Warum Plogging zum wichtigsten Trend des Jahres wird – und ich trotzdem fast daran scheitere

„Wir müssen endlich etwas tun“. Für die Umwelt, unsere Zukunft – letztendlich für uns selbst. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und selbst GESAGT. Nur um immer wieder doch nichts zu ändern… aus Faulheit, Bequemlichkeit. „Dieses Jahr wird alles anders“. Jedes Jahr aufs Neue. Nur dieses Mal wirklich! Also wirklich jetzt! Ich will mich nicht mehr mit leeren Worten schmücken. Ich will mich herausfordern. Was ganz bestimmt unbequem wird. Ein Jahr, viele Möglichkeiten. 12 Monate, 12 Challenges an mich selbst. Mit der alles entscheidenden Frage: Wie umweltbewusst kann ich wirklich leben? Wie viele Taten können auf Worte folgen? Ich finde es heraus. Für mich, für euch. Jeden Monat mit einer neuen #MyEcoChallenge. Weil ich’s (versuchen) kann!

Ja, es ist mir unangenehm. Sehr sogar. Und ich schaue nicht ohne Grund, mit klopfendem Herzen, leicht panisch nach links und rechts. Eigentlich wäre es mir gerade am liebsten, wenn einfach niemand in meiner Nähe spazieren gehen würde. Aber ich befinde mich im Hamburger Stadtpark, es ist sonnig – was erwarte ich denn? Also heißt es Augen zu und auf den Boden gegriffen. Mit stierem Blick hetze ich in Richtung Mülleimer. Immer schön geradeaus schauen. Bloß nicht verunsichern lassen. Mit einem dumpfen „KLONG“ landet der aufgelesene Plastikbecher im dafür vorgesehenen Behälter.

Einmal mehr geschafft. Und während ich auch weiterhin verschämt den Blickkontakt der anderen meide, beginne ich mich gleichzeitig mehr und mehr zu ärgern. Wie so oft in diesem Monat. Warum zum Teufel ist mir das, was ich hier gerade tue, eigentlich so verdammt unangenehm?

Ich sammle Müll. Jetzt ist es raus, Leute. Nicht mehr und nicht weniger. Genau den Müll, den irgendwer zuvor in der Natur entsorgt hat. Müll, der niemals überhaupt dort hätte landen sollen. Müll, der Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, brauchen wird, um sich vollständig zu zersetzen (mehr dazu hier)…

Was könnte es also Sinnvolleres geben, als mich genau dieser Challenge genau jetzt selbst zu stellen? Einen Monat lang Müll sammeln. Beim Joggen, beim Spazierengehen, auf dem Weg zur Arbeit, beim Gang in den Supermarkt…

Das ist leichter gesagt als umgesetzt. Denn was auf Instagram gerade unter dem Hashtag #Plogging so hoffnungsvoll zum Trend wird, ist beim Großteil der Bevölkerung noch ganz und gar nicht als ein solcher angekommen. Die Konsequenz? Ich ernte schiefe Blicke – so einige davon.

Aller Anfang ist schwer? Dieser hier ist schwerer

Wie schafft man es in so einem Fall, konsequent zu bleiben und über den Reaktionen zu stehen? Wie lernt man, sich davon nicht unterkriegen zu lassen?

Eine Challenge daraus zu machen ist sicherlich ein guter Anfang. Wie schlau von mir – denn „einfach wieder aufhören“ ist damit wohl nicht mehr drin. 🙈 Also muss ich Irritationen ertragen, Hemmungen fallen lassen und es mit Trends und Veränderungen halten, wie es eben meistens ist: Sie werden so lange misstrauisch beäugt, bis ihr Anblick zur Gewohnheit wird.

» Mein Weg zur Arbeit wird zum Spießrutenlauf «

Dabei klingt #Plogging doch bereits jetzt schon so stylisch und instagrammable. Bei dem Wort handelt es sich um die Zusammensetzung aus dem schwedischen Begriff plocka (aufheben) und Jogging. Ein Konzept, das sich natürlich auch beim Gassigehen, Bummeln oder Spazierengehen umsetzen lässt. Eigentlich einfach überall.

