„Bist du schwanger… oder fett“? – Hatice Schmidt im Interview über Bodyshaming auf Social Media

Als ich vor einer Weil ein YouTube-Video mit dem Titel „SCHWANGER… oder Fett“ zugeschickt bekommen habe, waren mir 3 Dinge sofort klar: 1) Ich brauche einen ruhigen Abend und eine Flasche Wein, um mir Hatice Schmidts Make-up Tutorial und Monolog über Bodyshaming, Social Media Hate und Selbstakzeptanz anzuhören. 2) Ich muss Hatice unbedingt mit etwas Abstand interviewen, in der Hoffnung zu erfahren, dass ihre straken Worte eine dauerhafte Veränderung bewirkt haben und 3). Wir haben echt noch ne‘ menge Arbeit vor uns als Gesellschaft! So haben wir einer Menge toxischer Dinge gelernt und die gilt es, laut Hatice dringend zu überdenken und verlernen.

Doch für all diejenigen unter euch, die Hatice bis jetzt noch nicht wirklich auf dem Schirm hatten, vorab aber noch ein paar einschneidende Facts: Die Beauty-Creatorin Hatice Schmidt ist nicht nur eine unsere favorit It-Girls, sondern schwingt seit 9 Jahren fleißig die Make-up Pinsel in unzähligen Tutorials auf Youtube (700 K Follower:innen)! Als geborene Deutschtürkin ist sie im Berliner Problemviertel Neukölln aufgewachsen, was sie in ihrem Spiegel-Besteller-Buch „Das Leben ist kein Zufall – mein Weg zu mir“ (hier) niedergeschrieben hat. So sieht’s aus Leute: Dieses Girl hat einiges an Erfahrungen gemacht und scheut sich nicht, die Dinge klar zu benennen! Also spitzt gut die Lauscher, das Thema Social Media Umgang und Shaming betrifft uns alle!

Ist es hilfreich? Ist es freundlich? Ist es wahr?

Diese Worte von Hatice sind mir sofort hängen geblieben, als ich ihr mega Statement Youtube-Video das erste von vielen Malen geschaut habe. „Es wäre allen geholfen, bevor wir etwas sagen oder schreiben, uns zu fragen: Ist es hilfreich? Ist es freundlich? Ist es wahr?“ True words! Eine Eselsbrücke, die ich seitdem auch öfters für mich angewendet habe, immer mit dem Ergebnis zügig in eine ehrliche Zero-Fuck Attitude mit mir und meinem Umfeld mich zu shanten – ohmm, probiert’s mal, wenn euch das nächste mal etwas triggert?! Stellt euch diese 3 Fragen, bevor ihr reagiert! 😜

Ja, Hatice spricht aus Erfahrung, in ihrem Video berichtet sie, dass kein Tag vergeht, an dem sie nicht übergriffige, bis hin zu beleidigende Kommentare auf Social Media kassiert. Aber auch solche, die vermeidlich nett formuliert sind, doch zeitgleich übergrifflch und anmaßend. Der Grund für das Online-Shaming: Nun ja, als Persönlichkeit des Öffentlichen Lebens gehört es schon (leider) fast dazu, als Sandsack für die eigene Unzufriedenheit Anderer missbraucht zu werden. Und als Hatice 10 Kilos zugenommen hat, ist das nächste Level von Absurdität und Hate erreicht worden: „Schwanger oder fett“ ist nur eins von zahlreichen Bodyshaming-Kommentaren und hat den Grundstein gelegt, mal eben neben einem coolen Make-up Tutorial einen sehr realen Talk hinzulegen!

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TC: Hat sich seit deinem Body-Positivity-Statement oder wollen wir es eher „Menschenverstand-Statement“ nennen, etwas in deinen Kommentaren geändert?

Hatice: Tatsächlich es ist weniger geworden! In den 2 Monaten nach dem Video haben Kommentare wie „Boar, was ist denn bei dir passiert? Richtiges Mondgesicht, ohne jede Kontur“ oder „Man erkennt dich gar nicht mehr wieder“ und eben auch andere, die deutlich beleidigender sind (🙄), nachgelassen! Ich glaube das Video hat wirklich sensibilisiert!

Das heißt ja, es gibt Hoffnung, doch mal ganz generelly: Wie denkst du über Social Media?

