Wie es wirklich ist, Nymphomanin zu sein – Lina erzählt von ihrer Sexsucht, besonders jetzt in Quarantäne

„Die Sexsucht (auch Nymphomanie, Hypersexualität) zählt wie die Kauf- und die Spielsucht zu den Verhaltenssüchten. Kennzeichnend ist, dass der Drang Sex zu haben übergroß ist und einen erheblichen Leidensdruck verursacht.“ (NetDoktor) Zu den Symptomen zählen unter anderem: ständig sexuelle Fantasien, exzessiver Pornofilm-Konsum, häufiges Masturbieren, ständig wechselnde Sexualpartner, ausbleibende Befriedigung, Suche nach dem „Kick“ und exzessive, zwanghafte sexuelle Betätigung trotz negativer Konsequenzen.

 Der hier verfasste Report behandelt ein ernstzunehmendes Thema und ist mit Sensibilität zu betrachten. Der Name der Protagonistin wurde von uns geändert. Das Gespräch fand am Telefon statt und wird hier aus ihrer Sicht als Protokoll niedergeschrieben. 

Ich bin Lina, 23 Jahre jung und wohne in München, wo ich in einem großen Luxus-Kaufhaus arbeite. Lange Zeit habe ich auch in der Fitness-Branche gearbeitet. Meine Haare sind blond, meine Figur schlank-sportlich, markant ist meine Stupsnase. Und ich bin sexsüchtig. Obwohl das bisher nie diagnostiziert wurde, weiß ich es einfach. Denn meine Gedanken kreisen den Hauptteil des Tages nur darum und es belastet mich in vielerlei Hinsicht: Zu wissen, dass irgendetwas mit einem nicht stimmt, dem aber trotzdem nachgeben zu müssen, kann schlimm sein. Dass ich sexuell immer schon anders tickte als die meisten, kann ich heute in Retrospektive erkennen: Ich hatte mit zwölf Jahren schon mein erstes Mal. Da war ich noch ein Kind, Herrgott. Mit 15 hatte ich meinen ersten Freund, der damals 23 war, und bereits da war mein Hunger nach Sex schier unstillbar. Natürlich frage ich mich oft, ob sich das nicht alles noch in einem normalen Rahmen bewegt, aber ich komme immer wieder an den Punkt, an dem mich meine Verhaltensmuster zu sehr belasten.

Am kritischsten empfinde ich, dass es mich in meiner Fähigkeit, Emotionen zuzulassen erheblich einschränkt. Immer, wenn ich denke, ich könnte mich gefühlsmäßig auf eine Person einlassen, kommt mir das Bedürfnis, ständig mit anderen Männern zu schlafen und mir den ganzen Tag auszumalen, was ich wohl mit denen anstellen könnte, in die Quere. Ich möchte eine ehrliche Bindung eingehen, ich möchte einen Partner an meiner Seite, mit dem ich alles gemeinsam erleben kann – eine offene Beziehung käme für mich nicht in Frage, auch Polyamorie nicht. Wenn ich mich auf jemanden einlasse, dann sollen es 100% sein. In meinen bisherigen Beziehungen stellte das immer ein Problem dar, weil ich es nie lassen konnte, nach rechts und links zu schauen. Ich will das weder ihm noch mir antun, daher muss ich früher oder später einen Schlussstrich ziehen. Könnte ich es mir aussuchen, dann hätte ich einen Partner, der so oft es geht am Tag mit mir schläft: nach dem Aufwachen, vor der Arbeit, wenn ich wieder nach Hause komme und dann den ganzen Abend und die ganze Nacht. Wenn ich einmal im Modus bin, komme ich da nur sehr schwer wieder raus.