Und vielerorts ist es tatsächlich bereits irgendwie instagrammable. An Sandstränden zum Beispiel. Wer dort aufräumt, der erhält auch mal Anerkennung – anstelle von hochgezogenen Augenbrauen. Ein wichtiger Anfang, und doch noch längst nicht genug.

Denn dieses Phänomen ist keines, das an Landesgrenzen wieder aufhören sollte oder als Modeerscheinung abgetan werden darf. Es ist etwas, das schon immer irgendwie da war, bisher als vereinsorganisierter Frühjahrsputz, heute als Clean Up oder Plogging, aber immer noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Dabei steht fest: Müllsammeln verdient längst nicht nur einen cooleren Namen… sondern definitiv auch ein besseres Ansehen.

Wenn das Wörtchen wenn nicht wär‘

Doch mit diesem Ansehen tue auch ich mich schwer. Trotz all der positiven Reden. Verdammt. Es ärgert mich, dass ich immer wieder nach Ausreden suche, warum jetzt gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist. Dass ich mich jedes Mal angespannt umdrehe, bevor ich zur Verpackung auf dem Boden greife. Oder dass es mir bei schlechtem Wetter leichter fällt, weil weniger Menschen unterwegs sind. Zum ersten Mal in diesem Jahr erzähle ich kaum jemandem von meiner Challenge – eben weil sie diesen „schmutzigen“ Beigeschmack hat. Doch obwohl es mich ärgert, komme ich so schnell von den Gedanken nicht los. Mein Weg zur Arbeit wird zum Spießrutenlauf: „Aufheben, oder nicht? Wie weit ist die nächste Tonne entfernt? Guckt irgendwer? Was könnten die anderen denken…?“

Sollen das jetzt wirklich meine persönlichen Grenzen sein? Nur weil es andere eklig finden könnten oder für unnötig halten? Wohl kaum. Also muss ich mich frei machen, von Gewohnheiten, die so wie sie sind, einfach keinen Sinn ergeben. Persönliche Grenzen überwinden – um Veränderungen anzuregen. Denn warum sollte es bitte peinlicher sein, Müll von der Straße aufzuheben, als ihn dort überhaupt erst loszuwerden?!

» Die Leichtigkeit folgt immer dann, wenn mir klar wird, dass da im Park jetzt ein bisschen weniger Umweltverschmutzung herumschwirrt. «

Augen zu und durch – aufheben und weitermachen

Denn auch wenn die wenigsten von uns sich vermutlich selbst als Umweltverschmutzer bezeichnen würden, der Müll ist und bleibt eben allgegenwärtig. Jedenfalls ist er für mich auf einmal überall sichtbar. In jedem Gebüsch und auf jedem Bordstein. Neben all den Mülleimern und in jedem Gewässer…

Also beginne ich wieder und wieder. Schritt für Schritt, Plastik für Plastik. Immerhin bin ich es doch, die hier das Richtige zu tun versucht, oder etwa nicht?! Die Umstellung und das Herantasten dauert länger, als in all den Monaten zuvor. Aber es wird. Hier mal eine Zigarettenpackung, da mal eine herumfliegende Mülltüte. Aus einem kurzen Griff werden drei. Aus einem unsicheren Moment wird eine prall gefüllte Tüte. Und es fühlt sich besser an. Von Mal zu Mal. Meine Mengen werden sichtbarer, meine Einstellung gelassener und das Glücksgefühl größer. Oft erst im Nachhinein, aber immerhin! Immer dann, wenn mir wieder klar wird, dass da im Park jetzt ein bisschen weniger Umweltverschmutzung herumschwirrt.

Gutes tun nebenher? Das geht! Auch wenn es Überwindung kostet…

Was wir alleine nicht schaffen…

Denn ja, jeder einzelne noch so kleine Schnipsel davon zählt. Nicht nur an Badestränden oder in azurblauem Wasser. Sondern auch in Städten, auf Dörfern, in Flüssen und Parks. Und jedes Mal, wenn mich jemand beim Müllsammeln beobachtet, bekommt das Thema wieder die Aufmerksamkeit, die es verdient. Warum also nicht öfter mal aus dieser Perspektive sehen? Auch wenn ich (immer noch) scharf die Luft einziehen muss.

