TrèsCLICK: Du wurdest gerade 29 Jahre alt und hattest noch nie Sex. Heutzutage ziemlich ungewöhnlich. Erzähl mal, warum das so ist – hat es sich einfach noch nicht ergeben oder war das eine „romantische“ Entscheidung?
Julian: Eine Mischung aus beidem. Ich habe mir als Teenager schon vorgenommen, mich später mal nicht durch Betten zu vögeln. Sex gehört für mich in eine Beziehung – damals wie heute. Ich bin andererseits trotzdem auch nicht der Typ, der sagt, dass man damit zwingend bis zur Ehe warten sollte. Bisher kam der richtige Zeitpunkt für mich einfach noch nicht.
Apropos kein Sex von der Ehe… Könntest du dir vorstellen, tatsächlich soweit zu gehen?
Hm, ich weiß es nicht. Wenn die richtige Frau kommt und sie das so will, meinetwegen, wieso nicht. Jetzt habe ich schon 29 Jahre gewartet, das macht ja dann auch keinen großen Unterschied mehr. 😄 Ich stelle mir das eigentlich ganz schön vor, diesen gemeinsamen Lernprozess. Man sagt ja auch, Sex wird automatisch mit der Zeit besser.
Warum ist es deiner Meinung nach heutzutage vielen so wichtig geworden, so früh mit Sexualität in Berührung zu kommen und das auch nach außen zu tragen?
Naja, die Dinge haben sich gewandelt. Meine Ur-Oma hat damals geheiratet, noch bevor sie ihre Tage bekommen hat. Mit 20 hat sie dann kurz nach ihrer ersten Periode auch schon das erste Kind bekommen. Das gibt es heute ja überhaupt nicht mehr. Die meisten Mädels bekommen ihre Tage jetzt schon gefühlt in der dritten Klasse. Die Leute werden einerseits also biologisch und hormonell immer frühreifer, andererseits ist Sex in unserer Gesellschaft einfach überpräsent, vor allem in den Medien.
Du hast mir im Voraus erzählt, dass du aus einem sehr christlichen Elternhaus stammst. Inwiefern spielt das bei deiner Enthaltsamkeit eine Rolle?
Es hat mich schon sehr beeinflusst. Nämlich insofern, dass ich ein sehr klares Bild von Beziehung und Familie habe. Eine Partnerschaft zwischen Mann und Frau ist etwas, in das man Arbeit und Commitment investiert – so habe ich das auch schon von meinen Großeltern beiderseits vorgelebt bekommen. Indem ich gute Werte vorgelebt bekam, hat sich bei mir manifestiert, dass Liebe eben nichts ist, das man wechselt wie Unterwäsche, sondern dass es eine gewisse Verbindlichkeit, Regeln und Absprachen gibt. Dass man sich gegenseitig vertrauen kann und es immer wieder schafft, sich wieder zusammenzuraufen. Klar, heutzutage kommen nicht mehr alle an einer Scheidung vorbei, das gibt’s vereinzelt auch in meiner Familie. Alles in allem erlebe ich aber seit jeher in meinem Familen-, Freundeskreis und in unserer Gemeinde fast nur Positivbeispiele für richtige Romantik.
Glaubst du, dass auch andere Vorkommnisse in deiner Kindheit dazu beigetragen haben? Vieles wird uns ja ganz unbewusst weitergegeben…
Ja, es gibt so eine Situation, die mir immer noch nachhängt. Meine Schwester zum Beispiel hat noch sehr lange bei meinen Eltern im Bett geschlafen. Ich nicht, aber ich hatte als kleiner Junge immer das totale Nähe-Bedürfnis und wollte mehr mit meiner Mama kuscheln. Wenn ich ihr das gesagt habe, hat sie das aber irgendwie abgewendet. Ich glaube, dadurch dass mir dieser Wunsch nach körperlicher Nähe so früh abgesprochen wurde, habe ich lange geglaubt, dass ich sie nicht verdiene – oder dass der generelle Wunsch, später mal mit Frauen intim zu sein, nur einseitig sein könnte.