Was mache ich, wenn ich niemals selbst ein Baby bekommen kann?

Schon mehrere Promis haben über das einstige Tabu-Thema Unfruchtbarkeit gesprochen, doch niemand hat es jemals so schonungslos offen wie Lena Dunham (34) getan. Die Schauspielerin schreibt in einem Essay für Harper’s Bazaar, wie sie sich ihre Gebärmutter und einen Eierstock auf Grund von jahrelanger chronischer Endometriose-Schmerzen entfernen ließ. Doch während sie die Organe den Umständen entsprechend problemlos verabschieden konnte, sah es mit Lenas Kinderwunsch ganz anders aus. Der wurde nach der OP plötzlich immer stärker. Doch auch ihre letzte Chance auf ein leibliches Kind lief schief. Sie hat alles aufgeschrieben – für sich und für alle anderen Frauen.

Wenn der eigene Körper dich verrät

Endometriose. Diese Diagnose bedeutet für eine Frau vor allem eins: Unfassbare Schmerzen. Mindestens vor und während der Periode. Manchmal auch chronisch. Woher kommen die Schmerzen? Meist gutartiges Gewebe, das der Gebärmutterschelimhaut ähnelt, siedelt sich außerhalb der Gebärmutter an und sorgt für Entzündungsherde im ganzen Körper.

Und als wäre das nicht schlimm genug, wenn es sich anfühlt, als würden der Unterleib und der ganze Körper regelmäßig in Flammen stehen, kann Endometriose auch die Diagnose Unfruchtbarkeit mit sich bringen. Die Unterleibserkrankung macht es schwierig, schwanger zu werden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen Endometriose und Unfruchtbarkeit ist bislang aber noch nicht komplett erschlossen. Es gibt wohl mehrere und einer davon ist: Das Krankheitsbild kann Verklebungen und Verwachsungen der Eileiter und Eierstöcke mit sich bringen, die ein Hindernis für eine Schwangerschaft darstellen können.

Lena Dunham hätte also ohnehin wahrscheinlich weniger Chancen auf eine Schwangerschaft gehabt als eine gesunde Frau. Frauen mit Endometriose wird entweder eine OP empfohlen, bei der das Wuchergewebe entfernt wird, und danach ein bestimmtes Zeitfenster zum Schwanger-Werden offen steht. Oder es wird zu einer künstlichen Befruchtung geraten. Doch das ist, wie viele nicht wissen, oft erst der Anfang einer langen Reise. Lena hat zumindest Teile davon erlebt, als sie sich entschied, Eier aus ihrem letzten verbleibenden Eierstock zu gewinnen, um diese dann mit einem Samenspender befruchten und von einer Leihmutter austragen zu lassen. Ich hingegen habe diese Achterbahnfahrt mehrmals mitmachen „dürfen“.

Es gibt keine Garantie für ein eigenes Baby

„Dann machst du halt ’ne künstliche Befruchtung!“ Und rumms! Dieser Satz sitzt. Tolle Idee, will ich mit dem für mich typisch ironischen Unterton sagen. Tue ich aber nicht. Denn mit jedem weiteren Behandlungszyklus habe ich ein bisschen von meinem Humor verloren. Also, was sage ich darauf? Die Wahrheit, dass wir grade IVF (In-vitro-Fertilisation) Nummer drei hatten, ich wieder schwanger war und es wieder verloren habe? Grade gestern. Ich überlege kurz, schlucke aber wie immer und nicke nur stumm.

Von außen beurteilt, ärgere ich mich heute, dass ich auch zu den Frauen gehöre, die erst offen darüber sprechen können, nachdem sie mit ihrem Schicksal abgeschlossen haben. Oder – wie in meinem Fall – ihr Happy End bekommen haben.

Aber das ist falsch. Denn während ich mich noch in dem lähmenden Schwebezusatnd zwischen „Ich vertraue der modernen Medizin – alles wird gut“ und „Ich habe das Vertrauen in meinen Körper verloren – ich werde niemals ein eigenes Kind haben“ befunden habe, war ich viel zu verletzlich, um darüber sprechen zu können. Dafür tue ich es heute umso lieber und lauter. Hier und in meinem Freundeskreis. So wie mich meine beste Freundin, die Ähnliches erlebt hat, an die Hand nahm, tue ich das jetzt auch bei anderen.

Lena spricht in ihrem Text von den „IVF Warriors“ – den Kämpferinnen der künstlichen Befruchtung. Sie halten zusammen, sie feuern sich an, wenn es wieder heißt „und noch eine Spritze in das von den Fingern zusammengequetschte Bauchfett jagen“, sie zeigen sich ihre negativen Schwangerschaftstests und feiern ihr unendliches Durchhaltevermögen. Nur Aufgeben ist keine Option.

Die Wissenschaft kann viel, aber nicht zaubern

Vor 38 Jahren wurde zum ersten Mal in Deutschland ein Baby geboren, das nicht biologisch gezeugt wurde. Die sogenannte künstliche Befruchtung war in den 1950er Jahren von britischen Forschern entwickelt worden. Bei der In-vitro-Fertilisation ((IVF) – lateinisch für „Befruchtung im Glas“) führt eine Ärztin oder ein Arzt Samenzellen und Eizellen in einem Laborglas zusammen. Daraufhin wird der Embryo in die Gebärmutter der Frau übertragen.

