Doomscrolling: Was die Sucht nach negativen Nachrichten so gefährlich macht

Negative Nachrichten sind in unserer Zeit omnipräsent. Kein Wunder, auf der Welt passieren halt auch täglich neue schreckliche Dinge, die dir jedes Mal von neuem die Kehle zuschnüren lassen. Und gefühlt im Sekundentakt wird auf allen möglichen Ebenen darüber berichtet. Und klar, das ist wichtig. Immerhin sollten wir alle wissen, was sich derzeit auf der Welt so abspielt, um gegebenenfalls darauf reagieren, in irgendeiner Weise helfen oder um uns auch einfach nur darüber austauschen zu können. Aber aktuell fühlt es sich einfach so an, als würde sich diese Spirale aus negativen Meldungen in rasanter Geschwindigkeit immer weiter nach unten drehen. Als würde alles immer schlimmer werden. Ich weiß noch, als ich Anfang des Jahres so dachte: Okay, nach zwei Jahren Pandemie, in denen die Welt quasi an nichts anderes denken konnte als das scheiß Coronavirus, wird jetzt 2022 alles irgendwie besser. Und dann kam der 24. Februar und plötzlich reden wir nur noch über diesen furchtbaren Krieg so nah vor unserer Haustür. Sehen Bilder. Hören Nachrichten. Verfolgen Newsticker. Und zwischen all diesen furchtbaren Meldungen aus der Ukraine (und gleichzeitig aber auch wieder steigenden Corona-Zahlen) ist da natürlich auch die wachsende Sorge, was das für uns bedeutet. Alles wird immer teurer. Das Gas knapp. Plötzlich wird wieder über eine Rückkehr zur Kohleenergie diskutiert. Gleichzeitig ja aber auch ermahnt, dass wir eben immer noch mitten in einer Klimakrise stecken. Krise über Krise. Und all die Meldungen darüber konsumieren wir täglich.

Was ist Doomscrolling?

Und wie gesagt, ja, es ist wichtig, sich über das Weltgeschehen zu informieren. Geschieht das aber zu exzessiv (und mal ehrlich, manchmal bekomme ich den Eindruck, als würde mein Smartphone beim stundenlangen Scrollen gleich anfangen zu brennen), zermürbt es einen. Und das kann uns am Ende sogar zu Depressionen oder Angstzuständen führen. Das Ganze hat auch einen Namen: Doomscrolling. Dieses Phänomen beschreibt quasi den übermäßigen Konsum schlechter Nachrichten. Wenn man es einfach nicht schafft, sich von all den negativen Schlagzeilen loszueisen und sich von einem Artikel, Tweet oder Insta-Post zum nächsten scrollt. Und ich kann gerade nur für mich selbst sprechen: Aber gut sind solche Aktionen für mich und meine Psyche ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Ich fühle mich danach meist überfordert und ängstlich. Habe Panik und merke, wie ich alles plötzlich wie unter einer großen dunklen Regenwolke betrachte. Auch Dinge, die gar nichts mit diesen Meldungen zu tun haben. Und genau das ist das Problem. Sagt auch Fatmata Kamara, spezialisierte Pflegeberaterin für psychische Gesundheit bei Bupa UK. „Viele von uns informieren sich über die neuesten Nachrichten, noch bevor sie überhaupt aufstehen – so früh am Morgen in die Negativität einzutauchen, kann für den Rest des Tages einen Präzedenzfall schaffen“, so Kamara gegenüber Cosmopolitan UK. Und das kennen wir doch safe alle, oder? Wer sich morgens schon vier Hundewelpen-Videos anschaut, wird sicher nicht schlecht gelaunt in den Tag starten. Negative Meldungen sind hingegen ein Garant dafür. „Doomscrolling kann zu einem Teufelskreis für das eigene Wohlbefinden werden, besonders wenn man bereits an einer psychischen Erkrankung leidet.“ Und trotzdem stürzen wir uns wieder und wieder mitten rein.

Was macht der übermäßige Konsum negativer Nachrichten mit uns?

Und klar, es war eben auch noch nie so einfach, an Informationen zu kommen. Man muss nur einmal das Handy anmachen und zack, bekommt man schon die ersten niederschmetternden Push-Mitteilungen oder sieht schreckliche Fotos im Insta-Feed und direkt ist man im Sog der Negativ-Meldungen gefangen. Und kann nicht mehr damit aufhören. Dabei bedeutet das alles nur Stress für uns.