Und warum diese positiven Momente nicht öfter mal mit anderen teilen? Verbündete gibt es schließlich genug. Das hier ist keine One-(Wo)Men-Show, für die man einsam und verwundbar kämpfen muss. Auch ich nicht. Obwohl es sich nicht selten so anfühlt. Inzwischen gibt es etliche Events zum gemeinsamen Ploggen oder für Clean Up. Ins Leben gerufen von Nachbarschaften, Organisationen oder auch Influencern. Marie Nasemann, Charlotte Weise und Marie Luise Ritter von „luiseliebt“ machen es vor – und lassen Müllsammeln auf diesem Weg vielleicht wirklich Stück für Stück normaler werden. Oder sogar cooler! Jedenfalls akzeptierter und angenommen als das, was es eben ist: Ein einfacher und wirkungsvoller Schritt im Kampf gegen die Umweltverschmutzung.

Es gibt sie wirklich, die Trends, die etwas bewegen können:

Denn nur durch häufiges und unbequemes Sichtbarmachen kann Verständnis und Gewohnheit geschaffen werden. Nur so wird auch für andere deutlich, wie einfach jeder von uns – auch ohne viel Geld – der Umwelt etwas Gutes tun kann.

Und ja (ja, ja, ja!!), dieser Aufwand ist auch mal von Erfolg gekrönt. Hier und da, immer wieder ein bisschen. Auch ich spüre das, zum Glück! Immer dann, wenn ich sehe, wie sauber der Stadtpark an vielen Ecken doch ist. Oder wenn mich neben den irritierten, auf einmal auch begeisterte Blicke streifen. Und auch dann, wenn ich bangend in den Festival-Sommer starte… und dort so wenig Müll vorfinde, wie jemals zuvor.

Endgegner Großveranstaltung?

Ganz ehrlich? Über diesen Zufall habe ich schon sehr geflucht. Dass ausgerechnet am Ende dieser Challenge das Fusion-Wochenende stehen muss. Immerhin kommen Events wie dieses ohne Müll doch gar nicht aus. Stimmt wohl. Aber eben doch nicht mehr ganz…: Einen saubereren Campingplatz als den dortigen habe ich selten gesehen. Einweg-Plastik wurde an den Ständen inzwischen komplett verbannt. Und Zigaretten? Die wanderten (meist) zuverlässig in mitgebrachte oder vom Veranstalter ausgeteilte Taschenaschenbecher. Es kann also doch so einfach sein!

» Die Ergebnisse sprechen für sich. Für uns. Spätestens dann, wenn diese Version irgendwann Normalität wird. «

Klar, vielleicht ist das im Moment noch die Ausnahme. Aber wäre es nicht wunderschön, wenn es stattdessen zur Regel werden würde? Denn Abfall in der Natur muss nicht sein. Wenn wir alle einfach ein wenig bei uns selbst anfangen, Hilfsmittel wie den portablen Aschenbecher verwenden und achtsam bleiben.

Nicht immer wird ein Mülleimer in Reichweite sein. Nicht immer ist dieser Weg also der bequemere. Und oftmals sind auch nicht wir selbst an der Verschmutzung schuld. Trotzdem bleibt der Mehraufwand verschwindend gering. Die Resultate dagegen? Die sprechen für sich. Oder für uns. Spätestens dann, wenn diese Version von Gewohnheit irgendwann zur neuen Normalität wird. I mean… wäre das nicht genial? Die Menschen in der Überzahl zu sehen, die mal kurz ein wenig Müll beseitigen, und nicht mehr diejenigen, die ihn verursachen?! 😍 Schließlich bevorzugen wir am Ende doch alle den sauberen Strand und die unvermüllte Wiese und das klare Wasser. Oder etwa nicht?

Noch günstiger und einfacher umweltbewusst handeln? Geht (fast) gar nicht

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