In Deutschland ist diese Behandlung erlaubt, wenn bei einem (Ehe-)Paar ein Jahr lang trotz regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr die Schwangerschaft ausbleibt oder eine Präimplantationsdiagnostik ((PID) mögliche Gendefekte, hohe Chance auf Fehlgeburt) angezeigt ist.

Was allerdings die wenigsten Außenstehenden, wie auch Lena, vor ihrer Baby-Odyssee ahnen: Pro Behandlungszyklus hat man eine Chance von ca. 20 Prozent. Auf natürlichem Weg sind es 20 bis 30 Prozent. Das klingt erst mal gut. Weiß man aber, dass die Krankenkasse die Behandlung nur unter bestimmten Diagnosen übernimmt und auch nur drei Versuche zahlt, kann man sich reinfühlen, was das bedeutet. Entweder von Anfang an oder ab Versuch vier selbst zahlen. Und da ist man schnell bei einer Summe, die ab 30.000 Euro startet.

Nachdem wir an Klinik Nummer 1 also an die 100.000 Euro gezahlt hatten, wechselten wir und hörten zum ersten Mal von einem Testverfahren der Eizellen-Qualität, das für uns alles änderte. Schockierend, dass wir darauf so lange warten mussten und nur durch Zufall darauf stießen. Und noch schockierender, dass unsere erste Klinik das Verfahren kannte, es uns aber nicht vorschlug. Wir waren für sie wandelnde Gelddruckautomaten. So hatte ich zwischenzeitlich nicht nur das Vertrauen in mich und meinen Körper verloren, sondern auch in die Ärzte, die uns eigentlich helfen sollten.

Doch wir nahmen sprichwörtlich alles selbst in die Hand, als wir unsere acht verbleibenden eingefroren Embryonen in einer Kühl-Kartusche von der einen Klinik 150 m Fußweg in die andere trugen.

Das gab uns erst mal ein gutes Gefühl. Doch es nahm noch lange nicht den Druck. Den Druck, der auf uns als Paar lastet und der noch spürbarer wird, wenn man diese Zahlen liest und hört, was man alles durchmachen muss.

Viele wissen nicht, dass für die Entnahme der Eier eine Vollnarkose nötig ist. Und dafür jeden Abend Spritzen zur Eireife. Und um die fünf Spritzen zum Eisprung-Stoppen. Und zwei Spritzen zum Eisprung-Auslösen vor der OP. 48 Stunden vor der OP sind es fünf Spritzen an einem einzigen Tag. Alles kein Spaziergang.

Aber auch kein Sprint, wie meine Freundin zu sagen pflegte. Sondern ein Marathon. Und für den gilt es nicht aus der Puste zu kommen, selbst, wenn auch ich oft nach Luft ringen musste in den vier Jahren, die wir zu unserem Wunschbaby Malo brauchten.

Wenn man nichts mehr zu verlieren hat

Nach Luft ringen, musste Lena sicher auch mehrmals während ihres gesamten Leidensweg. Dennoch ist ihr Motto immer gewesen: Weiteratmen, weitermachen.

In ihrem Text berichtet sie, wie ihr alle Organe (bis auf ein Eierstock), die man braucht um ein leibliches Kind zu bekommen, entfernt werden. Was sie nicht schreibt, ist, wie ihr auch das Herz dabei entfernt, beziehungsweise, rausgerissen wurde. Aber man spürt es in jeder Zeile und kann sich so sehr in sie hineinfühlen. Und als sie von dem Versuch, aus dem einen Eierstock Eier zu gewinnen, erzählt, um diese mithilfe eines Samenspenders zu befruchten und mit einer Leihmutter auszutragen, keimt auch im Leser Hoffnung auf. Doch leider wird aus diesem Versuch nichts und Lena muss den Wunsch endgültig aufgeben. Ihr persönliches Fazit, ein Schlag in die Magengrube oder man möchte meinen, eine Etage tiefer:

„Das Ironische an der ganzen Sache ist, dass meine Fähigkeit zu akzeptieren, dass ich nie ein leibliches Kind haben werde und weiterzumachen, der einzige Grund sein könnte, der mich zu einer guten Mutter macht. Endlich gibt es etwas, das ich jemandem beibringen kann“, stellt Lena fest.

Auch mein immer wieder kehrender Gedanke war: Was, wenn ich niemals Mutter werde? Ich konnte darauf keine Antwort finden. So sehr lähmte mich die Vorstellung.

Sieht man uns heute mit dem Kleinen, könnte man meinen: Ist doch alles gut gelaufen. Hat sich doch gelohnt, dass Alex nie aufgegeben hat. Ja, das mag sein. Oberflächlich betrachtet. Doch an dem, was dieser Weg mit mir als Mensch und vor allem als Mutter gemacht hat, bin ich noch dran. Heute. Morgen und wohl noch mindestens so lange, wie der Weg zu Malo gedauert hat.

Credits: Privat, Lena Dunham Instagram

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