Ich habe auf meine Traumreise verzichtet, weil sie für die Umwelt eine Katastrophe ist

„Wir müssen endlich etwas tun“. Für die Umwelt, unsere Zukunft – letztendlich für uns selbst. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und selbst GESAGT. Nur um immer wieder doch nichts zu ändern… aus Faulheit, Bequemlichkeit. „Dieses Jahr wird alles anders“. Jedes Jahr aufs Neue. Nur dieses Mal wirklich! Also wirklich jetzt! Ich will mich nicht mehr mit leeren Worten schmücken. Ich will mich herausfordern. Was ganz bestimmt unbequem wird. Ein Jahr, viele Möglichkeiten. 12 Monate, 12 Challenges an mich selbst. Mit der alles entscheidenden Frage: Wie umweltbewusst kann ich wirklich leben? Wie viele Taten können auf Worte folgen? Ich finde es heraus. Für mich, für euch. Jeden Monat mit einer neuen #MyEcoChallenge. Weil ich’s (versuchen) kann!

Wenn der Sommerurlaub ansteht, bekommen die müden Augen neuen Glanz. Endlich raus aus dem Alltag, raus aus dem Trott. Nicht nur mich holt bei 40 Stunden Arbeitszeit irgendwann die Routine ein. Und wie lässt es sich daraus wohl besser ausbrechen, als mit den Füßen im Sand und der Nase im salzigen Wind…?

Geplant ist die Reise schon lange. Auf Listen, in Kalkulationen, mithilfe kleiner To-Dos. Ein innig gehegter Traum soll schließlich umgesetzt werden, für den ich spare und zurücklege, Monate schon. Nach Los Angeles soll es gehen! Weil meine beste Freundin dort lebt und vielleicht auch ein bisschen, weil ihr Haus direkt an der Küste von Santa Barbara steht. 😉 Palmen, entspannte Menschen, ein sonniges Gemüt, was will man mehr?

Kleiner Spoiler-Alert: Ich war nicht in Los Angeles. Gar nicht in den USA, um genau zu sein. Warum nicht? Wo sich doch alles so pictureperfect-leicht herbeiträumen lässt? Weil Reisen für mich einen anderen Wert bekommen soll.

Zurück zur Wertschätzung jedes einzelnen Urlaubs, jedes noch so kleinen Trips. Unabhängig von der Entfernung. Nicht nur für mich (obwohl der Privilegien-Check absolut nicht schaden kann), sondern auch für den Planeten, auf dem ich wirklich gerne noch ein Weilchen leben will. 🌎

Verdammt! Ich glaub‘ ich hab Flugscham

Gewissensbisse plagen mich bereits lange vor dem August. Sie versetzen mir einen Stich, jedes Mal, wenn ich online nach Flügen suche. Sie überschatten meine Vorfreude, als ich den zweiwöchigen Urlaub einreiche. Sie sorgen dafür, dass ich vertröste und aufschiebe, versäume und zweifle. „Ist doch eigentlich viel zu teuer… und viel zu stressig sowieso“. Ist es, ganz klar. Doch der wahre Grund für meine innerlichen Ausreden ist ein anderer: Wenn ich wirklich etwas verändern möchte, wenn ich mich wirklich für die Umwelt einsetzen will – dann muss ich weniger fliegen. So weh die Wahrheit tut, so einfach ist sie doch formuliert.

Denn Flugzeuge setzen beim Verbrennen von Kerosin jede Menge Co2 frei. Insgesamt etwa eine Milliarde Tonnen – jährlich. Unser Ökosystem ist darauf ausgelegt, Kohlendioxid-Emissonen wieder in Sauerstoff umwandeln zu können. Doch durch unseren exzessiven Verbrauch gerät das Verhältnis in ein Ungleichgewicht.

Auf dem Boden der Tatsachen zu landen tut weh

Klar, Flugreisen sind dabei längst nicht der alleinige (oder schlimmste) Übeltäter. Auch die Industrie spielt eine Rolle, unser Strom, der Konsum, die tagtägliche Mobilität. Flüge haben allerdings, auf jeden Einzelnen bezogen, mit den größten negativen Einfluss. Der durchschnittliche Verbrauchswert an Co2 sollte im Jahr pro Person die 2.300-Kilogramm-Marke nicht überschreiten. Nur so können wir dem Klimawandel überhaupt noch ernsthaft etwas entgegensetzen. Allein durch meine Reise nach Los Angeles würde ich dieses Kontingent bereits um das dreifache überschreiten. 6.000 kg Co2 verbrauchen Hin- und Rückflug insgesamt. Und diese Zahlen machen sich bemerkbar.

Während wir im Sand weiter Cocktails schlürfen, gehen Meteorologen des Max-Planck-Instituts davon aus, dass als Folge des ansteigenden Flugverkehrs jährlich 6.000 Quadratkilometer Meereis in der Arktis schmelzen (mehr dazu hier). Und das wiederum lässt unsere Durchschnittstemperatur ansteigen. Langsam – aber gefährlich stetig. Es ist also nicht ein einziger Flug einer einzigen Person – es ist die Gesamtsumme, die sich daraus ergibt. So lange also niemand verzichten will und Alternativen weiterhin teurer bleiben… so lange ändert sich auch nichts. Und das ist fatal.

