Ist es aktuell sinnvoll, Kleidung zu spenden? Hier kommt alles, was ihr dazu wissen müsst

Die besondere Zeit macht es möglich. Wobei „Zeit“ hier tatsächlich das entscheidende Stichwort ist. Wir sind vermehrt zuhause, haben weniger Verpflichtungen, suchen neue Hobbys oder einfach nur ein wenig Abwechslung… angesichts des unruhigen und belastenden Weltgeschehens. 😕 Das stürmische Jahr verlangt nach ein wenig Struktur und Ordnung.

Bei vielen von uns fängt genau die in den eigenen vier Wänden an. Etliche Menschen nutzten die vergangenen Monate, um ordentlich auszusortieren. Auch im eigene Kleiderschrank. Plötzlich wird der Frühjahrsputz bis in den Sommer hinein ausgedehnt. Warum auch nicht? Die Zeit ist schließlich da!

Also wird angeschaut und beiseite gelegt, anprobiert und aussortiert. Hinein in den nächsten Pappkarton und dann … ja, wohin denn dann eigentlich damit?! Viele der bekannten Anlaufstellen für Kleiderspenden haben aufgrund der Covid19-Einschränkungen geänderte Öffnungszeiten. Oder sogar ganz geschlossen. Andere, wie das „Deutsche Rote Kreuz“ oder „Aktion Hoffnung“ etwa, bitten gegenüber dem „rbb“ gezielt darum, Abgaben aktuell lieber einzuschränken. In Hamburg werden die 120 Container zeitweise sogar vollständig abgebaut.

Mit anderen Worten: Unser System kann dem Spendenansturm nicht gerecht werden. Das Format „Quer“ vom Bayrischen Rundfunk spricht sogar von einem vollständigen Zusammenbruch: „Container quellen über, Entsorger wissen nicht wohin mit den Textilien.“

Kommen die Spenden also überhaupt noch dort an, wo wir sie gerne sehen würden? Ist es gesundheitstechnisch eigentlich sicher, Kleidung aus dem eigenen Haushalt spenden zu wollen? Verhindern wir Müll – oder tragen wir am Ende sogar zur Entstehung von neuem bei? Gibt es vielleicht auch andere Möglichkeiten, die sich langfristig als nachhaltiger für alle Beteiligten dieses Systems erweisen könnten? Wir haben da mal genauer nachgeforscht …

Kleider spenden, ja – aber wie?

Frisch gewaschen = einwandfrei?

Die positive News schon mal vorweg: Über Keime oder Krankheitserreger müssen wir uns bei unserer Spende eher weniger Gedanken machen. Selbst für den Fall, dass wir das Coronavirus unwissentlich in unserem Körper tragen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, sie über unsere Kleidungsstücke zu übertragen. Frisch gewaschen und sauber gelagert gelten sie kaum als riskant, da die Übertragung hauptsächlich durch Tröpfchen- und nicht durch Schmierinfektionen passiert. Außerdem können die Erreger auf Textilien nur eine kurze Zeit lang überleben. Problematischer ist dagegen eher, dass viele ehrenamtliche Mitarbeiter*innen ausfallen, da sie oftmals zur Risikogruppe gehören und daher vorrangig geschützt werden müssen, wie ein Sprecher der „Caritas Hamburg“ erklärt. Dennoch gibt es inzwischen wieder viele geöffnete Stellen, auch von der Caritas selbst, die unsere ausrangierte Kleidung annehmen können. 

Denkt so lokal wie möglich

Aber (und jetzt kommt der entscheidende Hinweis): Am meisten profitieren aktuell Vereine mit kurzen Transportwegen davon. Spendet also vorrangig an Organisationen, die vor Ort Kleidung verteilen oder zu günstigen Preisen weiterverkaufen. Wie wäre es zum Beispiel mit „Oxfam“-Shops (auf der Website wird um überschaubare Mengen gebeten!), Frauenhäusern oder Sozialkaufhäusern in eurer unmittelbaren Nähe? Solltet ihr euch unsicher sein, ob Sachspenden benötigt werden (und vor allem: WAS für Sachspenden benötigt werden), klärt diese Fragen vorher unbedingt telefonisch ab. 