Fern ab von mir, denn mir geht es gut, ich habe gelernt mit Social Media umzugehen, trotzdem: Social Media ist kein Kindergarten, vor allem nicht für junge Menschen und Leute, denen die mental nicht ausgeglichen und stabil sind! Zu Viele merken gar nicht, dass sie nicht am right place sind! Realtalk: Wie viele Menschen können wirklich ganz ehrlich „mir geht es nicht gut“ aussprechen? Viele sind sich bewusst darüber, dass Instagram in diesen Momenten nicht förderlich ist. Es heißt zwar Social, das ist es aber überhaupt nicht!!!

Mal salopp gefragt, wieso wollen Leute dir (oder andern) vor die Tür kacken?

Zum einen ist es die Anonymität des Internets hinter der man sich verstecken kann. Den Hauptanteil trägt allerdings krasse Unzufriednen der Leute mit sich selbst oder ihrem Leben. Am Ende haben diese Kommentare nie etwas mit mir zu tun. Wie traurig, dass diese Menschen sich so fühlen, so dass sie es bei mir abladen. Was sie triggert, stört sie selbst an sich. Wenn wir verstehen, dass es immer was mit uns selbst zu tun hat, hätten wir dies Probleme nicht. Klartext: Wem es gut geht, der hat nicht die Zeit und Lust sich mit Hass-Kommentaren oder unnötigen Bemerkungen zu beschäftigen.

Das ist wahr und eine wertvolle Erkenntnis, wenn die angekommen ist! Aber whyyyy kommen ausgerechnet zahlreiche beleidigende Kommentare von Frauen? 

Ich denken, dass wir Frauen seit Generationen drauf getrimmt wurden zu funktionieren: Du sollst besondern sein, aber nicht zu besondern… das macht etwas mit uns. Wir sollen arbeiten gehen, aber nicht so viel, dass wir die Kinder vernachlässigen. Frauen sollen erfolgreich sein, Karriere machen, aber nicht zu erfolgreich, sonst kränken wir denn Mann. Wir sollen uns zurecht machen, aber nicht zu heiß, sonst sind wir Schlampen… . Wir wurden dazu programmiert jedes Verhalten, jede Optik zuerfassen und bewerten. Leider labern zu Viele noch diesen Bullshit nach.

Wir Frauen insbesondere stehen unter großem Druck Schönheitsidealen und Verhaltensmustern zu entsprechen! Wie hast du dich durch Social Media  verändert? 

Ich bin ein hypersensibeler und introvertier Mensch, klar macht Social Media was mit einem. So ist es mit allem: Seit ich auf Social Media aktiv bin hat sich meine Persönlichkeit verändert. Durch Instagram bin ich achtsamer geworden. Das freche Mädchen hat sich auch zu einer Businessfrau gewandelt, die sich aber nicht mehr traut die private Hatice zu sein, was man eigentlich ist. Zu oft führt die eigene Persönlichkeit zu so viel Kritik, dass es schwierig ist 100% authentisch zu sein. Das ist nicht unbedingt schlecht, es ist ein wertvoller Selbstschutz. Auf Social Media zeig ich eben meine öffentliche Persönlichkeit und in wirklich engen kreis, bin ich deutlich verrückter und lustiger.

Ganz ehrlich: Gibt es ein Wort, dass du offline häufig benutzt, aber niemals in die Kamera sagen würdest?

Uhhhh, hahaha – da gibt es Einige, die vermutlich heute auch zum Cannceln führen würden. Ich komme aus einer socialschwachen Kindheit und Umfeld. Das Sprechen ist dort wesentlich makabrerer, als man es in anderen Communities kennt. Also viele Fäkal-Wörter, viele Beleidigungen. Das ist so wie ich in meinem Buch gesagt habe: „Ich ficke deine Mutter ist sowas wie: Jooo, Digga was geht.“ Ich bin so groß geworden, deswegen empfinde ich nicht alles als Beleidigung. Aber ich weiß mich elovent auszudrücken, und dass ich diese Wörter nur bei Family and Friends benutze.

Hahha, ja Wörter können unterschiedlich aufgenommen werden! Genau deswegen ist es eben so wichtig, dass wir uns über die Situation in der sie benutzt werden bewusst sein! Was war die heftigste Beleidung die du online kassiert hast?

