Genau das ist es aber, was tagtäglich auf hoher See passiert. Schleppernetze roden minütlich eine Fläche von 4.316 Fußballfeldern am Meeresgrund ab. Der Beifang von Delfinen, Haien, Seevögeln und Schildkröten wird als unvermeidlicher Kollateralschaden hingenommen. Fischernetze machen bereits jetzt den größten Anteil der Verschmutzung durch Plastikmüll in unseren Gewässern aus. Und auch koloniale Ausbeutungsstrukturen werden in der Moderne der Fischindustrie einfach ungestraft fortgeführt.
Der unstillbare Hunger des Menschen auf Fisch hat also längst nicht mehr nur das Artensterben beliebter Meeressäuger zur Folge. Und kann auch nicht allein durch das Verbot von Strohhalmen aufgefangen werden. Denn die machen tatsächlich nur 0,03 Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen aus….
Was nicht bedeutet, dass Einwegplastik weiterhin genutzt werden sollte und urplötzlich weniger schädlich für die Umwelt ist. Diese Zahl macht nur einmal mehr deutlich, was die Kernaussage von Seaspiracy sein könnte: Wir haben die Auswirkungen bisher nicht weit genug gedacht. Oder nicht intensiv genug miteinander verknüpft. Wir sprechen hier von Hungersnöten, von heimlichen Deals mit Nachhaltigkeits-Labeln, von Rodungen wichtiger CO2-Speicher, von Ausbeutung und von Ozeanen, die im Jahr 2048 bereits leer gefischt sein könnten. Zumindest dann, wenn wir weiter so unreflektiert schlemmen wollen. Denn so viel macht das Netflix Original definitiv deutlich: Nachhaltigen Fischkonsum? Den kann es gar nicht geben!
„Seaspiracy“ will bewegen – und schafft das auch
Stattdessen ist jeder Biss ins (meist eingefärbte) rosarote Lachsfilet auch ein Statement, das die Wilderung weit draußen auf dem Meer noch weiter vorantreibt – und sie zu einer der lukrativsten Branchen werden lässt. Dabei haben wir die Bestände bereits jetzt nahezu ausgeschöpft. In knapp 30 Jahren könnten 99 Prozent der Meerestiere verschwunden sein. Was das Sterben von Korallen, den Anstieg der Meerestemperatur und die Gefährdung unseres Lebens zur Folge hätte: „Wir führen Krieg gegen den Ozean. Doch wenn wir diesen Krieg gewinnen, verlieren wir alles. Weil die Menschheit auf einer Erde mit totem Meer nicht leben kann“, heißt es dazu von Seiten eines Aktivisten.
Womit wir auch schon beim kleinen aber feinen Kritikpunkt wären: Netflix will mit dieser Dokumentation natürlich beeindrucken, erstaunen, ängstigen… und verstören. Da darf es auch mal laut, extrem, gefährlich sein. Wer sich diese cineastische Dramaturgie zwischenzeitlich aber immer wieder bewusst macht, der erhält die schlüssige Aufbereitung eines Themenkomplexes, der – gerade im Kontext des Klimawandels – noch viel zu selten die ungeteilte Aufmerksamkeit bekam. Auch von unserer Seite übrigens nicht. Wir geloben also ebenfalls Besserung… und lassen uns die (beinahe) abschließenden Worte von Regisseur Ali Tabrizi noch ein wenig länger im Kopf herumgehen: „Nachhaltigkeit bedeutet letztlich nur, dass etwas für immer weitergehen kann, ganz egal, wie viel Leid es verursacht. Ist Nachhaltigkeit in der Fürsorge unserer Ozeane also überhaupt das richtige Ziel?“
Doch es gibt auch Hoffnung! Die Doku erklärt, was wir tun können…