Wer etwas ändern möchte, muss seinen persönlich Luxus überdenken

Wir müssen uns womöglich also ein wenig in Verzicht üben. Und das in einer Gesellschaft, zu einer Zeit, in der Weltreisen quasi zum privilegierten After-Abi-Life gehören. Wovon auch ich schon profitiert habe.

Natürlich bin ich deshalb noch längst nicht alleine schuld. Natürlich wäre es einfacher, auch weiterhin die Fehler bei anderen zu suchen. Was ist schließlich mit denjenigen, die in Privat-Jets fliegen – oder wöchentlich zu Geschäftsterminen?! Aber bringt ein solches Denken unserer Welt überhaupt irgendwas? Wohl kaum.

» Natürlich geht es immer schlimmer. Und doch kann ich nur eines tun: Bei mir selbst anfangen. «

Ich kann also nur immer wieder eines tun: Bei mir selbst anfangen. Und das tue ich – mein Entschluss steht fest. Los Angeles wird vorerst  auch weiterhin (m)eine Traumreise sein. Was bleibt ist die leere Lücke im Terminkalender, die unerfüllten To-Dos auf all den hoffnungsvollen Listen. Eine erste Sinnkrise des kosmopolitischen Millennials: Ich will auch weiterhin die Welt sehen… doch ich weiß nicht mehr wie.

Geht nachhaltiges Reisen überhaupt?

Perfekt und ohne Abstriche funktioniert es jedenfalls nicht. Ich bin keine Greta Thunberg. Im Gegensatz zu ihr, scheitere ich bereits nach wenigen schlaflosen Nächten an der grandiosen Idee einer klimaneutralen Reise. Konsequenterweise würde das für mich nämlich bedeuten, gar nicht erst in den Urlaub zu gehen. Doch Zuhausebleiben ist (wo wir gerade bei Ehrlichkeit wären) keine Option. Ich will raus, ich will abschalten, fremde Sonnenstrahlen spüren. Nur WIE? Ohne mich und meine Ansprüche direkt selbst zu verraten?

Die Entscheidung fällt auf einen Mittelweg – den bestmöglichen Kompromiss. Einen, den ich für mich noch vertreten kann. Einer, der funktioniert. Sehr gut sogar. Kein Städtetrip kurz mal übers Wochenende oder ein Inlandsflug zur Familie – so viel steht fest. Dafür aber ein Roadtrip nach Italien – wir wollen immer noch ans Meer. Irgendwie. 

Aus „irgendwie“ wird ein Zelt im Gepäck und ein gemeinsamer Entschluss: Wir leihen das Auto meiner Mutter in Süddeutschland aus und fahren, so lange, bis es die erste gute Zuganbindung gibt. Damit wir auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können, sobald es geht. Nach kurzer Recherche lautet unser neues Traumziel: Genua.

Denn ja, jede Autofahrt, auch mit lediglich zwei Insassen darin, spart für die gleiche Strecke von 600 Kilometern im Vergleich zum Flugzeug (130 kg) bereits 78,5 kg an CO2 pro Person. Mit dem Zug wären es sogar 105 kg, die eingespart werden (den passenden Rechner dazu findet ihr hier). Es ist ein lediglich Kompromiss. Ich versuche mein Bestes zu geben, mit jeder Entscheidung… und dieser Wille hört nicht am Rand meiner Komfortzone wieder auf. Und trotzdem brauche ich diesen Urlaub. So dringend, so sehr. So selbstverständlich – weil ich ihn eben gewohnt bin, seit jeher.

Das soll keine Ausrede sein – vielmehr eine mögliche Erklärung. Mit der ich arbeiten kann. Von der ich abrücken werden. Schritt für Schritt. Und während ich da so sitze, auf das blaue Meer der Riviera schauend, da brauche ich plötzlich nicht „mehr“. Da wäre auch die Ostsee genug – oder der Garten meiner Mutter. Weil es letztendlich doch ums Kopfausschalten geht, ums Loslassen. Und nicht um irgendwelche Touri-Bilder vor überfüllten Sightseeing-Spots.

Good News: Dem Strand von Santa Barbara trauere ich keine Sekunde lang hinterher. Auch nicht all den angepriesenen (insta-worthy) Smoothie-Bowls. Viel besser noch: Ich denke überhaupt nicht daran, etwas verpassen zu können, während ich durch die Gassen italienischer Kleinstädte wandle. Vielleicht, weil ich den Vergleich ganz einfach nicht ziehen kann. Und vielleicht ist das auch erstmal besser so. Stattdessen sehe ich klaffende Steilküsten, türkisblaues Wasser und bunte Märkte zwischen engen Häuserreihen. Ich rieche Pinien, beiße in saftige Tomaten und höre zirpende Grillen. Während ich mit Vino in der Hand den nächsten Krimi verschlinge. Verdammt ja, ich beginne zu entspannen.

