Macht Hollywood uns süchtig nach toxischen Beziehungen? Maybe.

Wenn meine Freundinnen über ihren „Typ Mann“ sprechen, kommen da meist so Dinge wie: groß, blond/brünette, erfolgreich – aber bloß nicht schnöselig, etc. etc. etc. … Mir kommt da bei genauerer Betrachtung vor allem eines in den Sinn: dramatisch. Jap, guilty. Und damit dürfte dann auch klar sein, dass mir aaaaab und zu schon mal toxische Männer über den Weg gelaufen sind. Eine Freundin und ich sagen mittlerweile schon scherzhaft: „Alles im Leben hat seinen Grund. Und auch der Abgrund ist ein Grund“ (Poetisch, I know). Und well, ich habe mich schon das ein oder andere Mal auf dem Abgrund der Dating-Realität befunden. Das klingt nun alles sehr negativ – zum Glück habe ich auch tolle Erfahrungen mit Männern machen dürfen –  aber da ist irgendwie ein roter Faden erkennbar. Wer fühlt’s?

Die Frage, die sich hier natürlich schnell stellt, ist: Woran zum Teufel liegt es, dass mein Gehirn manchmal jegliche Red Flags übersieht, quasi wegradiert oder im schlimmsten Falle sogar romantisiert?!?! Klar, viele Dinge liegen in der Vergangenheit – Stichwort: Daddy Issues & Co. – oder einem zu niedrigen Selbstwert. Doch kann das alles sein? Nicht unbedingt. Bei meiner Recherche bin ich auf einen interessanten Cosmopolitan-Artikel gestoßen, der mir schon ein wenig die Augen geöffnet hat: Anscheinend bin ich a) süchtig nach Drama und kann b) gar nicht so viel dafür, denn durch Hollywood & Co. wurde mir schon im jungen Alter eingetrichtert: Zu Liebesbeziehungen gehört Schmerz, bevor es ein „Happy End“ (bewusst in Anführungszeichen) gibt.

Im Klartext: Wenn man mit Beziehungsvorbildern wie Carrie und Big, aka toxic AF, aufgewachsen ist, ist das halt auch einfach kein Wunder. Da kann es schon mal passieren, dass Intensität, die in toxischen Beziehungen nunmal herrscht, mit Intimität verwechselt wird. Dr. Sarah Davies, Psychologin und Autorin von „Never Again: Moving On from Narcissistic Abuse and Other Toxic Relationships.“ erläutert im Artikel: „Intensität und Intimität sind in der Tat sehr unterschiedlich. Intensität ist unmittelbar und die durchdringende Chemie, die damit einhergeht, kann Menschen dazu bringen, sich in einer aufregenden Fantasie zu verlieren.“ 

Diese ach so aufregenden Fantasien enden jedoch oft in Schmerz – kann ich so unterschreiben. In Filmen, Serien oder auch bei RL-Promis nimmt das Ganze dank Geld, utopischen Geschenken, übertriebenen Drehbüchern oder auch öffentlichen Rosenkriegen natürlich noch mal ein anderen Maß an. Und wenn man das halt so vorgelebt bekommt und vielleicht besonders im prägenden Teenager-Alter idealisiert, ist es wirklich keine Überraschung, wenn sich toxische Muster dann halt auch im eigenen Liebesleben abspielen. 

In der Bibel steht geschrieben …

Dieses Konzept von Love is Pain (dt. Liebe ist Schmerz) ist jedoch auch nicht Hollywood-made, sondern hat seinen Ursprung weit zurück in der Vergangenheit: im zweiten Testament der Bibel. Dass Jesus sein Leben am Kreuz für die Menschen opferte, sei vielleicht das erste Bild für Love is Pain, bringt Dr. Davies hervor. Zumindest ist es ein sehr prägendes. „Die Idee ‚Liebe ist Schmerz‘ ist sehr alt“, fügt sie hinzu. „Es hat frühe Wurzeln in religiösen Konzepten und Bildern. Jesus hat sich selbst geopfert und Schmerzen ertragen, wegen seiner Liebe zu seinem Volk„. Amen? Und da in unserer westlichen Welt nun mal viele Werte und Konzepte auf dem Christentum basieren, macht es Sinn, dass wir auch das übernommen haben. Caroline Strawson, Therapeutin und Life Coach bringt es auf den Punkt: „Uns wurde gesagt, dass Liebe schmerzhaft sein soll. Dass man Schmerzen haben muss, damit es wahre Liebe ist, dass man das eine nicht ohne das andere haben kann.“. 