& denkt vor allem zweimal nach

Oftmals ist „gut gemeint“ nämlich nicht gut gemacht. Bahnhofsmissionen werden nichts mit High Heels und weißen Blusen anfangen können. Zerlöcherte Shirts will sowieso gar niemand tragen müssen. Geht immer von euch selber aus: Würde ich diesem Kleidungsstück noch ein zweites Leben ermöglichen? Geht mit Respekt und Voraussicht an die Spende heran. Nur weil ihr etwas zu geben habt, heißt das noch lange nicht, dass jemand es auch nehmen will. Noch immer sind laut Angaben der Caritas 60 – 70 % aller Spenden nicht zur Weitergabe geeignet und müssen aussortiert werden. Wandelt zerlöcherte Shirts stattdessen doch lieber in Putzlappen um. Oder fragt objektive Personen vorab, ob sich dieses Kleidungsstück tatsächlich noch spenden lässt.

Wir haben für euch nachgehakt …

Große Träger wie „Hanseatic Help“ gaben im Gespräch mit uns an, noch immer nur gesonderte Öffnungszeiten anbieten zu können. Was einerseits der angepassten Organisation geschuldet ist, andererseits aber auch der Menge an Annahmen, die immer noch verteilt werden müssen. Ihr seht: Oft spenden wir gar nicht unbedingt für andere – sondern vor allem für uns selbst. Endlich ist der Kleiderschrank leer – und das Gewissen bereinigt. Die meisten Organisationen bitten daher auch weiterhin darum, mit der Abgabe etwas Geduld zu haben oder nur kleine Mengen zu spenden. Stellt eure überfüllten Säcke stattdessen aber bitte nicht neben sowieso bereits überfüllte Altkleider-Container. Wartet ab, fragt nach, sucht gezielt.

Spendet verantwortungsvoll

Spende ist nicht gleich Spende. Und auch wenn es löblich ist, die aussortierte Kleidung nicht wegwerfen zu wollen, führt dieser Kreislauf doch oft zu neuen globalen Problemen. In vielen afrikanischen Ländern bricht beispielsweise die eigene Textilwirtschaft zusammen, weil (zu) günstige Spenden den Markt überfluten. Nutzt diese Spende also nicht nur zum Leeren eures Kleiderschranks – macht euch wirklich Gedanken dazu. Die Zeit dafür haben wir ja nun entsprechend ebenfalls. Lest euch die jeweiligen Trägerseiten durch, baut persönlichen Kontakt auf oder spendet erstmal nur im kleinen Rahmen an Privatpersonen. Wir müssen wegkommen von dem Gedanken, unseren „Abfall“ anderswo abzuladen – damit für uns kein Problem daraus entsteht.

Und shoppt noch viel verantwortungsvoller

Speaking of that: Noch viel dringender müssen wir von dem Gedanken wegkommen, diese Produkte überhaupt als Abfall anzusehen. Wir kaufen zu viel … und sortieren entsprechend auch viel zu häufig wieder aus. Kein Mensch braucht die Anzahl an Kleidungsstücken, die sich hinter Türen oder ganzen Räumen in unseren Wohnungen verstecken. Denkt also am besten schon beim Einkauf über den Kreislauf der Produkte nach. Wie wurde dieses Kleid produziert? Werden faire Arbeitslöhne an alle Beteiligten der Herstellungskette gezahlt? Kann ich dieses Kleid vielleicht auch Second Hand erwerben – um vom Aussortierten anderer zu profitieren? Können wir so vielleicht viel ernsthafter (und ohne Ausbeutung) einen fairen Kreislauf vorantreiben?

Vielleicht ist diese ‚zusätzliche‘ Zeit entsprechend gar nicht mal so schlecht. Es ist nicht schlecht, sich mehr Gedanken machen zu müssen. Es ist nicht schlecht, bisherige Routinen zu hinterfragen. Stellt euch dem Mehraufwand. Und bitte, wertschätzt auch die Kleidung, die seine*n Besitzer*in wechseln soll.

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