80 Kilo Lebensmittel schmeißt jeder von uns jährlich weg. Wie ich versuche, nicht mehr „jeder“ zu sein!

„Wir müssen endlich etwas tun“. Für die Umwelt, unsere Zukunft – letztendlich für uns selbst. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und selbst GESAGT. Nur um immer wieder doch nichts zu ändern… aus Faulheit, Bequemlichkeit. „Dieses Jahr wird alles anders“. Jedes Jahr aufs Neue. Nur dieses Mal wirklich! Also wirklich jetzt! Ich will mich nicht mehr mit leeren Worten schmücken. Ich will mich herausfordern. Was ganz bestimmt unbequem wird. Ein Jahr, viele Möglichkeiten. 12 Monate, 12 Challenges an mich selbst. Mit der alles entscheidenden Frage: Wie umweltbewusst kann ich wirklich leben? Wie viele Taten können auf Worte folgen? Ich finde es heraus. Für mich, für euch. Jeden Monat mit einer neuen #MyEcoChallenge. Weil ich’s (versuchen) kann!

Auf meinem Schreibtisch liegt ein in Papier verpacktes Brot. Ja, ein Brot. Vielleicht auch ein Baguette, so ganz sicher bin ich mir nicht. Warum da überhaupt eine Tüte liegt, deren Inhalt ich nicht mal genau kenne? Ganz einfach: Weil es mir eigentlich gar nicht gehört, ich es so aber vor dem sicheren Weg in den Mülleimer retten kann. Denn ganz egal, ob Brot oder Baguette oder Brötchen. Ob belegt, trocken oder hart geworden – darin befindet sich ein Nahrungsmittel, das aufgegessen werden sollte. Und nicht weggeworfen.

Allein in Deutschland landen genau auf diesem Weg jährlich ca. 80 Kilo im Müll – pro Kopf! Das ist ein ganzes Drittel aller Lebensmittel, die einfach so verschwendet werden. Über 6 Millionen Tonnen insgesamt. Jahr für Jahr für Jahr. Und die Rede ist hier gerade nur von Lebensmitteln aus privaten Haushalten.

Hinzu kommt die Verschwendung verwertbarer Nahrung durch Supermärkte, Restaurants, Bäckereien, Landwirte… Überall, auf jedem Schritt der Produktionskette, landet Essbares, Genießbares im Müll. Weil es zu krumm ist, zu unförmig, zu trocken, weil die Verpackung kaputt ist, eingedrückt – oder auch einfach weil Samstagabend ist. Insgesamt wären wir damit bei 18 Millionen Tonnen im Jahr.

Dabei könnten mindestens 10 Millionen davon ohne weiteres vermieden werden. Weil es sich dabei um Lebensmittel handelt, die längst noch nicht schimmeln oder schlecht geworden wären. Sekündlich sind das 313 Kilogramm, die ungerechtfertigterweise im Müll landen. Dreihundertdreizehn. Allein hier in Deutschland. Das hat eine umfangreiche Studie des WWF jetzt eindrücklich offengelegt.

Und soviel steht fest: Das! Geht! Gar nicht! Nicht wenn man bedenkt, wie viele Menschen auf der Welt hungern müssen (es sind über eine Milliarde!). Und auch nicht, wenn man bedenkt, für welche Massen an Co2 unsere Nahrungs(über)produktion verantwortlich ist. Und wie sehr diese Emissionen der Umwelt schaden.

Das will ich nicht mehr, davon möchte ich kein Teil mehr sein. Also muss sich etwas ändern. Natürlich auch auf politischer Ebene, denn nur dort kann die Rettung von Lebensmitteln entkriminalisiert – und stattdessen zur Priorität gemacht werden (mehr dazu hier). Aber bis dahin? Fange ich am besten bei mir selber an. Indem ich versuche, noch konsequenter zu sein, bewusster zu leben. Denn „loswerden“ will Lebensmittel schließlich keiner. Und trotzdem passiert es. Überall, sekündlich…

Bedeutet also: Ich muss raus aus meiner Komfortzone, mich besser informieren, Möglichkeiten kennenlernen und nutzen. Damit ich andere vielleicht ein wenig damit inspirieren kann. Eine große Aufgabe, die da im Mai so vor mir liegt.

Lebensmittel retten? Kann so vieles bedeuten

Und dieses Brot, dieser kleine Teil des großen Ganzen? Wurde meiner Kollegin bei ihrer Lunch-Bestellung mitgeliefert. Sie ist pappsatt, anschließend aber auch für mehrere Tage nicht mehr zuhause. Was also tun?… Wie durch eine geheime Absprache landet es deshalb auf meinem Tisch. Sie und ich, wir verstehen uns. Wollen beide nicht, dass schon wieder gutes Essen in der Tonne landet. Also biete ich ihr eine Alternative, einen Ausweg – und das nur zu gerne. Nicht erst seit diesem Monat. „Ich bring’s meinem Mitbewohner mit, falls ich es selbst nicht schaffe!“. Mein Standardsatz. Er, die treue Seele, eignet sich einfach perfekt als Restevernichter. Auch wenn er das vermutlich gar nicht weiß. Und Fine und ich? Wir fühlen uns besser, haben uns selbst zu helfen gewusst. Und das ist hoffentlich erst der Anfang…

Macht man sich allerdings erst einmal bewusst, wo überall angesetzt werden kann, ertappt man sich schnell dabei, ein wenig überfordert zu sein. Denn es sind längst nicht nur das trockene Brot oder der abgelaufene Joghurt aus dem Kühlschrank, der weggeschmissen wird (obwohl beides immer noch einen zweiten Geruchs- und Geschmackstest verdient!).