„Wenn ihr negative Nachrichten hört oder lest, behandelt euer Körper sie als Bedrohung und wechselt in den ‚Kampf-oder-Flucht‘-Modus“, so Kamara. „Das bedeutet, dass euer Körper mit dem Stresshormon Cortisol überschwemmt wird, das euch darauf vorbereitet, die wahrgenommene Bedrohung (die Nachrichten) zu bekämpfen, wodurch ihr eher Stimmungsschwankungen erlebt oder euch gereizt, gestresst oder depressiv fühlt.“ Studien haben bereits ergeben, dass schon zwei bis vier Minuten, in denen negative Nachrichten konsumiert werden, reichen, um einen messbaren Effekt auf die Gefühlswelt von Menschen zu haben (hier mehr Infos dazu). Und ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber auf vier Minuten komme ich locker!

„Im Laufe der Zeit kann ein erhöhter Cortisolspiegel auch eure körperliche Gesundheit schädigen und zu Problemen wie Spannungskopfschmerzen, einer schlechten Leistung des Immunsystems und körperlichen Entzündungen führen“, so die Expertin weiter.

Da stellt sich natürlich die Frage, warum wir trotzdem damit weitermachen? Warum konsumieren wir negative Meldungen im Übermaß, obwohl wir eigentlich doch genau wissen, dass es uns nicht guttut? Die Antworten hierbei können variieren. Aber einen Beitrag dazu trägt sicherlich auch der sogenannte „Negativity Bias“ bei, auch Negativitätsverzerrung. Wir Menschen springen auf Negativität mehr an. Denkt nur an 100 Leute, die euch alle Komplimente machen würden, und eine Person, die euch kritisiert. Was wird wohl hängenbleiben? Jep, der negative Kommentar. Und das kann man auch auf schlechte Nachrichten übertragen. Sie haben einfach einen stärken Einfluss auf uns. „Unser Gehirn verarbeitet die negativen Wörter schneller, besser und intensiver, und das sorgt eben dafür, dass wir sie auch besser behalten“, so Neurowissenschaftlerin Maren Urner gegenüber DW. Logisch, dass uns dann solche Nachrichten auf Insta und Co. auch eher entgegenspringen. Vor allem auch, weil wir mit ihnen indirekt das Gefühl bekommen, gegen unsere innere Ungewissheit anzukämpfen. Wir wollen gewappnet sein für das, was da auf uns zukommt. Wollen verstehen, was da gerade alles auf der Welt passiert. „Wenn wir mit so viel Unsicherheit konfrontiert sind, werden wir uns zu allem hingezogen fühlen, was uns hilft, ein gewisses Verständnis dafür zu erlangen, was passiert“, so Dr. Elena Touroni, beratende Psychologin, im Interview mit Cosmo. „Das Ziel ist es, etwas zu beherrschen, das sich beängstigend und unvorhersehbar anfühlt, aber die Strategie selbst kann unsere Angst verstärken.“ Jepppp, weil uns die vielen negativen Meldungen eben in ihrer Masse einfach erschlagen… anstatt uns nur upzudaten.

Wie sollten wir damit umgehen?

Was also sollten wir dagegen tun? Ihr könnt es euch sicher schon denken, oder? Unseren Konsum von solch schlechten Meldungen überdenken und knallhart reduzieren! Und jaaa, das klingt jetzt natürlich erstmal leichter gesagt, als getan. Vor allem, weil wir alle ja eh ständig am Handy hängen. Und bei mir ist dann natürlich auch noch das „Problem“, dass ich durch meinen Beruf gezwungenermaßen sehr viel mit solchen Schlagzeilen in Berührung komme. Und trotzdem kann man ja an seinem Verhalten arbeiten. Zum Beispiel, indem man seine Push-Nachrichten einfach mal für eine Zeit, in der es einem zu viel wird, abstellt. Es gibt ja so Seiten, von denen man gefühlt alle fünf Sekunden beballert wird. Dasselbe gilt natürlich für Instagram-Accounts, die es euch eventuell schwerer machen, einfach mal abzuschalten. Dann entflogt diesen Seiten. Ihr könnt es ja später immer wieder rückgängig machen. Auch eine gute Idee: Ihr setzt euch ein zeitliches Limit für solche Nachrichten. Und danach ist dann Schluss! Um das umzusetzen, hilft natürlich vor allem der richtige, am besten nicht-technische, Ausgleich. Ein Treffen mit den Liebsten zum Beispiel. Oder ein langer Spaziergang in der Natur. Eben alles, das euch daran erinnert, dass es da draußen auch noch ganz viel Positives gibt, an dem wir uns festhalten sollten. ❤️

Ach, und für alle, die ein schlechtes Gewissen bekommen, weil sie sich negativen Dingen mal kurz entziehen, passt dieser Tweet wirklich sehr gut:

Ganz genau. Ihr seid deswegen kein schlechter Mensch. Ihr schützt nur für einen Moment das Wichtigste: euch selbst!

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