Ich sag’s mal so: Du kennst uns nicht, nur das Bild von uns, das der Podcast in dir erzeugt. Menschen, die uns nahestehen, neigen hingegen fälschlicherweise manchmal dazu, Gesagtes auf sich zu beziehen oder mit ihren subjektiven Erfahrungen mit uns zu vergleichen. Darüber hinaus lese ich keinerlei Schlagzeilen über uns oder mich. Die nimmt man immer persönlich – sowohl gute, als auch schlechte – und das ist nie gut.
Ganz lange hatte man kein Gesicht zu deiner Stimme, Martin. Seit Kurzem bist du „geoutet“. Wie fühlt sich das an?
Mein Äußeres von der Öffentlichkeit fernzuhalten war am Anfang entspannt, irgendwann wurde es aber zur Last, hat zu viel Gewicht bekommen. Die inszenierte Maskerade hat vom eigentlichen Inhalt abgelenkt. Mir kam das dann zu eitel vor, deshalb sagte ich irgendwann: „Hier bin ich.“ Die Menschen sind glücklicherweise unglaublich respektvoll, das fühlt sich schön an. Podcast-Konsumenten sind feine Leute.
Apropos „Last“: Die Quarantäne nagt an unser aller Nerven. Für viele Pärchen ist das eine Zerreißprobe.
Wie übersteht man sie?
Man sollte diesen Test, dem man jetzt unterzogen wird, nicht zu wichtig nehmen, ergo nicht sagen: „Oh, wir haben uns mal nicht gut verstanden, wir sind wohl kein gutes Paar.“ Das wäre eine falsche Schlussfolgerung. Die Situation ist so herausfordernd und neu für uns alle, da darf es ruhig rappeln und aufeinander knallen. Daher würde ich von voreiligen Schlüssen, die man als Paar aus dieser Quarantäne zieht, in beide Richtungen abraten. Was Charlotte und mir neben der Paartherapie noch hilft, ist, uns unserer Beklopptheit bewusst zu sein. Wenn ich meine und ihre Macken kenne, kann ich diese auch besser annehmen. Wir werden durch diese Krise keine anderen oder neuen Menschen, lasst uns das nicht vergessen. Lediglich die gewohnten Wege, sich abzulenken, sich aus dem Weg zu gehen oder Dampf abzulassen fallen weg. Die eigenen Farben verstärken sich, Konflikte entstehen – das ist natürlich und okay.
Leiden eure Intimität und euer Sexleben unter Corona?
Wenn das Haus voller ist, weil Polly (Anm.: Charlottes Tochter) plötzlich ständig daheim ist, hat das natürlich Auswirkungen. Bei uns gibt es im Schlafzimmer aber keinen Titanic- oder Apokalypsen-Effekt (lacht). Ich bin immer wieder überrascht, wie stark körperlich von Charlotte angezogen ich mich auch nach all diesen Jahren noch fühle.
Charlotte scheint insgesamt etwas ängstlicher zu sein als du. Was ist dein persönlicher Stress-Relief für diese Krise?
Ich suche mir gezielt den einzigen Ausweg, den man vermutlich gerade haben kann: Hoffnung.
Da ist sie wieder, deine stoische Ruhe! Kritikerlegende Hans Hoff schrieb einst in einem Artikel über dich: „Er ist quasi der personifizierte Friedensengel, ein Seelenkapitän, der auch in der stürmischsten See die Ruhe bewahrt und immer ein Auge auf den Kompass hat.“ Wirkt auf mich ziemlich treffend. Wie, bitte, schaffst du das?
Manchmal scheitere ich auch an mir selbst und muss mir eingestehen, dass ich so cool und buddhistisch, wie ich gerne wäre, eigentlich gar nicht immer bin. Ja, es ist eine Stärke von mir, andererseits sagen mir Therapeuten oft, dass das gar nicht so gut ist. Sie werfen die Frage auf, warum ich ständig das Gefühl habe, so sein zu müssen. Offenbar denke ich, dass ich nur so akzeptiert und geliebt werden kann. Durch bestimmte Punkte meiner Biografie habe ich wohl irgendwann entschieden: Die anderen sollen schreien, wütend und jähzornig sein – ich möchte das nicht, ich will so nicht sein. Dieses Ventil fehlt mir aber manchmal.
Es ist also ein Ideal, das du dir selbst auferlegt hast?
Genau! Ein Bild, das ich gerne von mir selbst habe. Das funktioniert, wie gesagt, auch meistens, in manchen Situationen – oder auch mit Charlotte – komme ich jedoch an meine Grenzen. Und wir haben auch gelernt, dass es hilfreicher wäre, wenn ich im Streit mit ihr auch mal zurückschmettern würde, um sie aus ihrer Impuls- und Emotionsspirale zu holen. Wenn ich hingegen stoisch vor ihr sitze, denkt sie, ich partizipiere nicht, dann feuert sie das nur noch mehr an.
Das sind dann vermutlich die zahlreichen Momente in eurem Podcast, in denen man ganz lange gar nichts von dir hört. Manchmal denke ich, mein Spotify sei abgestürzt.