» Vor allem ist es die Menge und Masse der einzelnen Komponenten zusammen. «

Es sind die letzten Löffel eines Gerichts beim Abendessen, es ist das eingedrückte Gemüse im Supermarkt, es ist die zu große Portion im Restaurant und der letzte Gemüserest, der in kein Rezept mehr passen will. Es ist das abgelaufene Haltbarkeitsdatum, das uns stutzig macht, das matschige Obst, das wir lieber nicht mitnehmen und die eingebeulte Milchverpackung, um die herum gegriffen wird. Und vor allem ist es die Menge und Masse all dieser einzelnen Komponenten zusammen.

Aber kleiner Spoiler gegen die ohnmächtig machende Wucht vorweg: Die Bandbreite der Möglichkeiten ist mindestens ebenso groß, die guten Ideen dahinter sind noch viel größer… und umsetzen kann davon tatsächlich jeder von uns etwas. Oder auch etwas mehr. Promised.

Es geht dabei vor allem um die gewisse Einsicht, welchen Einfluss wir als Konsumenten haben können. Denn jede Kaufentscheidung ist ein eigenes kleines Statement. Es geht aber auch darum, den Spaß nicht zu verlieren und gnädig mit sich selbst zu sein. Denn Veränderungen brauchen Zeit, tückische Fallstricke müssen erst mal erkannt und Alternativen ausgecheckt werden. Aber hey, dafür bin ich ja jetzt da… 😉

Denn dass etwas geändert werden muss, steht fest…

Die kleinen und großen Lehren des Alltags

Dass ein geschultes Auge seine Zeit braucht, erlebe ich in diesem Monat mehr als einmal am eigenen Leib. Wie oft marschiere ich zum Beispiel hungrig in den Supermarkt?! Und mit hungrig meine ich HANGRY. Und mit Marschieren meine ich DRÄNGELN. Denn es soll natürlich schnell gehen, schließlich muss ich ja noch kochen und die letzte Mahlzeit ist bereits eine gefühlte Ewigkeit her. Es folgt also, was folgen muss… der Einkaufskorb wird voller und voller, meine Augen größer und größer.

Ich kaufe zu viel. Viel zu viel. Das schnell gezauberte Abendessen ist da auch nur ein kurzfristiger Trost. Denn zum ersten Mal in diesem Monat sehe ich mich vor der immer wiederkehrenden Problematik: Was stelle ich mit den ganzen Resten an, die da Woche für Woche übrig bleiben? Einfach nur, weil ich über meinen Hunger hinaus eingekauft habe?

» In welcher Zeit schaffe ich es, die angebrochenen Lebensmittel zu verbrauchen? An einem Tag, in einer Woche oder (wenn ich ehrlich bin) nie?! «

Direkt für den nächsten Tag mitzukochen ist eine erste, naheliegende Konsequenz. Das funktioniert, reicht aber auf Dauer nicht aus. Die halbe Paprika schrumpelt trotzdem noch im Kühlschrank vor sich hin. Was gegen solche Fallstricke hilft? Ist ein bewussteres Einkaufen. Und zwar schon vor der „Hangry“-Phase. Ich schreibe mir inzwischen deshalb ganz bewusst auf, wie lange ich tatsächlich brauche, um Milch, Joghurt, ein Kopfsalat, Pilze, Humus, Brot… aufzubrauchen. Zwei Tage, eine Woche, vielleicht schaffe ich es sogar (wenn ich ehrlich bin) einfach gar nicht? Das erleichtert den Alltag und gibt Struktur, auf die ich zurückgreifen kann. Und Sicherheit. Was bedeutet? Mein Einkaufsverhalten verbessert sich. Check!

Und falls dann doch noch Reste entstehen? Versuche ich einfach, kreativer zu kochen. „Einfach“ haha. Einfach ist in dem Zusammenhang doch eher relativ und wohl besser mit „try and error“ gleichzusetzen. Denn während manche Restegerichte so bombastisch werden, dass ich mich ärgere, kein Rezept aufgeschrieben zu haben… enden andere eher so, nun ja. Sagen wir’s mal so: Mehlschwitzen sind nicht mein Freund, so viel weiß ich inzwischen. Aber hey, ich habe auch das Ergebnis dieser klumpigen, unansehnlichen Spargelcremesuppe anschließend brav aufgegessen. 🙈

Das minikleine Einmaleins der Möglichkeiten:

Ein Erfolg der gut tut, Spaß macht, die Motivation in die Höhe schießen lässt. Ich koche, verwerte, verstaue wie ein Weltmeister. Aber so sehr ich mich auch bemühe und erziehe – irgendwie passiert es dann eben doch. So schnell und so unvorhergesehen.

