Ohne Avocado, Banane und Co.: Warum regionales und saisonales Einkaufen glücklich(er) macht

„Wir müssen endlich etwas tun“. Für die Umwelt, unsere Zukunft – letztendlich für uns selbst. Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und selbst GESAGT. Nur um immer wieder doch nichts zu ändern… aus Faulheit, Bequemlichkeit. „Dieses Jahr wird alles anders“. Jedes Jahr aufs Neue. Nur dieses Mal wirklich! Also wirklich jetzt! Ich will mich nicht mehr mit leeren Worten schmücken. Ich will mich herausfordern. Was ganz bestimmt unbequem wird. Ein Jahr, viele Möglichkeiten. 12 Monate, 12 Challenges an mich selbst. Mit der alles entscheidenden Frage: Wie umweltbewusst kann ich wirklich leben? Wie viele Taten können auf Worte folgen? Ich finde es heraus. Für mich, für euch. Jeden Monat mit einer neuen #MyEcoChallenge. Weil ich’s (versuchen) kann!

Liegt es generell am steigenden Alter? Oder vielleicht doch an mir selbst? Eine, meine ganz persönliche Entwicklung, die dazu führt, dass sich Häuschen und Land auf einmal gar nicht mehr soooo unvorstellbar anhören…? Auf die Gefahr hin, einem wandelnden Klischee zu gleichen: Aber die Vorstellung, die Stadt irgendwann wieder zu verlassen, gefällt mir. Einzutauschen gegen ein Häuschen im Grünen. Umgeben von Sträuchern, Beeten und Kräutern.

Nicht etwa der Wunsch nach Stadtflucht ist es aber, der mich mehr und mehr in Richtung Landlust treibt. Vielmehr ist es der Gedanke vom Anbauen, Anpflanzen, Gemüse züchten. Im eigenen Garten, zur jeweiligen Saison. Irgendwo auf dem Weg in die digitalisierte und industrialisierte Welt, ist uns dieser Zugang zur Natur wohl verloren gegangen. Oder auch: Ganz allgemein der Zugang zu den einzelnen Produkten, mit und von denen wir leben. Wer weiß heute schon noch, woher genau die Avocado kommt? Wann die Kartoffel Saison hat? Und welchen Weg eine Walnuss zurücklegen muss? Liegt schließlich nur allzu verführerisch alltäglich verfügbar im Supermarkt herum.

Und so stehe ich also da. Vor diesen schmackhaften Verlockungen aus Asien, Neuseeland, Spanien, der Türkei. Lüstern, aber distanziert. Dass alles davon lecker ist, steht nicht zur Debatte. Aber auch heute noch so wertgeschätzt wie früher, als noch selbst in jedem Garten geackert wurde? Ist dieser Luxus einer tagtägliche Verfügbarkeit wirklich notwendig? Und wie gut ist es tatsächlich möglich, dieser normal gewordenen Supermarkt-Realität mal für ein Weilchen zu entkommen? Das Haus mit Feld liegt noch in weit entfernter Zukunft. Believe me. Ebenso wie der Schrebergarten mit Gemüsebeet. I wish. Für diese Challenge muss also eine schnellere Lösung her. Ich werde mich einen Monat lang ganz einfach mit dem zufriedengeben, was die die Umgebung der Stadt mir zu bieten hat. Saisonale Produkte und Regionalität for the win. Give me that Weißkohl!

Wo fang‘ ich an, wo hör‘ ich auf?

Meine Kochroutinen werden damit wohl erstmal über den Haufen geworfen. Hoffentlich auch weit über diesen einen Monat hinaus… Manchmal braucht es eben Denkanstöße. Dieses eine Bild auf Instagram, die besondere Inspiration durch Pinterest, dieser augenöffnende Moment im Supermarkt. All diese Produkte dort, in den Regalen. Die kommen eben auch irgendwo her. Meistens irgendwo… vom anderen Ende der Welt. Bananen, Tomaten, Kokosmilch, Mangos, Avocados. Selbst Erdbeeren, Auberginen und Paprika. Es muss nicht exotisch klingen, um global zu sein. Wir haben nur einfach das Bewusstsein dafür verloren. Wie etwas angebaut wird, was für Ressourcen benötigt werden, wann geerntet werden kann.

Ich ich kann mich davon nicht frei machen. Der Saisonkalender der Bundeszentrale für Ernährung wird vielleicht auch deshalb mein Held des Monats. Und ja, ich merke selbst schon beim Ausformulieren, wie unsexy das klingt. 😜 Aber er ist eben einfach wirklich genial. Übersichtlich, portabel, als App verwendbar – und mein persönlicher Anstandswauwau, bei jedem noch so verlockenden Supermarktangebot.

» Es muss nicht exotisch klingen, um global zu sein. «

Dabei ist auch diese eingeschränkte Auswahl groß, stellenweise riesig. Wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat. Im September erwarten mich neben dem classy herbstlichen Kürbis auch Äpfel, Birnen, Kohlsorten, Möhren, Zwetschgen, Tomaten, Rucola, Gurke, Zucchini, Spinat. Um nur ein paar der Köstlichkeiten zu nennen. 😉

Alles irgendwie selbstverständlich, für mich jetzt aber der entscheidende Grund für einen kleinen Freudentanz. Mein Lieblingscurry ist also gesichert. Nur eben mit Hafermilch – anstelle von Kokos. Ofengemüse sowieso und hat jemand gerade zufälligerweise was von Kürbissuppe gesagt?! Doch nicht so langweilig, diese saisonale Küche. Doch nicht so karg, diese regionalen Produkte. 

