Ich habe ein Jahr lang nachhaltig gelebt und es ist dieser EINE Satz, der bleibt

„Wir müssen endlich etwas tun“. Für die Umwelt, unsere Zukunft – letztendlich für uns selbst. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und selbst GESAGT. Nur um immer wieder doch nichts zu ändern… aus Faulheit, Bequemlichkeit. „Dieses Jahr wird alles anders“. Jedes Jahr aufs Neue. Nur dieses Mal wirklich! Also wirklich jetzt! Ich will mich nicht mehr mit leeren Worten schmücken. Ich will mich herausfordern. Was ganz bestimmt unbequem wird. Ein Jahr, viele Möglichkeiten. 12 Monate, 12 Challenges an mich selbst. Mit der alles entscheidenden Frage: Wie umweltbewusst kann ich wirklich leben? Wie viele Taten können auf Worte folgen? Ich finde es heraus. Für mich, für euch. Jeden Monat mit einer neuen #MyEcoChallenge. Weil ich’s (versuchen) kann!

Und plötzlich haben wird das Jahr 2020. Einfach so, quasi im Handumdrehen. Monat für Monat ist mir buchstäblich durch die Finger geronnen. Hätte mir das jemand im Januar 2019 gesagt, ich hätte vehement den Kopf geschüttelt. Viel zu viel lag vor mir, viel zu viele Veränderungen bedurften meiner ungeteilten Aufmerksamkeit.

„Du willst dich echt jeden Monat selbst einschränken? Ein ganzes Jahr lang?! Hast du dir das auch gut überlegt?“ So oder so ähnlich tönte es mir gleich von mehreren Seiten entgegen. Ein Jahr voller Herausforderungen. 12 Monate sind lang, wenn man sich ständig aus seiner Komfortzone heraus bewegt. Aber müssen sie deshalb gleich eine dauerhafte Anstrengung bedeuten? Können sie nicht ebenso gut Vielfalt und Wissen und Veränderung bringen?

Genau dieses Jahr liegt jetzt schon wieder hinter mir. Voller Neuentdeckungen, aber auch Durchhänger. Manchmal hätte ich nur zu gerne einfach die Augen verschlossen … und mich zurückgebeamt, in eine Zeit, in der mich die Auswirkungen der Klimakrise noch weniger stark betroffen haben.

Im emotionalen Sinne natürlich, denn betreffen tun sie uns alle, ob wir uns nun damit beschäftigen, oder nicht. Manchmal hätte ich gerne den Pauseknopf gedrückt – und all das Wissen über CO2-Abgase, Arbeitsbedingungen und klimabedingte Auswirkungen wieder aus meinem Kopf gestrichen.

Denn es wiegt schwer da drinnen, in mir. Es zerreisst mich. An Tagen, an denen eine Katastrophe schlimmer als die nächste erscheint. Und dann wäre da ja auch noch diese fatale Moral. Nicht etwa anderen gegenüber, dafür umso feindseliger mir selbst. Weil ich mit jedem Monat neue Baustellen eröffne. Von der veganen Ernährung über die faire Kleidung bis hin zur Kosmetik ohne Mikroplastik. Wer sich einmal damit beschäftigt, der kommt aus dem Gedankenkarusell des Verzichts nur schwer wieder raus.

Aber war es letztlich nicht genau das, was ich anfangs erreichen wollte? Meinen Alltag so anzupassen, dass er nachhaltiger funktioniert? Bis er so nachhaltig ist, wie es mir persönlich eben möglich ist? Was das angeht, war dieses Jahr ein rauschender Erfolg. Ich habe aus jedem Monat etwas mitgenommen. Ich bin nach keiner Challenge wieder an den Ausgangspunkt zurückgekehrt. Und viele Umstellungen funktionieren heute schon wie von selbst. Die Auswirkungen, die mein Handeln hat, sind mir dafür inzwischen zu deutlich bewusst.

Und doch bleibt der Druck – von mir an mich selbst. Wie vereinbare ich es mit mir, doch noch zu fliegen, zumindest ab und zu? Wie rechtfertige ich, dass ich mich zwar größtenteils vegan ernähre, aber längst nicht jeden Einkauf plastikfrei bestreite? Und mal ganz ehrlich, wie viel ist mein eigenes Handeln überhaupt wert?

Wo komme ich her, wo will ich hin?