Die Schokomilch im Büro wird irgendwie nicht ausgetrunken. Der restliche Smoothie meines Frühstück landet vergessen in der Tasche… und ist bis zu meiner Entdeckung am Sonntag natürlich gekippt. Und die ersten deutschen Erdbeeren, die Freunde für uns kaufen? Sind zur Hälfte matschig und werden großzügig aussortiert. Ich beiße mir auf die Zunge. Das alles sind eben Lebensmittel, die unnötigerweise in der Tonne landen. Ich will aber auch nicht kleinlich werden. Nicht wieder die ewige Meckerliese sein… Gerade was das Thema Ernährung angeht, ist eben Feinfühligkeit angesagt. Schließlich kann ich niemandem absprechen, etwas nicht mehr essen zu wollen. Weil das aufkommende ungute Gefühl dabei eben nicht so einfach ausgeblendet werden kann.

Und trotzdem triggert es mich. Natürlich. So so sehr. Vor allem weil ich eigentlich dachte, „das mit den Lebensmitteln, tja das kriege ich doch wunderbar hin“. Wegschmeißen? Lebensmittel? Iiiich doch nicht! Naja – ich offensichtlich doch. Was also kann ich noch ändern? Abgesehen davon, in meinem eigenen kleinen Haushalt Veränderungen vorzunehmen?

All the single bananas, all the single bananas 🎶

Ich merke schnell: Auch außerhalb des eigenen kleinen Kühlschranks gibt es vieles, das getan werden kann. Größere Schräubchen, an denen wir drehen können, weitere Hebel, die in Bewegung gesetzt werden sollten. Solche, die vieles verändern und noch mehr Potenzial dazu haben, die Verschwendung von Lebensmitteln bald als großes Thema in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.

Angefangen bei der matschigsten Paprika und der einsamsten Banane im Supermarkt, zu denen nicht nur ich inzwischen fast schon automatisch greife. Obwohl dafür regelmäßig die Frage an der Supermarktkasse aufkommt „ob ich das nicht lieber nochmal austauschen möchte?“ Bis hin zur Foodsharing-Aktion und Rettung von abgelaufenen Lebensmitteln gemeinsam mit der WG, dem Arbeitsumfeld oder der Familie. So viele tolle, neue Konzepte machen es inzwischen so viel leichter, Gutes zu tun. Wir müssen sie nur wertschätzen, unterstützen, vorantreiben.

Indem wir Retterboxen gefüllt mit krummem Gemüse kaufen, zum Beispiel. Oder Supermärkte wie SirPlus nutzen, die abgelaufene Lebensmittel verkaufen oder in Paketen verschicken. Und auch Apps wie „Zu gut für die Tonne“ oder das Buch „Zero Waste Küche“ können mithilfe von zahlreichen Reste-Rezepten als hilfreiche Inspiration zu Rate gezogen werden. Denn die Motivation dieser einzelnen Menschen und Organisationen ist groß. Sie reißt mit und trotzdem mich selbst über den vergorenen Smoothie hinweg. Das passiert eben und ist menschlich. Aber noch längst kein Grund dafür, die Flinte ins Korn zu werfen… während man doch eigentlich Rhabarber einkochen könnte. 😉

Chillst du noch oder fermentierst du schon?

Weil es irgendwann sogar ein wenig Spaß macht. Dieses Entdecken und Kreativsein und Lösungen finden. Meine neuen Hobbys lauten ab jetzt auf jeden Fall „Resteköchin sein“ und „Retter-Apps durchforsten“. Und man wird besser darin. Ich werde besser.

Mein Blick im Supermarkt schweift automatisch zum krummen Gemüse und Lebensmitteln mit kürzerem Haltbarkeitsdatum. Meine Hand greift im Restaurant wie selbstverständlich zur mitgebrachten Dose. Mein Kopf wird kreativer, was neue Rezepte angeht. Und hey, selbst das mit dem Einkochen klappt inzwischen (r)echt gut. Back to basic eben, nur in diesem Fall mit Spaß an der Freude und Leichtigkeit im Herzen.

Denn, guess what: Insgesamt wandern bei mir in diesem Monat lediglich 900 Gramm an Lebensmitteln im Müll. Das klingt vielleicht noch immer viel, ist im Vergleich zum Durchschnitt von 6,6 Kilogramm aber doch eine kleine große Bestleistung. Die mich ganz kurz in einen klitzekleinen Höhenflug versetzt. Und das nicht nur, weil mir die restlichen Kilos weniger schwer auf den Schultern lasten. Das Leute, sind die Glücksgefühle und Momente, für die sich der ganze Aufwand und die ganze Umstellung lohnen. Denn wer will nicht gerne von sich behaupten können, die Welt ein bisschen weniger scheiße zu machen?

Ändern, ohne viel zu ändern? Klar geht das! Denn tolle Hilfestellungen gibt es bereits:

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