Ich bin für gewöhnlich niemand, der ungefragt mit schlauen Ratschlägen daherkommt, aber: Fragt mich eine schwangere Freundin, ob ich zur Einleitung raten kann oder, wenn es der Zustand von Mutter und Baby zulassen, lieber warten würde mit der Geburt, sage ich ganz klar: Warten! In meinem Freundeskreis habe ich das Glück, sehr viele Frauen zu haben, die sehr offen sprechen und alle, die mir von einer Geburt mit Einleitung durch Cytotec berichten, haben erschreckenderweise fast das Gleiche erlebt, wie ich. Das kann doch kein Zufall sein?! Es scheint, also würden verdächtig viele Geburten – hat man einmal eingegriffen – den gleichen Teufelskreis nehmen.
Das wird knapp
Zurück in den Kreißsaal: Die PDA schaffte Erleichterung und ich sammelte kurz Kraft und dann ging es in den Endspurt, denn unser Baby war unter Stress, wie die Herztöne zeigten. Ich sollte pressen so fest ich konnte. Die Hebamme sagte, wenn es jetzt nicht klappt, bekomme ich einen Notkaiserschnitt. WAAASSS? Ok, alle Kraft voraus. Aber es reichte nicht ganz und es kam auch noch eine Saugglocke zum Einsatz. Als Malo endlich da war, freute ich mich so unfassbar, dass mir fast entging, dass der Arzt plötzlich Nadel und Faden auspackte. Auch das noch …
Versteht mich bitte nicht falsch, starke Schmerzen, ein Fast-Notkaiserschnitt, eine PDA, schwache Herztöne, eine Saugglocke und genäht werden müssen, ist alles nichts im Vergleich zu echten Geburtsschäden oder gar dem Versterben von Mutter oder Kind. Deshalb bin ich unendlich dankbar für den ganzen Weg zu meinem Malo. Aber mein Gefühl und die Stimmen anderer Mütter sagen mir, dass es ohne Cytotec besser gelaufen wäre. Erst heute weiß ich: Hoch dosiert kann Cytotec auch zur Abtreibung eingesetzt werden. Obwohl das Medikament für die Geburtsmedizin nie zugelassen wurde, verwendet – einer bisher unveröffentlichten Umfrage der Universität Lübeck zufolge – die Hälfte der deutschen Kliniken Cytotec zur Einleitung der Geburt. Diese Anwendung ist im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit zulässig. Im sogenannten „Off-Label-Use“, wie der BR berichtet.
Auch Behörden anderer Länder warnen explizit vor dem Einsatz von Cytotec in der Geburtshilfe, wie Recherchen des BR ergaben. Die französische Gesundheitsbehörde ANSM veröffentlichte mehrere Warnbriefe. In einem heißt es, das positive Risiko-Nutzen-Verhältnis von Cytotec zur Geburtseinleitung sei nicht bewiesen. Auch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA warnt Frauen seit Jahren vor schwerwiegenden Komplikationen wie einem Gebärmutterriss oder dem Todesrisiko von Müttern und Babys.
Wie viele andere Betroffene verfolge ich das Gerichtsverfahren sehr interessiert und bin einmal mehr dankbar, dass bei uns alles am Ende doch gut ausging. In meinem Freundeskreis gibt es aktuell drei Schwangere, die in wenigen Wochen ihre Babys zur Welt bringen werden. Hoffentlich ohne Cytotec.