» Kürzlich stand mein Chef vor mir, die zwei obersten Knöpfe seines Hemdes waren offen, seine Brust blitzte durch. Von da an konnte ich an nichts anderes mehr denken. «
Lina

Wie zeigt sich meine Sexsucht im Alltag? Jeder schaut gerne schönen Menschen nach. Bei mir wirkt das aber wie ein Domino-Effekt, oft in unpassenden Situationen, z.B. mit Vorgesetzten. Kürzlich stand mein Chef vor mir, die zwei obersten Knöpfe seines Hemdes waren offen, seine Brust blitzte durch. Von da an konnte ich an nichts anderes mehr denken. Was könnte jetzt alles passieren? Wo könnte ich ihm vielleicht nach der Arbeit noch über den Weg laufen, damit etwas passiert? Manchmal muss ich auf der Arbeit masturbieren, wenn es gar nicht mehr anders geht. Obwohl ich weiß, wie unangebracht das ist, aber es ist der einzige Weg, wie ich mich wieder konzentrieren kann. Ein weiteres Beispiel – vor ein paar Tagen kam ich in eine Polizeikontrolle. Ich musste den Polizisten drei Mal bitten, das Gesagte zu wiederholen, weil ich gedanklich bereits ganz woanders war. Tausende Szenen spielten sich sofort in mir ab. Ab und an muss ich schmunzeln, andererseits gibt es mir auch ein mieses Gefühl, wenn mir sowas in Momenten passiert, in denen man eigentlich ernst und bei der Sache sein sollte. Wenn ich an einer Umkleidekabine vorbeilaufe, springt auch das Kopfkino an. In Gedanken hänge ich dann darin. Manchmal gehe ich dann rein und schaue sie mir genauer an, einfach nur, um meine Fantasie anzukurbeln. Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben – durch jede Schule, jede Arbeitsstelle, jedes Fitnessstudio. Schon in der 10. Klasse des Gymnasiums war ich mit Liebeskugeln im Sportunterricht. Ungefähr 60 % meines Tages drehen sich meine Gedanken nur um das eine Thema.

Das Fitnessstudio war für mich, als ich noch dort arbeitete, natürlich eine Zerreißprobe. So viel Testosteron auf einem Haufen. Ich hatte mir immer verboten, irgendetwas zu starten, aber dann manövrierte ich mich doch in dumme Situationen. Nachdem ich mich lange zurückhielt, sprach ich drei unserer Mitglieder an und leitete ein Treffen ein. Bei keinem der drei lief direkt was, alle wollten ein zweites, drittes oder viertes Date und ich war unfassbar frustriert. Irgendwann musste ich allen sagen: „Tut mir leid, ich wollte eigentlich nur Spaß mit dir haben.“ Man will aber ja auch nicht immer direkt mit der Tür ins Haus fallen. Leider schlief ich auch mit mehreren Leuten aus dem Freundeskreis – was Gott sei dank niemand weiß –, bei denen ich mir im Nachhinein wirklich denke, dass das völlig dumm und unnötig war. Ich musste einfach dieser Stimme, die mir sagt „den brauche ich jetzt, unbedingt“, nachgeben.

Die meisten Männer, mit denen ich schlafe, lerne ich auf Tinder kennen. Wie jeder weiß ist das eine dankbare Plattform für zwanglose Geschichten. Dort kann ich recht offen und ehrlich kommunizieren, was ich möchte und worauf es hinauslaufen soll. Vor der Coronakrise lernte man natürlich auch beim Feiern immer mal wieder jemanden kennen, den man mit nach Hause nahm oder bei dem ich mit nach Hause ging. Manchmal tut mir das Leid für meine Freunde, wenn ich nach zwei Stunden im Club einfach verschwinde und keiner weiß, wo ich bin.

Ich muss auch gestehen, dass es gut passieren kann, dass ich eine Verabredung mit Freunden spontan absage, wenn irgendein Typ daherkommt, mit dem ich im Bett landen könnte…

Vielleicht klingt das blöd, aber aktuell bin ich recht froh, dass ich einen kleinen Kreis aus 5-6 Männern habe, auf die ich zurückgreifen kann, wenn ich gerade Sex brauche. Irgendeiner von denen antwortet immer und findet Zeit. So muss ich nicht nach Neuem suchen und weiß, was mich erwartet, ohne enttäuscht zu werden. Sollte mich aber irgendwo, z.B. bei Tinder, wieder jemand anlachen, den ich gerne hätte, dann würde ich mir den auch nehmen – für einen neuen Kick. Meistens sind es Typen, bei denen ich das Gefühl habe, es könnte eine kleine Herausforderung sein, an sie heranzukommen. Zu lange darf es trotzdem nicht dauern, sonst verliere ich das Interesse. Ich liebe Männer, die irgendetwas Markantes an sich haben. Scharfe Wangenknochen, eine Charakternase, dunkelhaarig, Schnauzer. Egal, ob der Körper nicht so mein Ding ist, bei einem Schnauzer drehe ich direkt durch.