„Love is Pain“ – ein Hollywood-Kassenschlager

Tja, und an diesem Konzept von „Love is Pain“ bedient sich Hollywood selbstverständlich im großen Stil. Und ganz ehrlich: Würden wir noch Filme oder Serien gucken, wenn die Beziehungen alle gradlinig verlaufen würden? Vermutlich nicht – wäre ja langweilig. Das Genre von Romantischen Filmen würde zumindest schon mal komplett wegfallen, da der komplette Handlungsstrang fehlen würde. 

Aber auch bei anderen Filmen oder Serien würde etwas fehlen. Ein konkretes Beispiel: „Euphoria“. Die Show zeigt verschiedenste Themen oder Probleme der Gesellschaft ungeschönt auf. Das Love Triangle um Nate, Maddy und Cassie lebt nur so von toxischen Mustern. Wem ist das Herz bei Cassies fast schon aggressiver vierstündigen Morgenroutine ebenfalls zerbrochen? Natürlich konnte sie Nate damit nicht beeindrucken und redete sich trotzdem ein „Never, ever been happier“ zu sein. Oder die Szene mit Maddy, Nate und der Waffe?? Vor dem Fernseher sitzend würde hier jede:r erkennen, dass Nate Jacobs neben narzisstischen, auch psychopathische Züge hat und dass das alles andere als gesund ist.

Die Sucht nach dem Drama

Trotzdem einmal Real Talk und seid jetzt mal ganz ehrlich mit euch selbst: Wenn euch sowas im realen Leben passiert, würdet ihr die Muster direkt erkennen und euch selbstständig aus der Situation winden? Okay, nach der Situation mit der Waffe vielleicht schon – aber da haben wir natürlich auch ein übertriebenes Hollywood-Drehbuch am Start. Spannend ist auch, dass die Produktion einen unwiderstehlich hotten Jacob Elordi als Besetzung ausgewählt hat, so wirkt toxic Nate nun mal deutlich attraktiver als er eigentlich charakterlich ist – guilty. Und das ist der Punkt: In narzisstischen Missbrauch und toxische Beziehungen rutscht man schnell rein. Da wieder rauszukommen ist hingegen umso schwerer (habe da kürzlich was aus meiner first-hand-experience drüber geschrieben). Und dass Hollywood die Gefahr, in solch einer zerstörerischen Co-Existenz zu landen, durch die Bilder, die es gerne mal vermittelt, befeuert, ist schon besorgniserregend.

Vor allem, da das Risiko besteht, süchtig nach dieser Intensität des Dramas zu werden: „Die enormen Höhen und Tiefen, die mit einer toxischen Beziehung einhergehen, beeinflussen tatsächlich unsere Gehirnchemie und können ein echtes Suchtmuster auslösen“, erklärt Dr. Davies. „Wir sehnen uns nach einem weiteren ‚Fix‘ des Highs, genau wie nach einer Droge.“ Wenn man, vielleicht auch durch Eltern, die einem solche Beziehungsweisen vorgelebt haben, mit einem toxischen Beziehungsbild lebt, ist es einfach schwierig, sich da rauszuretten. „Die meisten von uns stellen fest, dass wir die Beziehungsdynamik der frühen Kindheit in unserem Erwachsenenalter replizieren“, so Dr. Davies. „Wenn das sicher und gesund ist, dann großartig“, fügt sie hinzu. „Aber wenn wir in einem dysfunktionalen oder ungesunden Familiensystem aufgewachsen sind, suchen wir wahrscheinlich eher nach vertrauten toxischen Beziehungen.“

Vor allem, wenn da zwei „Süchtige“ aufeinandertreffen – Stichwort: Trauma Bonding. Dr. Davies erläutert: „Toxische ‚Traumabindungen‘ werden leider manchmal mit Begriffen wie ‚Seelenverwandte‘ oder ‚Zwillingsflammen‘ verwechselt. Das ist oft ein Faktor, der Menschen in toxischen Beziehungen festhält und dysfunktionale Muster wiederholen lässt.“ Also egal, wie doll man hier die gemeinsame Beziehung romantisiert: Ihr reißt euch selbst in den Abgrund (und nein, das ist natürlich kein Grund, es zu tun).

