„Ich betrüge meine Freundin – und trotzdem liebe ich sie“

„Und nächstes Mal reden wir mal über mich und darüber, wie es ist, wenn man seit vierzehn Jahren glücklich in einer Beziehung ist und seine Freundin seit fünf Jahren betrügt.“ Mit diesen Worten ließ mich mein Kumpel Mark* stehen und verabschiedete sich in die Umkleidekabine.

Mit Mark gehe ich seit zwei Jahren mal mehr, mal weniger regelmäßig bouldern und mit sehr viel mehr Regelmäßigkeit etwas trinken. Anfangs, als wir uns kennengelernt haben, war es immer noch so ein bisschen flirty zwischen uns, aber inzwischen sind wir einfach nur gute Freunde, die über alles reden können und so bin ich immer bestens darüber informiert, mit wem Mark gerade was am laufen hat. Von einer Freundin wusste ich bis dato nichts und so bin ich gerade auch einigermaßen schockiert von dieser Neuigkeit.

Klar, Fremdgehen ist immer irgendwie menschlich und ich will darüber auch gar nicht zu hart urteilen. Dass davon wirklich kaum einer gefeit ist, wird auf jedem Mädelsabend ziemlich schnell deutlich: Sobald die Erste die Karten auf den Tisch gepackt hat, sei es nun, dass sie trotz Beziehung mit einem Anderen heiße Nachrichten austauscht, heimlich ein Treffen mit einer flüchtigen Bekanntschaft aus dem Club plant oder aber tatsächlich (meistens im Vollsuff) mit jemandem abgestürzt ist; nach und nach kommen sämtliche Freunde und Freundinnen auch langsam und vorsichtig mit ihren Leichen aus dem Keller.

So romantisch der Gedanke von Monogamie auch ist – richtig halten tun sich daran die wenigsten. Bei den meisten, die von ihren Fremdgehen-Eskapaden erzählen, ist es allerdings so, dass das Fremdgehen irgendetwas bewirkt. Man stempelt das Ganze als einmaligen „Ausrutscher“ ab und gibt sich danach mehr Mühe mit seiner Beziehung, oder aber das Fremdgehen wird direkt zum Anlass dazu genommen, die jetzige Beziehung zu beenden. Denn wäre diese völlig stimmig und harmonisch, wäre man ja niemals fremdgegangen. Oder etwa doch?

Wie es dazu kam …

„Meine Freundin hatte nach neun Jahren einfach keine Lust mehr auf Sex“, verteidigt Mark seine Polygamie vor mir. „Da lief wirklich maximal nur noch einmal im Monat was. Wem soll das bitte reichen?“ Mark stellte seine Freundin deshalb vor die Wahl. Entweder Sex, oder er müsse sich woanders nach Sex umschauen. „Aber, wenn sie so gar nicht mit dir schlafen will, ist sie sich dann sicher, dass sie überhaupt wirklich noch mit dir zusammen sein will?“, frage ich ungläubig.

Für mich gehören Liebe und Sex zusammen. Was nicht heißen soll, dass zu Sex auch immer Liebe gehört. Ganz bestimmt nicht. Man kann die besten One Night Stands und unkomplizierte Affären ohne Liebe haben, aber Liebe ohne Sex; das wäre doch die reinste Verschwendung. Wenn ich jemanden wirklich liebe, dann will ich ihn auch anfassen, umarmen, küssen dürfen. Ihm so nah sein, dass kein Blatt mehr zwischen uns passt, mit ihm schlafen. Will ich das nicht mehr, ist meiner Meinung nach nicht nur der Sex, sondern auch noch etwas Anderes in einer Beziehung abhanden gekommen. 

Das sagt ein Paar- und Sexualtherapeut dazu …

Paar-/Sexualtherapeut und Buchautor (Paradies im Alltag: Paare gestalten das Glück ihrer Liebe“Diplompsychologe Michael Cöllen ist da ganz meiner Meinung.