Ganz klar: Ich habe mir diese Bürde selbstständig, freiwillig und voller Hoffnung auferlegt. Und eigentlich bin ich noch immer der Meinung, ein solcher Lebenswandel sollte niemals eine Bürde sein. Ich tue so viel, wie ich eben kann. Vielleicht ist das sogar das größte Learning. Kurzstreckenflüge streichen, zu Ökostrom wechseln, gebrauchte Kleidung kaufen, auf tierische Produkte verzichten. Rückblickend, aber auch in die Zukunft schauend. Was jetzt folgt, ist der diplomatische Realitätscheck. Verändere ich mit meinem Tun denn nun wirklich irgendwie die Welt? Kann der Umstieg auf Bambusprodukte wirklich einen Einfluss haben? Oder schmücken wir uns alle am Ende nur wieder mit symbolischer Selbstinszenierung?

Sollte ich mich, als winzige Einzelperson, überhaupt so sehr in die Verantwortung ziehen?

Wenn ich in diesem Jahr etwas ernüchternd feststellen musste, dann wohl eine Sache: So überschwänglich und vorbildlich meine Sturm-und-Drang-Phase auch begonnen haben mag – ich alleine rette nicht die Welt. Ich alleine sollte diese Last auch nicht auf meine Schultern laden. Denn es ist auch gar nicht meine Aufgabe. Nicht alleine.

Die Politik muss schnellere Handlungen einfordern, große Unternehmen müssen sich stärker verpflichtet fühlen. Auch, um im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit faire Vorraussetzungen bieten zu können. Die Klimakrise geht uns alle an.

Was nicht heißt, dass jeder meine Sorgen auf sich übertragen muss. Ich weiß wie privilegiert ich bin, weil ich ein Jahr lang die Klima-Angst zu einem meiner großen Problem machen konnte. Ich habe ein Dach über dem Kopf, genug Einkommen, um mich gesund zu ernähren und genug obendrauf, um Kaufentscheidungen bewusst, und nicht nach dem günstigsten Preis, treffen zu können. Und trotzdem macht das die Angst nicht weniger real. Auch das musste ich lernen. Sie hält mich nachts wach und treibt mich gleichzeitig tagsüber an. In meiner Entscheidung, klimarelevante Themen auch weiterhin in den Vordergrund zu rücken.

Gibt es sie überhaupt? Die Good-News (des Jahres)?

Denn auch die guten Erfahrungen gibt es – neben all der Überforderung. Tatsache ist nämlich: Ich habe mich selten so frei gefühlt. Frei von Kaufzwängen und dem Gefühl, mithalten zu müssen. Frei von Rabattcodes und dem ’schneller, besser, weiter‘ unserer Zeit. Mein Kontostand ist gefüllter denn je, dem einfachen Grund geschuldet, dass ich bewusster konsumiere als zuvor. Tatsache ist auch: Ich bin nicht alleine damit. Weder in meiner Angst, noch in meiner Hoffnung.

Auch wenn ich einfacher Mensch die Welt vielleicht nicht retten kann, können wir gemeinsam doch immerhin ein wichtiger Anstoß sein. Je mehr Leute unbequem werden, desto weiter wird die Politik unter Druck gesetzt. Und je weniger wir Produkte von bestimmten Unternehmen kaufen, desto eher zwingen wir sie zum internen Umdenken.

Die Frage, die bleibt: Landet die Verantwortung so am Ende nicht automatisch wieder bei uns selbst?

Sie ist es auch, die mir seit Monaten das Hirn zermartert, wie keine andere. Aber der erste Schritt muss nun mal von irgendwo ausgehen. Da helfen auch keine Ausreden und kein Fingerzeig. Und reiche Industrienationen wie die unsere, tun gut daran, effektiv voranzugehen. Es ist vielleicht nicht der Plastikstrohhalm oder die Wimperntusche, die letztlich den Ausschlag geben. Aber vielleicht können sie das Zünglein an der Waage sein? Oder der motivierende erste Schritt?

Es war ein rastloses Jahr. Voller Rage und Hoffnung, voller Umtrieb und Leichtigkeit. Lange nicht mehr haben sich so viele Menschen zusammengefunden, um für die selbe Sache einzustehen. Dieses Wissen erleichtert. Aber ist es auch genug? Ich habe aufgeklärt und ausprobiert, umgesetzt und strukturiert. Alles umsonst oder alles für alle?