Und das nutze ich aus. Vom ersten trüben Septembertag an. Anstelle der gewohnten Banane wandert selbst gemachtes Apfelmus in mein Müsli. Zwetschgen und Pflaumen bekommen zum ersten Mal überhaupt eine Chance von mir.

Und dennoch wird schnell klar, wie viel weitreichender das Thema gefasst werden muss. Was ist zum Beispiel mit meiner Tasse Kaffee am Morgen? Wo kommt die Schokolade her, die ich zwischendurch nasche? Wo all die Gewürze?! Ich kaufe kein Fleisch und nur Tofuprodukte, die aus deutschem Soja bestehen. Aber ist das bereits genug? Reicht mein Blick über den Tellerrand aus, wenn ich bei den Kichererbsen am Abend schon wieder vergesse, zu reflektieren? Natürlich stammen all diese Lebensmittel ebenso wenig aus Deutschland. Und haben die überhaupt jemals wirklich Saison?

Was ist mit all den Restaurants, in denen ich die Zutaten gleich gar nicht erst kontrollieren kann? Aus dem 100ten wird schnell das 1000-fache. Mein Kopf rattert vor und zurück. Kakao, Schokolade, Kaffee, Nüsse, Kokosprodukte, Trockenobst, Hülsenfrüchte, Sojasauce, Reis. Autsch. Denn natürlich steht vieles davon auch regelmäßig auf meiner Einkaufsliste.

» Der Supermarkt gleicht einer unüberschaubaren Weltkarte. Herkunftsland: weit, weit weg. «

Und schon hat es mich wieder, das schlechte Gewissen. Da hilft auch die gesnackte Zwetschge nichts. Weil eine Challenge eben auch genau das sein kann: herausfordernd. An die Grenzen meiner eigenen Möglichkeiten bringend. Ich kann mich in Wertschätzung und Reflektion üben, aber komme ich an „saisonal, regional“-Label meiner Überschrift überhaupt wirklich ran?

Ich beschließe, erstmal bei „A“ anzufangen. Einen großen Schritt zurück. Bei den Lebensmitteln, die tatsächlich ersichtlich sind. Ist das jetzt Ausrede, Resignation oder Realismus? Ich weiß es nicht. Doch auf diese Entscheidung folgt endlich das Gefühl, dass sich so schmerzlich vermissen ließ. Der Spaß an der Sache kehrt zurück. Ich schlendere über Märkte, studiere regionale Angebote, ersetze auf Einkaufslisten Produkte durch andere. Langsam und stetig. Schrittlein für Schritt.

Mangold anstelle von Pak Choi. Möhre anstelle von Süßkartoffel. Erbsen anstelle von Zuckerschoten. Und natürlich schmeckt das. Vielleicht sogar besser, als jemals zuvor. Weil dieser bewusste Umgang Freude bereiten kann. Weil ich ausprobiere, abschmecke und anderen Rezepten eine Chance gebe. In den Kühlschrank wandern selbst gemachter Rotkohl, eingelegte Karotten, getrocknete Apfelchips. Auf den Herd kommen Radieschen, Fenchel, rote Beete. Deutsche Küche kann eben doch ganz schön vielfältig sein. 😏

Und alle die anderen Produkte? Die fast noch schwerer fallen? Versuche ich wenigstens einzuschränken. Denn plötzlich gleicht der Supermarkt einer unüberschaubaren Weltkarte. Herkunftsland: weit, weit weg. Wer sich das mal konsequent bewusst macht, muss mindestens einmal kurz schlucken. Aber wer tut das heutzutage schon? Freiwillig und ohne Ausreden?

Auch kleine Veränderungen setzen ein Signal

Dabei ist unsere Kaufentscheidung im Supermarkt eine so wirkungsvolle Möglichkeit, um den eigenen Fußabdruck zu verringern. Den, den wir wir mit unserem CO2-Verbrauch langfristig auf der Welt hinterlassen. Denn das, was wir da im Supermarkt sehen, hat einen absolut umweltschädigenden Weg hinter sich. Meist ist schon der Anbau mit einem hohen Wasserverbrauch verbunden. Für ein schnelleres Wachstum (schließlich wollen wir ja immer mehr davon) werden Pestizide verwendet und Monokulturen gefördert. All das schadet der Natur – und den Menschen vor Ort. Anschließend landen die Lebensmittel im Flugzeug oder auf dem Transportschiff. Bis die Mango also in unserem Kühlschrank liegt, hat sie schon ordentlich was von der Welt gesehen.

Für unser Geschmackserlebnis und den Gaumen ist das eine Freude. Aber klar doch. Für unsere Bequemlichkeit sowieso. Aber können wir uns nicht wenigstens ein kleines bisschen in Genügsamkeit üben? Muss die Avocado wirklich jeden Tag auf dem Teller liegen? Reicht es nicht aus, nur ab und zu die Banane zu essen? Oder den Reis? Oder die Kichererbsen?

Bedacht Kaufen ist das neue Überkonsumieren. Hoffe ich in meiner Euphorie und mit meinem Aktionismus jedenfalls. 😄 Korrigiert mich bitte nicht, falls es anders sein sollte. Ich bin an diesem Punkt einfach gerade zu  gerne. Mit meinen Möhren und meinem Kohl, den ich für den Winter einlegen werde. Wenn die Saison dann schon wieder vorbei ist. So kann das nämlich auch laufen. Und so sorgen wir für richtig viel Entschleunigung und Bewusstsein. Wenn das mal nichts ist! Trotz wiederkehrender Unperfektheit.

We need some more Wertschätzung, Baby!

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, während ich hier fleißig meinen Kürbis kuschle: Für diesen Planeten, für mehr soziale Gerechtigkeit, für einen bewussteren Umgang mit unserem Konsum. BOOM.

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