Für ihn ist Sexualität mehr als nur stumpfe Lust und Triebbefriedigung: „Sexualität ist ein Teil der Herzensverbindung zwei sich Liebender. In einer Beziehung ist Sex mehr als nur Lusterfüllung. Innerhalb von Beziehungen bilden Intimität und Sexualität einen geschützten Raum. Sie geben uns ein Stück Heimat, ein Gefühl der Sicherheit. Heutzutage, in einer Ex-und-Hopp-Gesellschaft, in der Beziehungen, Menschen, Partner, einfach ausgetauscht werden, wie früher die Winterjacke, vergessen wir das manchmal. Sex wird, wie alles andere, auch „konsumiert“. Es wird sich am Partner bedient, man will, man hat Lust auf Sex, ohne großartig auf die Bedürfnisse des Partners einzugehen. Klappt es mit dem Partner im Bett nicht mehr, konsumiert man halt den Nächsten und zerstört so den heimeligen, geschützten Raum der Beziehung.“

» 'Ihr Frauen müsst euch endlich mal davon lösen, dass Liebe und Sex zusammen gehören', sagt Mark «

„Ihr Frauen müsst euch endlich mal davon lösen, dass Liebe und Sex zusammen gehören“, sagt Mark, „im Prinzip ist es doch kein Unterschied, ob ich mir einen runterhole oder halt mit einer Anderen schlafe, wenn ich für die eh keine Gefühle habe.“ Ich weiß nicht, für mich klingt es so, als würde er es sich damit etwas einfach machen. Vor allem, weil seine Freundin anscheinend nichts von alledem weiß. Denn wie Mark zugibt, haben die beiden seit seiner Ankündigung vor fünf Jahren nie wieder darüber geredet.

„Ich habe da ganz klare Regeln“, erklärt er mir, „zum Sex gehe ich zu den anderen Mädels hin, die kommen nicht zu uns nach Hause. Das wäre ihr gegenüber komisch.“ Was wiederum für mich komisch klingt. So ganz ethisch korrekt scheint Mark sein Verhalten dann ja wohl selbst nicht zu finden, sonst müsste er sich mit seinen Affären ja nicht verstecken. 

„Manche Sachen will man einfach nicht ganz genau wissen“, rechtfertigt sich mein Kumpel. Womit er vielleicht sogar Recht haben dürfte, denn wer betrügt, überschreitet laut Cöllen Grenzen und schädigt den Betrogenen in seinem Urvertrauen. Dies kann so weit gehen, dass betrogene Partner traumatisiert werden und noch Jahre später mit der Verletzung zu kämpfen haben.

» Menschen, die so etwas tun, sind oft wie Peter Pan, Menschen die in der Pubertät stehen geblieben sind. «
Michael Cöllen

Dennoch sollte Fremdgehen immer kommuniziert werden – genauso wie der Umstand, dass die eigene Freundin nach neun Jahren Beziehung plötzlich keine Lust mehr auf Sex hat, findet der Sexualtherapeut: „Wenn einer der Partner sich sexuell abwendet, ist das keine Launenhaftigkeit und kein böser Wille. Da passieren viele Dinge im Unterbewusstsein. Vielleicht war die Freundin unbefriedigt und enttäuscht vom Partner, oder sie findet bei ihm kein Gehör und fühlt sich unverstanden.“

Solche tiefgreifenden Beziehungsprobleme lassen sich aber nicht dadurch lösen, dass die Sexualität nach außen verlagert wird. Im Gegenteil; man beraubt sich so der Kommunikationsmöglichkeit, die Sex als Austausch mit dem Partner ist und zerstört laut Cöllen das „Energiefeld“ einer Beziehung. Ist man nicht bereit, sich mit dem Partner auszutauschen oder zu untersuchen, woher die Unlust des Partners rührt, wird so auch der Betrügende selbst zum Verlierer.

„Menschen, die so etwas tun, sind oft wie Peter Pan, Menschen die in der Pubertät stehengeblieben sind. Die folgen nur noch dem Lustprinzip, nicht dem Verantwortungsprinzip“, sagt Cöllen. Für ihn ist die Sache ganz klar: Mein Kumpel macht es sich entschieden zu einfach. Kann man also seine Freundin lieben und sie dennoch betrügen? Vielleicht. Gerade aber wenn man meint, jemanden wirklich zu lieben, sollte man immer alles versuchen, um eben nicht fremdzugehen. Auch wenn das ganz klar mit mehr Arbeit verbunden ist, als den Partner beim Sex durch einen anderen Darsteller zu ersetzen.

* Name von der Redaktion geändert

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