Ich habe „Seaspiracy“ auf Netflix geschaut und weiß spätestens jetzt: Wir müssen die Weltmeere retten!

Eine Stunde und 29 Minuten leuchtet es mir als Zahl von meinem Bildschirm entgegen. 1:29, die ich für euch heute vor Netflix verbringen werde. Nicht, dass ich mich nicht auch sonst auf der Streaming-Plattform bewegen würde – heute aber sind ein paar Dinge ernster.

Denn ich bin mit Notizblock und Laptop bewaffnet, statt mit Schokolade und Smartphone. Diese anderthalb Stunden werden gefüllt sein mit dokumentarischen Aufzeichnungen über die Ausbeutung unserer Weltmeere. Damit, wie unser Fischkonsum Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringt, warum unser blauer Planet auf die riesigen Ozeane angewiesen ist und wieso auch Menschen unter der globalisierten Maschinerie zu leiden haben.

Keine wirklich leichte Abendunterhaltung. Die Altersfreigabe ist deshalb wohl auch mit dem Label „ab 16“ versehen. Ich kuschele mich direkt mal fester in meine Decke ein. Denn wenn mich etwas gruselt, dann ja wohl die geballte Ladung Realität. Seaspiracy also. Das neueste Netflix Original und mein Tränen-Garant für den heutigen Abend.

Was aber kann die x-te Dokumentation zur Klimakrise überhaupt? Wie sehr wird in die Tiefe gebohrt und was dürfen wir langfristig daraus lernen? Oder, um es kurz zu machen: Lohnt sich der Tauchgang in eine Welt voller Ausbeutung, Umweltverschmutzung, Vertuschung und Korruption?!

So viel vorweg: Der Trailer gibt bereits viel, die vollen eineinhalb Stunden aber noch so viel mehr. Expert*innen kommen zu Wort, NGOs werden zu Rate gezogen – aber auch kritisch hinterfragt und ein Filmemacher zieht mit großen Fragen um die Welt. Soweit erstmal nichts Neues. Was aber neu ist (jedenfalls für mich), ist die umfassende Recherche basierend auf einer einzigen Grundlage: den Weltmeeren.

Das Netflix Original setzt einen neuen Fokus

Denken wir an Dokumentationen zum Thema Umweltschutz, stehen – zu Recht – oftmals sehr viele Gebiete gleichermaßen im Mittelpunkt. Welchen Einfluss die Ozeane allerdings auf all diese Entwicklungen haben, das wird oftmals eher als Beiwerk behandelt. Dabei sind die Auswirkungen gravierend. Und das schafft „Seaspiracy“ sehr eindrücklich auf den Punkt zu bringen.

Wir haben längst verstanden, dass für Rindfleisch Regenwald abgeholzt wird. Und dass wir weniger Plastik verwenden sollten, damit Schildkröten daran nicht zugrunde gehen. Der größere Zusammenhang, der wird nun allerdings einmal mehr durch die beeindruckende Arbeit von Regisseur Ali Tabrizi klar: Diese riesigen Mengen an Wasser beherbergen Ökosysteme, die auch uns am Leben halten. So sind Meerespflanzen und Phytoplankton etwa die größten CO2-Speicher unseres Planetens – und damit aktiver an unserer Sauerstoffproduktion beteiligt, als der Regenwald im Amazonas. Bis zu 93 Prozent des Kohlenstoffs der Erde wird durch Meerespflanzen, Algen und Korallen gebunden und durch Photosynthese absorbiert. Entsprechend gefährlich ist es, diese eingespielte Wechselwirkung von Tieren und Pflanzen für unseren eigenen Konsum auszubeuten.

Wenn bereits der Trailer zum Umdenken bewegt…

Genau das ist es aber, was tagtäglich auf hoher See passiert. Schleppernetze roden minütlich eine Fläche von 4.316 Fußballfeldern am Meeresgrund ab. Der Beifang von Delfinen, Haien, Seevögeln und Schildkröten wird als unvermeidlicher Kollateralschaden hingenommen. Fischernetze machen bereits jetzt den größten Anteil der Verschmutzung durch Plastikmüll in unseren Gewässern aus. Und auch koloniale Ausbeutungsstrukturen werden in der Moderne der Fischindustrie einfach ungestraft fortgeführt.

Der unstillbare Hunger des Menschen auf Fisch hat also längst nicht mehr nur das Artensterben beliebter Meeressäuger zur Folge. Und kann auch nicht allein durch das Verbot von Strohhalmen aufgefangen werden. Denn die machen tatsächlich nur 0,03 Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen aus….

Was nicht bedeutet, dass Einwegplastik weiterhin genutzt werden sollte und urplötzlich weniger schädlich für die Umwelt ist. Diese Zahl macht nur einmal mehr deutlich, was die Kernaussage von Seaspiracy sein könnte: Wir haben die Auswirkungen bisher nicht weit genug gedacht. Oder nicht intensiv genug miteinander verknüpft. Wir sprechen hier von Hungersnöten, von heimlichen Deals mit Nachhaltigkeits-Labeln, von Rodungen wichtiger CO2-Speicher, von Ausbeutung und von Ozeanen, die im Jahr 2048 bereits leer gefischt sein könnten. Zumindest dann, wenn wir weiter so unreflektiert schlemmen wollen. Denn so viel macht das Netflix Original definitiv deutlich: Nachhaltigen Fischkonsum? Den kann es gar nicht geben!

„Seaspiracy“ will bewegen – und schafft das auch

Stattdessen ist jeder Biss ins (meist eingefärbte) rosarote Lachsfilet auch ein Statement, das die Wilderung weit draußen auf dem Meer noch weiter vorantreibt – und sie zu einer der lukrativsten Branchen werden lässt. Dabei haben wir die Bestände bereits jetzt nahezu ausgeschöpft. In knapp 30 Jahren könnten 99 Prozent der Meerestiere verschwunden sein. Was das Sterben von Korallen, den Anstieg der Meerestemperatur und die Gefährdung unseres Lebens zur Folge hätte: „Wir führen Krieg gegen den Ozean. Doch wenn wir diesen Krieg gewinnen, verlieren wir alles. Weil die Menschheit auf einer Erde mit totem Meer nicht leben kann“, heißt es dazu von Seiten eines Aktivisten.

Womit wir auch schon beim kleinen aber feinen Kritikpunkt wären: Netflix will mit dieser Dokumentation natürlich beeindrucken, erstaunen, ängstigen… und verstören. Da darf es auch mal laut, extrem, gefährlich sein. Wer sich diese cineastische Dramaturgie zwischenzeitlich aber immer wieder bewusst macht, der erhält die schlüssige Aufbereitung eines Themenkomplexes, der – gerade im Kontext des Klimawandels – noch viel zu selten die ungeteilte Aufmerksamkeit bekam. Auch von unserer Seite übrigens nicht. Wir geloben also ebenfalls Besserung… und lassen uns die (beinahe) abschließenden Worte von Regisseur Ali Tabrizi noch ein wenig länger im Kopf herumgehen: „Nachhaltigkeit bedeutet letztlich nur, dass etwas für immer weitergehen kann, ganz egal, wie viel Leid es verursacht. Ist Nachhaltigkeit in der Fürsorge unserer Ozeane also überhaupt das richtige Ziel?“

Doch es gibt auch Hoffnung! Die Doku erklärt, was wir tun können…

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