Ich habe versucht, komplett auf Palmöl zu verzichten – und war beinahe chancenlos

„Wir müssen endlich etwas tun“. Für die Umwelt, unsere Zukunft – letztendlich für uns selbst. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und selbst GESAGT. Nur um immer wieder doch nichts zu ändern… aus Faulheit, Bequemlichkeit. „Dieses Jahr wird alles anders“. Jedes Jahr aufs Neue. Nur dieses Mal wirklich! Also wirklich jetzt! Ich will mich nicht mehr mit leeren Worten schmücken. Ich will mich herausfordern. Was ganz bestimmt unbequem wird. Ein Jahr, viele Möglichkeiten. 12 Monate, 12 Challenges an mich selbst. Mit der alles entscheidenden Frage: Wie umweltbewusst kann ich wirklich leben? Wie viele Taten können auf Worte folgen? Ich finde es heraus. Für mich, für euch. Jeden Monat mit einer neuen #MyEcoChallenge. Weil ich’s (versuchen) kann!

Der Kopf schwirrt, die Hände wandern. Ein fahriger Blick gleitet über Supermarktregale. Wann wurde einkaufen eigentlich so stressgeladen für mich? Ja, richtig, stimmt ja. Seitdem ich mich selbst Herausforderungen stelle, um meinen Konsum mal ein wenig zu überdenken.

An diesem Tag, in diesem Supermarkt, vor genau diesem Regal, klingt das alles gar nicht mehr so spaßig. Sondern eher nach jeder Menge Zusatzbelastung. Anstelle von 10 Minuten stehe ich hier immerhin bereits eine halbe Stunde. Immer wieder wandert der Griff zu Produkten, der Blick aufs EtikettPalmöl, Palmfett, Cetyl Palmitat, Glycerin, Stearic Acid, Sodium Lauryl Sulfoacetat, Fettsäureclycerid… 💥 1000 Begriffe, eine Bedeutung. Für mich jedenfalls, in diesem Monat: Das alles sind Inhalte von Produkten, die nicht in meinem Einkaufskorb landen. Denn ich will einen Monat lang auf Palmöl verzichten.

Aus gegebenem Anlass. Und doch irgendwie aus der reinen Ahnungslosigkeit heraus. Palmöl ist schlecht, ganz klar. So heißt es doch immer, oder nicht? Verzicht ist also eine gute Sache – logische Konsequenz. Dachte ich mir jedenfalls. Am Anfang des Monats. Nicht uninformiert, aber doch recht blauäugig, stolpere ich in mein nächstes Abenteuer hinein. Weil hinter plakativen Floskeln eben oft so viel mehr stecken kann, als eine Kategorisierung in „gut“ und „böse“ es jemals greifen könnte.

» Palmöl ist schlecht, ganz klar. So heißt es doch immer, oder nicht? «

Bei dieser Challenge sieht die Sachlage jedenfalls deutlich verzwickter aus. Weil keiner so genau weiß, wo Palmöl überhaupt überall drinsteckt. Oder wo Palmöl überhaupt herkommt. Oder warum genau Palmöl eigentlich zum Teufel in flüssiger Form degradiert wurde. Kleiner Disclaimer: Bewusster Konsum ist immer schon, immer wieder, immer noch das A und O. Frisch und ausgewogen zu essen sowieso. Das mit dem Palmöl, das bringt mich dann aber trotzdem kurz mal an meine Grenzen.

Palmöl… Ist das denn immer gleich Palmöl?

Weshalb wir vielleicht zunächst einen kleinen Sprung machen müssen. An den Anfang meiner Juli-Recherche. Denn da steht der Faktencheck. Palmöl hat keinen guten Ruf. Überhaupt keinen guten Ruf. So viel steht fest. Und das durchaus zu Recht. Denn wenn eine einzige Pflanzen ein Drittel des gesamten Ölverbrauchs ausmachen, dann wird für den Anbau dementsprechend Fläche benötigt. Richtig, richtig viel Fläche.

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Ganze 19 Millionen Hektar Land nimmt der weltweit inzwischen in Anspruch. Die größten Palmölplantagen befinden sich in Indonesien und Malaysia. Und dafür muss so einiges weichen. Tropische Regenwälder, hauptsächlich. Immer und immer wieder werden riesige Flächen an Bäumen gerodet. Weil der Mensch mehr Palmöl verbraucht. Etlichen Tieren wird so der Lebensraum genommen. Orang-Utans etwa, Tigern, Elefanten oder Nashörnern. Zudem werden Landwirte enteignet, die Bevölkerung vertrieben, das Grundwasser mit Pestiziden verschmutzt und Arbeitskräfte ausgebeutet (mehr dazu im großen Palmöl-Check des WWF). Und auch uns selbst, weit entfernt vom eigentlichen Geschehen, wird damit eine lebenswichtige Grundlage genommen. Denn die biologische Vielfalt der Regenwälder stellt einen unserer größten Kohlenstoffspeicher dar. Je kleiner dieser wird, desto größer sind die Auswirkungen auf das Klima – und die Sauerstoffumwandlung.

Palmöl bleibt Palmöl bleibt… böses Palmöl?

Warum trotzdem gerade dieses Öl so gerne verwendet wird? Quasi einfach überall? Oder eben, wie der WWF berichtet, in jedem zweiten Supermarktprodukt? Weil es billig ist, na klar. Und weil es gleichzeitig geschmacksneutral, streichbar und haltbar bleibt. Einige der unschlagbarsten Argumente – jedenfalls wenn man aus der Perspektive eines Herstellers spricht. Und leckerschmecker Fertiggerichte, Süßwaren und Aufstriche herstellen will. Oder auch Kosmetikprodukte, Hygiene-Artikel, Biokraftstoff, Kerzen und Farben jeglicher Art.