Hach, es gibt so viel Content im Internet. Jeder kann alles rausballern, oftmals unüberlegt. Als ich mein erstes Youtube-Video hochgeladen hatte, kam das Kommentar „du hässliche Fotze,“. An das Gefühl kann ich mich heute noch gut erinnern. Ich musste wirklich erst lernen damit umzugehen!

Haste du schon einmal Strafanzeige wegen Cyber-Mobbing erstattet?

Vor ein paar Jahren bekam ich einen sehr langen und übergriffigen Kommentar. Das habe ich der Polizei gemeldet, aber dort ist das im Sand verlaufen. Es ist eindeutig, dass unsere Sicherheit im Internet im Nirgendwo versickert!

Du sagst, Zivil-Courage sei ein wertvoller Begriff für dich? Warum und wie lebst du das aus? 

Wir hangeln uns in der Gesellschaft von Hashtag zu Hashtag und denken, damit haben wir unsren Beitrag geleistet. Das sehe ich überhaupt nicht so! Nobody cares what’s on your t-shirt – ich scheiß auf diese Hashtags. Die Veränderung muss bei uns selbst entstehen und deswegen müssen wir wirklich quer beet reden und uns austauschen! Neulich war ich mit einer Freundin unterwegs und sie wollte mit eine Frau zeigen, die scheinbar stark operiert war und sich auffällig angezogen hat. Von allein ist sie mir nicht einmal aufgefallen – das habe ich mich selbst antrainiert im Kopf. Ich möchte einen anderen Menschen nicht als Objekt anschauen und mir eine Meinung über sie bilden. Wir müssen das Erlernte (Verhalten und Denkmuster) verlernen. Also, habe ich demonstrative nicht zu der Frau geschaut!

YouTube, Instagram und FB sind ab einem Mindestalter von 13 Jahren zugänglich. Victoria Beckham hat kürzlich ihre Sorge geteilt, dass ihre 11-jährige Tochter Bodyshaming auf Social-Media erfahren wird. Findest du das Alter (13) bei all dem Zugang zu Hate passend? 

Ich bin selbst 9-fache Tante, ich finde 13 ist zu jung für Social Media. Meine Schwester z. B. hat zwei Töchter die jetzt auf TikTok diese typischen Dance Choreographien nachmachen. Sie findet es schrecklich zu sehn, wie die Kids diese fast schon sexuellen Tanzbewegungen machen, die Erwachsene sonst von sich geben – du weißt was ich meine…! Ich habe ihr geraten zusammen mit den Kids diese Tiktoks zu machen, so kann sie kontrollieren, aber auch erklären! Die Kinder können so ein Gefühl für Social Media bekommen. Aber ehrlich: Es ist super schwierig als Elternteil die goldene Mitte zu finden.

Hmmm… .Was war denn der schlimmster Make-Up-Trend auf TikTok dieses Jahr?

Mein TikTok-Algorithmus zeigt mir hauptsächlich nur Dinge die ich mag: Steuer-, Anwalts- und Business Dinge, Tierschutz Content und natürlich Make-ups die mir gut gefallen. Allerdings habe ich von dieser „Blackout Challenge“ gehört, bei der man sich selbst die Luft abwürgt, bis zur Ohnmacht. Gerade neulich sind 2 Mädchen an diesem TikTok-Trend gestorben. Furchtbar!!! Da wird wir aber wieder bei der Gefahr von Social Media deutlich.

Heute wirkst du total bei dir und zufrieden. Dass das nicht immer so war, darüber hast du auch ein Buch geschrieben. Wie hast du zu dir selbst gefunden?

Ich habe einfach nur verstanden, dass es bei mir selbst anfängt: Ich habe einen Wunsch, ich habe einen Traum und ich habe ein Ziel. Und mein Weg ist mein Ziel! Mit Glück, mit Trauer und Zweifeln –  Ich durchlebe jede einzelne Emotion für mich. Und jeden Fehler: Jeden Tritt den ich kassiere, jede Absage nehme ich als Möglichkeit daraus zu lernen!

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Liebe Hatice, ich danke dir für diese Worte! Das war wirklich sehr aufschlussreich und menschlich nahbar. Als Fazit kann ich nur betonen: Fokus auf sich selbst und Social Media bewusst und wohltuend konsumieren! Dann ist doch eigentlich alles gut. Und für all diejenigen unter euch, die nicht genug von Hatice bekommen können: Schaut unbedingt ihr Youtube-Video „SCHWANGER… oder einfach Fett“!

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