Frauen, vernetzt euch! Das Kollektiv „_innen“ aus Hamburg macht es vor

So ziemlich jede Frau wünscht sich #girlpower, wahrhaftige Gespräche und echte Begegnungen. Drei Aspekte, warum das Kollektiv „_innen“ im Mai 2016 ins Leben gerufen wurde. Gegründet von 20 Frauen aus der Hamburger Kreativ-Szene, kommen alle Themen auf den (Stamm-)Tisch, die bewegen. Worum es im Kollektiv geht, wer die Vorbilder sind und wie es in Zukunft weitergehen soll, erfahrt ihr im Interview (weiter unten) mit „vier _innen“, die schon von Anfang an dabei sind.?

Ann-Charlott Karsten im Interview mit dem Frauenkollektiv „_innen“

1. Warum sehnen sich so viele Frauen nach einem Kollektiv?

Pola: In Zeiten, in denen alle medial bei Facebook und Instagram vernetzt sind und man Teil der Like-Kultur ist, kommt schnell der Wunsch nach echten Begegnungen und einem echten Austausch auf. In einem Kollektiv hängt man zusammen rum, aber macht auch Dinge miteinander. Deshalb haben Kollektive gerade so einen Zulauf. Man möchte sich gemeinsam an den Tisch setzen.

2. Kann man denn offline mehr bewegen als online?

Nina: Wir sind Ende 20 und beruflich, karrieremäßig an einem Punkt, an dem wir uns fragen: Wohin soll die Reise gehen und mit wem? Wir sehnen uns nach Stärke und danach, Gleichgesinnte zu finden. Das passiert nicht ausschließlich in einer Facebook-Gruppe.

Pola: Wenn man von einer gewissen Reichweite ausgehen möchte, ist es einfacher, sich online zu organisieren und zu connecten. Aber man kann sich auch offline im Kleinen multiplizieren.

Nina: Aber wie hilft dir irgendeine Reichweite in deinem persönlichen Hier und Jetzt?

Pola: Das ist ja das Interessante. Man muss sich erst einmal im Kleinen und live bestärken, um miteinander nach außen gehen zu können. So kann man eine große, globale Reichweite erreichen.

3. Was können Kollektive im besten Fall bewirken?

Pola: Online gibt es zum Beispiel Sammelseiten und Kollektive, die die Macht haben, ein Thema oder eine Aktion laut zu machen und etwas ins Rollen zu bringen.

Nina: Dabei dienen einzelne Personen als Vorbilder. Sie helfen dir vielleicht nicht im Alltag, aber man kann sagen, dass man es toll findet, wie sie agieren und was sie leisten – und das, obwohl man weiß, man wird diese Personen nie kennenlernen oder mit ihnen in Austausch treten.

Pola: Wenn es um eine starke Einzelperson geht, ist es oft hart an der Grenze, dass es zu einer Selbstdarstellung wird. Wenn Beyoncé sich beispielweise für einen „Girlpower-Feminismus“ feiert, denke ich sofort: Sie ist zu einer Marke geworden. Was ist da wirklich Empowerment? Ich finde es extrem, wenn es sich so an einer Persönlichkeit festmacht. Nina, du nennst es Idol, aber es geht schnell in die Selbstvermarktungsschiene.

4. Aber wie können wir es besser machen und andere mitziehen?

Pola: Thekla und ich machen „Kleiderei“ zusammen – wir sind zwar kein Kollektiv, aber zu zweit. Das ist ein Unterschied. Natürlich kann man, wenn man etwas alleine macht, das ganze Geld und die Lorbeeren einheimsen, aber wie einsam und traurig muss es sein, wenn du diese Erfolge nicht mit jemandem teilen kannst. Zu zweit hast du die gemeinsame Verantwortung und kannst dir den Rücken freihalten. Und bei Kollektiven gibt es selbst in Krisenmomenten immer einen, der nach vorne geht und die anderen mit hochzieht.

Nina: Viele Augen und Herzen sehen mehr. Man muss bewusst wahrnehmen. In einem Kollektiv hast du viele Personen um dich herum, die dich inspirieren und deinen Horizont erweitern. Es hilft so sehr, über viele Dinge zu sprechen und sich andere Meinungen einzuholen.

Pola: Uns ist es wichtig, dass es eine Vielschichtigkeit von der Sichtweise auf ein Frauenkollektiv gibt. Deshalb haben wir zu der Ausstellung unserer Auftaktveranstaltung verschiedenen Fotografen den Auftrag gegeben, ihre Interpretation der Fragestellung „Wie siehst du ein Frauenkollektiv“ auszustellen.

5. Frauenkollektive werden oft mit dem Wort Feminismus gleichgestellt – Hat sich eure Sicht auf Feminismus in den letzten Jahren oder mit "_innen" verändert?

Nina: Die Diskussion kam natürlich direkt auf: Wir, Frauen, Ende 20 sind eine Generation nach Alice Schwarzer. Wir sind uns alle einig, dass wir feministisch sind, jede einzelne von uns auf eine individuelle oder subjektive Art und Weise. Wir haben keinen Begriff oder eine Definition, die das umschreibt. Wir haben keine Dogmen aufgestellt, wie man bei „_innen“ auszusehen hat, ob man Lippenstift tragen muss oder den neuesten ACNE-Fummel anziehen muss. Es ist total egal!