Palmöl oder -fett oder -irgendwas versteckt sich in den unterschiedlichsten Produkten

Ja, die Liste ist lang. Röstzwiebel-Sonnencreme-Augenbrauenstift-Gemüsebrühe-Zwiebel-Aufstrich-Margarine-lang. Das jedenfalls habe ich in meinem eigenen Haushalt entdeckt. In nur wenigen Minuten. ZU LANG also. Weshalb ich in diesem Monat noch bewusster bei Obst, Gemüse und Getreide-Produkten hängenbleibe. Die sind wenigstens mit Sicherheit palmölfrei! Womit wir auch schon bei der guten Seite der Medaille wären. Wer sich gesund, frisch und ausgewogen ernährt, der umtänzelt fast gar ohne Mühe all die Lebensmittel mit den unsäglichen Zutatenlisten. Und damit auch die, mit dem ganzen Palm- und Glycerin- im Inhalt.

Auch mir fällt es, mit Ausnahme von Aufstrichen (nope, nicht nur Nutella!) und Margarine, gar nicht mal so schwer, im alltäglichen Einkaufsgewirr zu verzichten. Aber was ist, wenn es eben doch mal das Schnelle sein soll? Oder etwas Süßes? Salziges? Das Essen außer Haus? … Ist radikaler Verzicht wirklich die Lösung für alles? Oder als Lösungsansatz überhaupt realisierbar?!

 

Die App „CodeCheck“ mausert sich zu meinem kleinen Lieblingsspielzeug. Jeden Einkauf aufs Neue. Um genau dieser Frage auf den Grund zu gehen. Einmal den Barcode abgescannt, schon spuckt sie mir recht zuverlässig aus, ob Palmöl enthalten ist – oder eben nicht. Ist deutlich leichter, als sich 2147218 Begrifflichkeiten auf Zutatenlisten gleichzeitig merken zu müssen.

» Geht mein Anspruch an mich selbst etwa doch langsam zu weit? «

Doch spätestens bei meinem ersten Besuch im Restaurant folgt dann doch die Gewissheit. Oder vielmehr die Ernüchterung. Es gibt eben Grenzen im Alltag, die lassen sich von mir persönlich nur schwer beeinflussen. Es sei denn, ich will mir doch noch den Spaß am sozialen Leben nehmen (not going to happen!). Natürlich weiß der Kellner eben NICHT, ob in irgendeiner Soße meines Glasnudelsalats vielleicht doch Palmöl enthalten ist. Natürlich weiß das auch die Bedienung nicht, die mir zwei Kugeln Eis in eine Waffel schaufelt. Geht mein Anspruch an mich selbst also doch langsam zu weit?

Die Frage nach dem wie – und dem wie viel

Schlechte Laune bringt mich auf Dauer nicht weiter. Diese Erkenntnis folgt zwei Wochen später. Zunehmende Reue ebenso wenig. Denn was mir in diesem Monat passiert, ist letztendlich eben doch genau das, was passieren soll. Was jeder von uns passieren lassen kann. Ich mache mir Gedanken. Ich entwickle ein Bewusstsein und finde Alternativen. Denn die Ölpalme an sich, die ist nicht unser Feind. Unsere Art zu konsumieren dagegen schon. Wir wollen größer und weiter und schneller denn je. Und das alles bitte unbegrenzt und immer verfügbar. Genau aus dieser Haltung heraus entstehen Monokulturen. Aus diesem Grund werden Preise gedrückt und Arbeiter nicht fair entlohnt und Bäume gerodet und Tierarten ausgerottet. Würden wir Palmöl von heute auf morgen die alleinige Rolle des Buhmanns zustecken, würde es eben durch ein anderes Öl ersetzt werden. Und im Vergleich dazu wird für Palmöl bei mehr Ertrag sogar noch wenig Fläche benötigt. Same story, different oil – könnte man also fast schon prophezeien. Das allein kann also nicht unser langfristiges Ziel sein.

Was aber ein Ziel sein kann? Wenn nicht sogar DAS EINE Ziel sein muss? Die kleine, feine Zurückbesinnung auf mehr Frische, mehr Vielfalt, mehr Regionalität, mehr Variation. Klingt unbequem, könnte naheliegender aber wohl kaum sein. Wir müssen über Hintergründe nachdenken, das „Wie“ bei der Produktion in den Vordergrund stellen und mit unseren Kaufentscheidungen langfristig ein Umdenken erzielen. So wird die eigene Verantwortung gelebt – und die der Großkonzerne angeregt.

Nicht das Schoko-Brötchen an sich sollte also für schlechtes Gewissen sorgen. Sondern die ausbeuterischen Prozesse dahinter. Die sich leider viel zu leicht ausblenden lassen. 87 Millionen Tonnen. Das ist die Prognose für den weltweiten Palmölverbrauch im Jahr 2025. Das ist ganz schön viel. Das wären noch mal 20 Millionen Tonnen mehr, als aktuell bereits produziert werden. Außer natürlich, wir konsumieren bewusster. Und lassen die Zahl gemeinsam stagnieren. Indem wir Alternativen suchen, Aufstriche oder die Schokocreme öfter mal selber machen. Und streichen Palmöl auf diesem Weg ganz von selbst nach und nach von der Einkaufsliste. Oder greifen (wenn gar nicht anders möglich) wenigstens auf zertifiziertes, nachhaltigeres Palmöl zurück. Damit nicht nur ich guten Gewissens sagen kann: Der Verzicht mag nicht komplett funktionieren… aber das erzielte Ergebnis ist am Ende vielleicht sogar eine noch viel größere Chance.

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