Ein Aspekt von „Urlaub“, den ich über die Jahre hinweg fast schon verlernt habe. Bei all den vielen Jagden auf spannende Attraktionen… Hier dagegen komme ich runter. Auf einmal nehme ich mir all die nötige Zeit, die ich für mich und die Umgebung brauche. Weil wir das Auto bewusst nur für die Hin- und Rückfahrt nutzen.

» Ich gebe mein Bestes. Und dieser Wille hört nicht einfach am Rand meiner Komfortzone auf. «

Vor Ort fahren wir Zug. Das ist machbar, weil wir bewusst ein Ziel gewählt haben, dass über einen gut angebundenen Bahnhof verfügt. Und so tuckern wir gemütlich von Ort zu Ort. Seltsam entschleunigt und doch so furchtbar rational durchdacht – der Umwelt zuliebe. (Oder vielleicht doch auch uns selbst?!)

Mein Freund dankt es mir. Er hätte, wenn ich ehrlich bin, deutlich mehr hinter dem Steuer sitzen müssen als ich. Und unsere Stimmung dankt es uns ebenfalls. Wenn nämlich mal kein Zug fährt? Dann laufen wir eben. Oder wir warten. Alles wird ruhig, gedämpft, treibt vorbei, in der Schwere der Mittagshitze. Während ich unterm Sonnenschirm meinen Espresso schlürfe. Keine Lust auf großes „hätte, würde, könnte“. Aus Verzicht wurde Last – und plötzlich doch eine Chance. Fühlt sich so am Ende die wahrhaftige „Dolce Vita“ an, von der immer alle reden?! Damit könnte ich mich anfreunden. So dauerhaft, meine ich. 😏

Wer loslässt, gibt sich die Möglichkeit anzukommen

Ob ich in Zukunft deshalb jetzt nie wieder fliegen werde? Ich weiß es nicht. Vermutlich schon. Doch diese Challenge trifft trotzdem einen Nerv in mir. Es soll sich lohnen, nicht nur für den Insta-Feed. Ich muss es vertreten können, nicht nur vor mir selbst. Und meine Einstellung muss sich ändern, im gesamtglobalen Kontext.

Nicht die kleine Familie, die einmal im Jahr mit dem nach Spanien fliegt, darf also leidtragend sein. Nicht sie sollte am Ende mit hohen Flugsteuern bestraft werden – um sich gar keine Reise mehr leisten zu können. Umweltschutz darf keine Klassenfrage werden. Weshalb die logische Konsequenz vor allem folgende ist: Unser aller Wertesystem muss sich ändern. Nachhaltig ändern.

Flugreisen dürfen nicht günstiger als Zugfahrten bleiben. Geschäftstreffen sollten, wenn möglich, auch über Skype funktionieren (wofür sind wir denn so furchtbar gut vernetzt?!). Alternativen müssen attraktiver werden: Nachtfahrten, Busreisen, längere Urlaubszeiten. Das Infragestellen der idealen Reise darf nicht von der eigenen Haustür enden.

Flüge müssen zur Ausnahme werden – anstatt die Regel zu sein

Klar bleibt Los Angeles auch weiterhin ein Traum. Ebenso wie Japan, Brasilien oder Island. Für mich persönlich jedenfalls. Vielleicht habe ich für deren Umsetzung aber auch einfach noch ein wenig Zeit. Nicht höher, schneller, weiter… sondern bedachter, informierter, leichter. Keine Ahnung, ob man den Drang danach, die Welt zu sehen, einfach so abschalten kann. Wir wurden immerhin so sozialisiert. Bis vor Kurzem galt das Reisen noch als stolzester Wert meiner eigenen, kleinen gefilterten Tellerrand-Welt.

Genau das ist aber auch der Grund, weshalb sich so dringend etwas ändern muss. Wir haben die Wertschätzung einer solchen Reise irgendwo auf dem Weg dorthin aus den Augen verloren. Rein ins Flugzeug, raus aus dem Flugzeug, hin zur nächsten globalisierten Kultur. Aber wie kommen wir aus diesem Teufelskreis wieder heraus? Indem wir Flüge, wenn wir sie schon tätigen, wenigstens mithilfe von Ausgleichszahlungen kompensieren. Indem wir näheren Reisezielen eine gleichwertige Chance geben. Oder indem wir uns Regeln setzen. Zum Beispiel, dass jede Flugstunde mindestens eine Woche am jeweiligen Ort bedeuten muss. Klar werden weite Reisen dadurch seltener. Aber eben auch intensiver. Denn Reisen sollte Kultur bedeuten, Anregung und Austausch. Und nicht gestresstes Sightseeing-Hopping.

» Nicht immer höher, schneller, weiter... ich will bedachter, informierter, leichter. «

Ich versuchs mal mit dieser Einstellung. Auch über meine Challenge hinaus. One Urlaub at a time. Und von Los Angeles? Davon lasse ich mir eben noch ein Weilchen lang mit leuchtenden Augen erzählen. Denn gefehlt hat mir der Trip am Ende nicht. Ganz und gar nicht. Und eine Traumreise? Kann wirklich jeder Zielort sein! Ernsthaft jetzt… 🤗

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