Wie geht es mir mit meiner Sexsucht jetzt während der Quarantäne? Gerettet hat mich vermutlich, dass ich glücklicherweise die ganze Zeit relativ normal weiterarbeiten konnte – Montag bis Freitag. Ich habe meine Routine nicht verloren, Gott weiß, wie ich sonst durchgedreht wäre. Problematisch war nur, dass die anderen (legitimerweise) deutlich verhaltener waren, sich zu treffen. Blöd, weil meine Lust ja auch vor Corona keinen Halt macht. Dennoch klappt alles ganz gut. Selten gibt es mal eine Woche, in der ich mich mit keinem Mann zum Sex treffe – das Allermindeste wäre einmal die Woche, es kommt aber auch gut und gerne vor, dass es vier oder fünf verschiedene in einer Woche sind. Im Monat aufrunden würde ich es auf 25-30 mal Sex. Mein Rekord war auf einem Festival – das müssten acht Männer an sieben Tagen gewesen sein, manchmal kamen vielleicht auch zwei verschiedene an einem Tag daher.

» Teilweise waren meine Brustwarzen über mehrere Tage lang blau. «

Mein heftigstes Erlebnis hatte ich mit einem Mann, der mich in die BDSM-Welt eingeführt hat. Ein wenig Gefallen an Schmerzen fand ich schon immer, in diesem Ausmaß war mir das aber neu. Ich fühlte mich bei ihm sicher und gut aufgehoben, konnte die Kontrolle abgeben und komplett fallen lassen. Besonders stand er darauf, mir an den Nippeln wehzutun: Er nutzte Klemmen die sich zuschrauben ließen, bohrte seine Fingernägel hinein oder biss kräftig rein. Teilweise waren meine Brustwarzen über mehrere Tage lang blau. Das waren Schmerzen, die ich kaum ertragen konnte und auch nie wieder erleben möchte. Trotzdem konnte ich nicht abbrechen. Fesseln liebte er auch, er fixierte mich so stark am Bett, dass ich kein Körperteil mehr bewegen konnte. Er knebelte mich mit verschiedenen Tools, Ballknebeln, Tüchern. Auch auf Atementzug stand er. Und er nutzte ziemlich krasse Peitschen. Striemen, blaue Flecken und Bisswunden fanden sich auf meinem Körper.

» Als ich am nächsten Tag nach Hause fuhr, fühlte ich mich eklig. Warum hab ich das getan, obwohl ich überhaupt nichts davon hatte? «

Diese Art der Domination war für mich zu diesem Zeitpunkt absolut neu. Rückwirkend konnte ich für mich auch feststellen, dass mir das eine Nummer zu groß war und ich mich da nicht sehe.

Ein anderes Extremerlebnis – in der Hinsicht, dass ich es extrem bereue – war mit einem Anwalt. Er gab sich auf Tinder als Anfang 30 aus, war aber locker Mitte 40. Wir verabredeten uns, er holte mich ab, ich stieg ohne Unterwäsche in sein Auto. Bei ihm angekommen, zog ich meine Sandalen aus, war also dann barfuß. Um in sein Schlafzimmer zu kommen, musste ich durch seine Küche laufen, auf deren Boden überall Katzenfutter lag. So ekelhaft, aber dennoch handelte ich einfach nur triebgesteuert. Wir hatten Sex, lagen in seinem Bett und er schlief schließlich mit dem Arm um mich hinter mir ein. Ich wollte eigentlich nur weg, der Sex war nichtmal annäherungsweise befriedigend. Und was machte ich? Nichts. Gar nichts. Ich blieb einfach dort, anstatt zu gehen. Und noch schlimmer, ich weckte ihn in der Nacht noch dreimal auf, um es erneut zu treiben.

