierengehen streift. Sondern weil ein Konzept dahintersteckt. Das sich hoffentlich ganz bald auch über die Grenzen Berlins hinaus wiederfinden lässt. 

Damit zukünftige Generationen auch weiterhin beim Einkaufen ein Rädchen ihrer Lieblingswurst gereicht bekommen. Pflanzenbasiert vielleicht… aber ganz sicher nicht weniger lecker. Bevor ich nun aber zu viel vorwegnehme – lest lieber selbst… 

trèsCLICK: Eine vegane Metzgerei – klingt nach einer tollen, aber auch sehr ungewöhnlichen Idee. Wie seid ihr auf dieses besondere Konzept gekommen?

Sarah Pollinger: Als Kind bin ich immer gerne mit meiner Mutter einkaufen gegangen. Auf den Markt, zum Metzger, in die Bäckerei. Ich fand es immer schon toll, in kleinen Läden einzukaufen und habe den persönlichen Kontakt sehr genossen. Ebenso wie die Möglichkeit, Fragen stellen zu können. Als ich angefangen habe, mich vegan zu ernähren, gab es noch keine Alternative zum Metzger. Wenn ich einen veganen Aufschnitt haben wollte, ‚musste‘ ich in einen (Bio)Supermarkt gehen und ihn dort holen. Aber das ist einfach nicht das gleiche Einkaufserlebnis.

» Wir versuchen nicht, Geschmäcker nachzuahmen, sondern eigene zu kreieren. «

Seht ihr euch inzwischen als Konkurrenz zu herkömmlichen Metzgereien?

Nein, so sehen wir uns nicht. Wir sind eher eine Erweiterung. Den Namen ‚Vetzgerei‘ haben wir bewusst gewählt, um zu zeigen, dass wir in vielen Dingen einer Metzgerei gleichen und diese wertschätzen wollen. Nämlich das Handwerk (wir gehen dabei immer von den guten Beispielen in der Branche aus. Es gibt natürlich genug Metzgereien, wo das lange nicht mehr so ist). Wir stellen all unsere Produkte in liebevoller Handarbeit her und deshalb gleicht auch keine Wurst der anderen.

Habt ihr bereits eine Stammkundschaft oder ist der Großteil der Besucher*innen einfach neugierig?

Es ist immer schwer zu sagen in welchem Verhältnis Stammkundschaft zu Neukundschaft steht, aber wir haben definitiv beides. Viele Gesichter, die zu uns kommen, kennen wir mittlerweile sehr gut und gleichzeitig sind viele dabei, die vor der Theke stehen und sagen ‚Ich bin zum ersten Mal hier, erzählt doch mal.‘.

Mehr als nur eine vegane Metzgerei…

Warum, glaubt ihr, stößt ein Laden wie eurer in der heutigen Zeit auf so viel Interesse?

Es ernähren sich immer mehr Leute vegan. Auch wenn es natürlich viele Leute gibt, die sich noch nicht so ernähren (oder zumindest nicht bewusst. Einige Rezepte sind ja auch vegan, ohne dass man es weiß) – davon gehört haben die meisten. Obwohl viele das Thema interessant finden, sind sie gleichzeitig skeptisch. Manche denken, dass vegane Produkte zu teuer sind, manche finden es blöd, dass die Zutatenlisten veganer Produkte so lang sind und manche mögen es nicht, dass die Produkte industriell hergestellt werden. Das ist natürlich für uns die perfekte Chance. Wir wollen Leute da abholen, wo sie gerade sind. Wollen ihre Fragen beantworten und transparent mit der Produktion und den Zutaten umgehen.

Stichwort Transparenz: Auf welcher Basis beruhen denn die meisten eurer Produkte? Und wie bekommt ihr einen authentischen Geschmack zustande?

Die Basis ist entweder Seitan, Soja oder Gemüse. Den authentischen Geschmack bekommen wir hoffentlich gar nicht hin, da wir nicht versuchen, Geschmäcker nachzuahmen, sondern eigene zu kreieren. Wir wollen eher Bedürfnisse befriedigen. Wenn jemand zum Beispiel Lust auf eine Salami hat, dann hat er oder sie vor allem Lust auf einen deftigen Aufschnitt mit ordentlich Geschmack – und genau das bekommt er oder sie bei uns.

Du hast es selbst bereits angesprochen: Vegane Ersatzprodukte werden durch die langen Zutatenlisten oft als ‚künstlich‘ kritisiert. Arbeitet ihr mit Geschmacksverstärken, Verdickungsmitteln oder unaussprechlichen Zusatzstoffen?

Nein, das machen wir nicht. Wir packen nur das in die Produkte, was für die Konsistenz und den Geschmack wichtig ist. Bei uns kann man alles aussprechen. Um aber noch kurz beim Thema ‚vegane Ersatzprodukte sind künstlich‘ zu bleiben: Ja, davon gibt es auf jeden Fall einige und man muss immer genau hinschauen, was man kauft. Allerdings ist es bei Fleischprodukten nicht anders. Ganz oft hat man eine riesige Menge an Zutaten, von denen man mindestens die Hälfte nicht kennt. Ich finde es schade, dass dieses Problem oft ausschließlich mit veganen Produkten in Verbindung gebracht wird.

Da sind wir ganz deiner Meinung. Danke für diese kritische Gegenüberstellung. Gibt es in eurem vielfältigen Sortiment denn bereits klassische Bestseller?

Gyros, Bacon, Paprika-Chili-Würstchen, Kartoffelsalat mit Mayo und der Schwarze-Bohne-Trüffel-Aufschnitt.

… das ist handgemachte Hausmannskost

Welche Produkte würdet ihr interessierten Neu-Kund*innen empfehlen? Und für welche Verwendung?

Es kommt immer darauf an, auf was die Kund*innen Lust haben. Eher auf einen Salat? Einen Aufschnitt? Ein Würstchen? Aber generell würde ich unsere Bestseller empfehlen. Die Aufschnitte sind als Brotbelag gedacht, man kann sie aber genauso gut anbraten und als Salat-Topping oder Pizza-Belag verwenden. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Unsere Würstchen kann man ebenfalls nach Lust und Laune verwenden. Entweder ganz traditionell z.B. angebraten mit Kartoffelbrei und Sauerkraut, oder etwas leichter mit Ofengemüse und einem Dip. Ich glaube, da könnte ich noch sehr viele Ideen mehr aufzählen…

Ernährt ihr euch selbst denn vegetarisch oder vegan?

Ich glaube unser ganzes Team ernährt sich vegan. Zu 100 % weiß ich es allerdings nicht. Für mich ist es immer wichtig, dass die Leute hinter der Idee und den Produkten stehen und sich damit identifizieren können. Ob sie sich dabei komplett vegan ernähren oder nicht, finde ich nicht so wichtig. Jeder gibt sein bestes, seinen Teil beizutragen, die Welt ein Stückchen besser zu machen.

Oh ja, das glauben wir auch! Abschließend nun noch die alles entscheidende Frage: Wie kann man euch in der aktuellen Lage am besten unterstützen?

Kommt zu uns in den Laden oder kauft bei uns im Online-Shop ein. Darüber würden wir uns sehr freuen!

Na dann: Wir wissen, was zu tun ist!

Danke liebe Sarah, für diesen spannenden Einblick. Zum Online-Shop der Vetzgerei geht’s übrigens hier. Frohes Shoppen und noch fröhlicheres Vernaschen wünschen wir euch!

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