Nicht jede meiner Handlungen hat aktiv einen Einfluss darauf, die Erderwärmung zu verlangsamen. Und doch hat sich in diesem Jahr so einiges beeinflusst. Wurde ich am Anfang des Jahres für meine vegane Ernährung noch belächelt, so hält inzwischen auch mein Vater diesen Schritt für zukunftsweisend. Nachhaltige Unternehmen mit Co2-neutraler Produktion und fairen Arbeitsbedingungen werden langsam konkurrenzfähig. Und mehr noch: Wir können inzwischen sogar zu einer Bank wechseln, die den Klimaschutz befördert – anstatt in Waffenexporte zu investieren.

Es tut sich was. Es tut sich sogar so einiges. Das ist es, was neben all der Stagnation nicht vergessen werden darf. Wenn ich im nächsten Sommer wieder den Müll von anderen einsammle, werde ich vermutlich weniger schief angeschaut. Und meine Mutter? Die verschenkt jetzt konsequent und voller Inbrunst festes Shampoo im Bekanntenkreis herum.

Was bleibt, ist der Anstoß – und der entscheidende Schritt

Das Wissen ist da. Unser Klimabewusstsein geweckt. Und das ist es, wozu ich beitragen kann. Ohne die moralische Keule untereinander. Ohne den unermesslichen Druck an sich selbst. Ich mach das schon ganz gut so. WIR machen das schon ganz gut so. Jetzt nur nicht damit aufhören. Bloß nicht einknicken. Denn von ‚klimaneutral‘ sind wir dann eben doch noch jahrzehntelang entfernt.

Was wir in diesem Jahr als (weiter) tun können? Ist den Druck erhöhen. Jeder im eigenen Maße und mit dem Beitrage, den er leisten kann. Meiner wird drängend bleiben. Jetzt bin ich schließlich eh schon dabei. 😉 Gleichzeitig hole ich mir aber auch den Spaß daran zurück. Ganz unverkrampft und unperfekt. Weil weniger von allem, so viel mehr Lebensqualität sein kann. Und weil ich nichts verloren habe in diesem Jahr, sondern nur etliches gewinnen konnte. Oder wer hätte gedacht, das Fermentieren mal mein liebstes Hobby werden würde?! 😜

Es ist also tatsächlich ein Satz, der für mich bleibt (na gut, vielleicht auch zwei)

Nur weil etwas schon immer so gewesen ist, heißt das nicht, dass es auch für immer so bleiben muss. Und nur weil wir etwas „immer schon so gemacht haben“, muss man es nicht für immer so weitermachen. Ist es nicht das, was unser Menschsein letztlich ausmacht?

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Jedes Jahr zur Weihnachtszeit gibt es einen ganzen Reigen Konventionen, Traditionen und „Das machen wir jedes Jahr so“, dem man sich verpflichtet fühlt. Gerade gegenüber der Familie neigt man dazu, sich Sachen und Aufgaben hinzugeben, für die man unter Umständen keine Kraft hat, mit denen man sich unwohl fühlt oder auf die man schlicht und ergreifend keinen Bock hat. Dieser Stress wird schon unterschwellig bemerkbar, wenn einem die ersten Lebkuchenaufsteller im Supermarkt entgegenkommen. Und auch wenn wir sonst sehr achtsam sein mögen, ist es gerade an Weihnachten wahrscheinlich, dass wir gar nicht hinterfragen, ob zum Beispiel die achtstündige Zugfahrt nach Hintertupfingen zur Oma noch so sinnvoll ist, man sich traditionsgemäß in die Kirche zerren lassen sollte oder ob es denn IMMER eine blöde Gans zum Essen geben muss. Auch wenn Weihnachten ist, darfst du Grenzen ziehen. Ganz besonders dann, wenn es mit Stress für dich verbunden ist und du dich überanstrengen musst. Du musst es anderen nicht recht machen, weil diese auf ihr Recht pochen, ein schönes Weihnachten zu haben. Es ist schließlich auch dein Recht, deine Zeit nach deinen Bedürfnissen zu gestalten. Du darfst NEIN sagen. Und wenn du Heiligabend am liebsten einfach mit einem Haufen Kekse Serien gucken möchtest, ist das auch völlig okay. NOCH ist nämlich ZweitausendNEINzehn. Gegen Weihnachtsstress und erzwungene nervige Traditionen!

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