„Ich überlege irgendwie, ob ich aus der Kirche austreten soll.“
„Warum, du glaubst doch?“
„Keine Ahnung, was mir die Kirche bringen soll. Das Geld kann ich mir auch sparen.“
So oder so ähnlich verlaufen immer mehr Gespräche im engeren und ferneren Freundeskreis. Während der Gang in den sonntäglichen Gottesdienst und die Bibel auf dem Nachttisch für die meisten unserer Großeltern Selbstverständlichkeit war, sieht das in unserer Generation anders aus. Ich selbst bin Katholikin, schrieb in diesem Artikel bereits über meine (sehr schöne) Beziehung zur Kirche – stellte aber auch heraus, dass heute in unserer Schneller-Weiter-Höher-Besser-Gesellschaft nicht mehr sehr Viele, besonders junge Leute, etwas mit einer Jahrhunderte alten Institution anfangen können. Und doch wollen unzählige von ihnen beispielsweise kirchlich heiraten oder Pate werden.
Was also tun mit dem Dilemma zwischen Austreten und Teil der Kirche bleiben? Ist es sinnvoll, Kirchensteuer zu bezahlen, wenn man seit 5 Jahren kein Gotteshaus mehr von innen gesehen hat? Was passiert mit diesen Geldern überhaupt? Was bleibt einem verwehrt, wenn man sich für einen Austritt entscheidet? Und, allem voran, ganz platt gesagt: Was bringt es jemandem überhaupt noch Teil dieser Institution zu sein?
Dieser Text soll euch weiterhelfen, falls ihr euch gerade mit diesen Fragen konfrontiert seht. Und vorab: In meinem persönlichen Leben darf das Gotteshaus nicht fehlen, dennoch bin ich hier nicht missionarisch unterwegs. Glaube ist individuell und unantastbar, aber manchmal befindet man sich eben in einer kleinen Krise. Im Rahmen der Recherche für den Artikel sprach ich mit einer Kirchenvertreterin, deren Antworten euch im besten Fall in eurer Entscheidung (wie auch immer sie ausfällt) bestärken können.
Die aktuellen Austrittszahlen der Kirche
Tatsächlich ist die Tendenz der Kirchenaustritte in Deutschland aktuell steigend, wie wir von Martin Innemann, Stv. Pressesprecher des Erzbistums Hamburg und des Erzbischöfliches Generalvikariat, erfahren.
Auswertungen zeigen, dass sich im im Vorjahr 2019 knapp 273.000 Katholiken dazu entschieden haben, der Institution Kirche den Rücken zu kehren. Allen voran in den Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen mit jeweils ca. 78.000 bzw. 68.000 Austritten – wobei es dort mit jeweils 6-7 Millionen Menschen auch die meisten Katholiken gibt. Das sind (und dies ist nur eine sehr grobe Zahl, die auch von Bundesland zu Bundesland stark variiert) ungefähr 15 % mehr als noch 2018.
Nur rund 5.300 haben sich 2019 zu einem Wiedereintritt nach vorigem Ausstieg entschieden. Insgesamt leben im Land also summa summarum 22,6 Millionen Katholiken – nur 9,1 % von ihnen besuchen jedoch im Durchschnitt Gottesdienste. 22,6 Millionen sind zwar immer noch knapp ein Viertel der deutschen Bevölkerung, die Statistiken über die Austritte sprechen ja aber doch für sich (mehr dazu hier). Wo führt das Ganze noch hin? Wird die Tendenz weiterhin sein: weg von der Kirche?