Pola: Jeder muss sich selbst die Fragen stellen: Was heißt Feminismus für mich, was heißt diese Gruppe für mich und was ziehe ich bei den Gesprächen für mich heraus? Wie will ich gestalten? Wie will ich nicht gestalten? Will ich zuschauen? Was kann ich tun?

6. Und wie seht ihr "_innen"? Was nehmt ihr aus den Treffen mit?

Pola: Die meisten von uns sind selbstständig und kommen aus verschiedenen Jobbereichen – und das Krasse ist, es geht bei unseren Gesprächen immer noch um Uraltthemen, die man für oll gehalten hätte. Für mich war das von Anfang an heilsam und interessant, wie es bei den anderen aussieht: Gibt es in den Jobs Sexismus, wie gehen die Frauen mit den Frauen um? Dinge, die du eigentlich nicht so richtig mitbekommst, aber bei „_innen“ wird nachgefragt.

Thekla: Wir sind ein Kollektiv, das sich aus den unterschiedlichsten Frauen zusammensetzt. Jede von uns will, dass alle nach den Treffen besser gelaunt und gestärkt nach Hause gehen. Ein Kollektiv gibt Mut, man traut sich mehr. Probleme, die man vielleicht um 18 Uhr hatte, hat man um 19 Uhr nicht mehr, weil die anderen dir sagen: „Ne, du stellst dich gar nicht an, oder heute war einfach ein dummer Tag“. Es ist total wichtig, dass man sich gegenseitig stärkt – so sehe ich unser Kollektiv.

Nina: Gefühle sind halt nicht nur Emojis. Damit können wir zwar wunderbar kommunizieren oder erahnen, wie es anderen geht. Aber im Großen und Ganzen fehlen die Worte und der Ausdruck – auch, wenn es mal eine echte Träne ist. Dadurch wird es doch erst real und analog.

7. Habt ihr konkrete Wünsche oder Erwartungen für die Zukunft?

Pola: Ich würde gerne politischer werden. Ich finde es gut, dass es erst so persönlich und von Emotionalitäten geprägt war und wir uns kennengelernt haben. Aber ich finde auch, dass man dieses Kollektiv noch mehr nutzen kann, um Statements zu setzen und aktiv zu werden.

Thekla: Ich würde es schön finden, wenn man das Kollektiv „_innen“ auch in anderen Städten stattfinden lässt. Es muss nicht Hamburg-based sein. Zwar wären dann noch weniger Leute vom festen Kern dabei, aber man kann mal einen Termin in Köln oder Berlin festlegen. Und die Hamburger, die Lust und Zeit haben, fahren hin. Ich bin zwar auch für eine politische Richtung, aber Nina hat schon Recht – aus dem Kollektiv kann keine politische Aktivistengruppe entstehen, weil gar nicht alle einer Meinung sind. Man muss erst einmal ausloten, wie unsere Reichweite ist. Und wer weiß, vielleicht spalten sich ja auch irgendwann weitere kleinere Gruppen ab.

Pola: Man sollte einen Nährboden schaffen, aus dem Dinge wachsen können. Und ganz wichtig: Man darf die Männer nicht vergessen! Das wünschen wir uns wirklich alle, dass wir die Veranstaltungen nicht nur von Frauen für Frauen machen. Ja, wir machen nicht nur Girls-Stuff. Wir sehen Gleichberechtigung auf jeden Fall als Gleichberechtigung und wollen alle Geschlechter mit einbeziehen.

8. Ich wurde anfangs häufig gefragt, wie es ist, wenn so viele starke Frauen und Persönlichkeiten aufeinandertreffen. Hattet ihr Respekt davor?

Nina: „_innen“ als Plattform für einen Diskurs ist wahnsinnig spannend. Wir führen tatsächlich öfter mal hitzige Diskussionen. Aber es wird zugehört, man kann sich äußern und selbst, wenn man nicht einer Meinung ist, respektiert man sich gegenseitig. Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass man sich verabschiedet, ohne Tschüß zu sagen oder dass im Nachhinein schlecht über jemanden auf der Toilette gesprochen wird. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es so bleibt – weil wir oft Girlstalk führen, lapidare Geschichten miteinander teilen, zusammen feiern gehen, trinken und dann wiederum sehr smarte Unterhaltungen führen können, wenn es darauf ankommt. Immerhin haben wir unsere Veranstaltung innerhalb von sechs Wochen auf die Beine gestellt. Das wäre alleine nie möglich gewesen.

Thekla: Und alleine hätte man auch niemals Zeit gehabt, so gute Gespräche an dem Abend zu führen. Es war Teil der Aufgabe, mit den Gästen über die Fotos zu sprechen und ich habe von jeder Unterhaltung etwas gelernt. Ob Mann, ob Frau, ob gleichaltrig oder wesentlich älter – das ist unglaublich und man hat sonst auf Veranstaltungen oft gar nicht die Zeit, alles unter einen Hut zu bringen. Wenn man so viele tolle Frauen um sich hat, gewinnt man neue Leute, tolle Eindrücke, gute Gespräche – das ist ein Geschenk!

9. Zum Abschluss: Wie würdet ihr "_innen" in drei Worten beschreiben?

Thekla: Gemeinschaft, Respekt, Wein

Pola: Empowerment, Lange Gespräche, Verantwortung

Nina: Intelligenz, gemeinschaftliches Loslassen. Und du?

Ann-Charlott: Rückenstärkend, Gute-Laune-Garantie, zeitgeistig.

Ein Interview von Ann-Charlott Karsten

Credits: Ann-Charlott Karsten, Foto: Marie Hochhaus

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