An diesem Punkt möchte ich auch noch mal appellieren: Es ist okay, sich professionelle Hilfe zu holen, um solche schmerzhaften Muster zu durchbrechen. Vor allem, wenn ihr diese seit der Kindheit kennt, ist es extrem schwer, das aus eigener Kraft zu schaffen. Ich bin ganz ehrlich – auch ich habe da noch einiges vor mir.

Sollten wir das toxische Hollywood canceln?

Zum Glück leben wir in einem 2022, in dem zwar bei weitem nicht alles perfekt ist, wir aber alte oder bestehende Werte, Strukturen, Muster, etc. hinterfragen. Die Cancel Culture ist präsenter als jemals zuvor und sollte sich vielleicht auch mal toxische Beziehungen in Hollywood vornehmen. Hier muss aber bedacht werden: Die Filmindustrie ist natürlich nicht alleine für solch krankhafte Muster verantwortlich. Da spielen Familienhistorien, Jesus (as we learned) und sicher auch patriarchische Werte eine ausschlaggebende Rolle. Trotzdem befeuert und festigt sie natürlich krankhafte Bilder. Man darf aber natürlich nicht vergessen: Nicht jede:r führt ungesunde Beziehungen!! Für viele Menschen sind toxische Hollywood-Dynamiken sicher bloß Entertainment und kein Triggerpunkt.

Die Fragen, die man sich natürlich stellen muss: Wollen wir uns aber überhaupt durch so etwas entertainen lassen? Ist nicht alleine das schon ungesund? Vielleicht sollte hier jeder für sich persönlich sein Konsumverhalten mal überdenken und bewusst mehr Filme und Serien schauen, in denen dramatische oder sogar toxische Beziehungen nicht den Haupthandlungsstrang bestimmen.

Für meinen Part kann ich sagen, dass das Vermeiden solcher Filmen und Serien, vor allem in der Jugend, sicherlich keine Muster abgewehrt hätten, die sich auf Grund dem gebildet haben, was mir so vorgelebt wurde. Trotzdem würde ich vielleicht nicht immer weiter versuchen, irgendeinen Typen zu „retten“ – ganz typisches Hollywood-Konzept. Denn wenn ich eines gelernt habe: Im echten Leben fällt nach dem Happy End kein Vorhang. Alles dreht sich weiter und so auch toxische Muster. Und deshalb sollte ich mich lieber selbst retten. 

Daher: Passt auf euch auf, werdet euch über eure Muster bewusst – macht euch aber selbst nicht fertig, sucht euch gegebenenfalls Hilfe, löscht vielleicht die ein oder andere Nummer und ja – schaut vielleicht den ein oder anderen Hollywood-Schinken weniger. Ich werd’s auch tun. 🤍

Credits: Giphy, PR

Das wird dich auch interessieren

brief-narzissmus-thumb

Ein Brief an alle, die unter Narzisst:innen und psychischem Missbrauch leiden

natzisst-anzeichen

Woran du erkennst, dass dein Boyfriend ein echter Narzisst ist

exfreund

Ein Brief an den Mann, mit dem ich zwei Jahre lang in einer toxischen Beziehung lebte

Selena Gomez redet über toxische Beziehungen – und wir können ihre Gedanken ja SO nachempfinden

Selena Gomez redet über toxische Beziehungen – und wir können ihre Gedanken ja SO nachempfinden

youkopie
by Très Click

8 Zeichen, dass deine Beziehung die reale Version von „YOU“ ist – und somit toxisch!

stuermische-romanze
by Très Click

Warum „stürmische Beziehungen“ à la Megan Fox & MGK zum Scheitern verurteilt sind, laut Expertin

X