Denn eine Reise war es definitiv. Von Teil 1 bis 5. Immerhin ist es nicht zu bestreiten, dass Bond an diesem Punkt kaum mehr als der Bond bezeichnet werden kann, wie wir ihn noch von Roger Moore, Sean Connery und Co. verkörpert gesehen haben. Eben der gut aussehende, Martini-schlürfende, frauenverschlingende, irgendwie gefühlskalte und fast schon unsterbliche Agent. In einer Welt mit einem Frauenbild, das mehr als problematisch ist. Nicht ohne Grund gingen gerade erst Aussagen von „No Time to Die“-Regisseur Cary Joji Fukunaga durch die Medien, in denen er 007 von damals als Vergewaltiger bezichtigte.
Nie war ein Bond so verletzlich… nie wurde es so emotional
Diese Zeiten sind vorbei. Ein neuer 007-Kosmos ist längst da. Mit einem Bond, der rauer ist, sich verletzlich zeigt und angreifbar macht. Und der vor allem endlich Gefühle zulässt. Das zeichnete sich in den letzten Filmen ja bereits ab, in denen Bond um „M“ weinte oder sich auch das erste Mal verliebte (in Vesper Lynd) und schließt sich nun quasi in Craigs letztem Teil wie ein Kreis zusammen. Und wahrscheinlich macht es auch genau deswegen Sinn, dass uns die ersten Szenen von „No Time to Die“ an Vespers Grab führen. Bond, der gerade seinen „Ruhestand“ genießt und sich mit Psychologin Madeleine Swann in den Sonnenuntergang träumt, will einen Schlussstrich ziehen. Die Vergangenheit loslassen, um ohne Laster in die Zukunft schauen zu können. Doch so läuft das nicht. Wir sind hier schließlich immer noch bei Bond. Also fliegt ihm die Grabstätte mit einer ohrenbetäubenden Explosion direkt mal um die Ohren. Was folgt, ist eine wilde Verfolgungsjagd von Blofelds Männern (Jep, der Christoph-Waltz-Bösewicht aus dem letzten Teil) durch Matera. Mit Madeleine im Gepäck. Und plötzlich herrscht da wieder dieses Misstrauen. Immerhin wusste eigentlich nur die hübsche Psychologin, wo sich Bond in diesem Moment aufhielt.
Und dann stehen die zwei im nächsten Augenblick auch schon umzingelt von ihren Verfolgern da, während etliche Maschinenpistolen auf ihren Aston Martin feuern. Das Glas immer mehr zu zerspringen droht und Madeleine mit jedem weiteren Schuss energischer zusammenzuckt und auf Bond einschreit. Doch der sitzt einfach nur da. Regungslos. Mit müdem Ausdruck im Gesicht. Und irgendwie war diese Szene nicht nur total bezeichnend für Daniel Craigs Abschluss, sondern auch für den ganzen Film. Denn es ist genug. Zeit aufzuhören. Bond hat keine Lust mehr, auf Killerjagd zu gehen und ständig die Welt retten zu müssen. Er wollte ankommen. Mit Madeleine. Stattdessen setzt er sie (nachdem er sie dann natürlich doch noch aus dieser Situation rausballert) in den Zug. Ihre Wege trennen sich. Erst einmal zumindest.
Dann kommt das legendäre „James Bond“-Intro und Billie Eilish mit „No Time to Die“ ertönt. Und auch wenn ich diesen Song in den vergangenen Monaten wahrscheinlich schon an die Tausend Mal gehört habe, entlockte er meinem doch dezent angespannten Körper gestern nochmal eine ganz andere Art von Gänsehaut. Und angespannt war ich wirklich die ganzen 2 Stunden und 43 Minuten. Ja, Leute, Craigs finaler Streifen ist auch der längste „Bond“-Streifen in der Geschichte. Und ich bin ganz ehrlich, ich hatte kurz mal Schiss deswegen, weil Movies mit Überlänge halt eigentlich immer zu lang sind. Doch das fällt bei „Keine Zeit zu sterben“ nicht wirklich groß ins Gewicht. Die Szenen wechseln viel zu rasant, als dass man zwischendurch noch auf die Uhr schauen könnte, und auch die Spannung kann bis zum Ende gehalten werden. Und außerdem muss Craig in seinem letzten Film eben auch seinen letzten großen Kampf führen. Oder wohl eher seine Kämpfe. Denn da ist nicht nur immer noch Spectre unter der Leitung von Blofeld (der zwar im Glaskasten hockt, aber immer noch die Fäden in der Hand hält), sondern nun auch der neue Bösewicht Lyutsifer Sahin, gespielt von Rami Malek. Und der (mal wieder wie jeder Bond-Schurke in Craigs Laufbahn mit Narben im Gesicht) hat eine supergefährliche Waffe in die Hände bekommen, die über die DNA Menschen ausrotten kann (by the way vom britischen Geheimdienst selbst hergestellt). Und er hat es on top auch noch auf Madeleine abgesehen. Warum erfährt man direkt zu Beginn.
Eine letzte Mission