Als ich am nächsten Tag nach Hause fuhr, fühlte ich mich eklig. Warum hab ich das getan, obwohl ich überhaupt nichts davon hatte? Genau das ist das Problem, wenn man süchtig ist.

» Dann war da noch das eine Mal... auf dem Friedhof. Und ja, während ich gevögelt wurde, lehnte ich mich auch an einem Grabstein an.  «

Oh, und, dann war da noch das eine Mal… auf dem Friedhof. Und ja, während ich gevögelt wurde, lehnte ich mich auch an einem Grabstein an. Das Bewusstsein, dass das komplett daneben und absolut respektlos ist, ist da. Ich habe eigentlich großen Respekt vor Glauben und natürlich auch vor Toten. In dem Moment konnte ich aber einfach nicht rational handeln, als sei ich fremdgesteuert gewesen. Einmal im Modus und jegliche Rationalität schaltet sich ab. Keine Ahnung, wie ich das anders rechtfertigen kann…

Wenn längere Zeit bei mir sexuell nichts passiert, aus welchem Grund auch immer, dann werde ich allerspätestens nach zwei Wochen richtig unangenehm. Ich bin ein sehr ausgeglichener Mensch, bin sehr glücklich, grinse ständig und lasse mich nur schwer von irgendetwas stressen. Auch auf der Arbeit kann ich gut über Dingen stehen und sie von mir abschütteln. Aber ohne Sex merke ich, wie mich plötzlich einfach alles ankotzt. Wie ich ständig schlecht gelaunt bin, mich jegliche Kleinigkeit aus der Fassung bringt und ich mich auf der Arbeit nicht mehr konzentrieren kann. Diese Lust kommt immer durch. Mein Kopf durchlebt ununterbrochen Fantasien und Möglichkeiten, wie ich an Befriedigung kommen könnte.

Die größte Fehlannahme gegenüber Sexsucht ist, dass das etwas „Geiles“ sei. Männer, die von einer Frau wissen, dass sie das betrifft, denken oft: Geil! Traumfrau! Viele sehen nicht, welcher Leidensdruck damit verbunden ist. Und spätestens dann, wenn sie mit mir an ihre eigenen Grenzen kommen, merken sie, dass das alles doch gar nicht so cool ist, wie sie dachten. Wenn ich nach der zweiten Runde nochmal ankomme und nach der nächsten frage, fühlen sich die meisten natürlich auch nicht gut, mir sagen zu müssen, dass sie körperlich nicht mehr können. Das verstehe ich zu 100 % und es ist absolut legitim. Nur bekommen sie dann ein schlechtes Gefühl, und ich im Umkehrschluss auch, weil ich dann eigentlich gerne gehen möchte. Nichts mit „Jackpot“ also.

 

Lege ich selbst Hand an uns masturbiere, so gibt mir das nichtmal annäherungsweise die Befriedigung, die ich bräuchte. Klar, es ist schön und ich habe allerlei Toys zur Hand, es erfüllt mich wortwörtlich aber nicht so wie Geschlechtsverkehr. Um richtig ausgelastet zu sein, brauche ich einen Partner, dem ich mich sexuell hingeben kann. Und offen gestanden vergeht mir nach einem Mal Selbstbefriedigung auch die Lust – wenn ich gekommen bin, muss ich den Porno sofort ausschalten und die Hose hochziehen, da geht wirklich gar nichts mehr. Einerseits gut, weil ich auf die Weise nach unbefriedigenden Sexdates meine Ruhe habe, andererseits auch nervig, weil es mich wie gesagt nicht glücklich macht.

Momentan geht es mir trotz allem „gut“, aber der subtile Leidensdruck ist schon immer da. Auch, weil ich mich bisher noch niemandem wirklich anvertrauen konnte – auch Expartnern nicht. Ich habe Angst, dass mir meine Nymphomanie auf lange Sicht zu sehr im Weg steht, was ernsthafte emotionale Bindungen angeht. Daher überlege ich wirklich, nicht doch mal professionelle Hilfe aufzusuchen und mich in Therapie zu begeben. Ich habe an meiner letzten Beziehung mit meinem stark depressiven Ex-Freund am eigenen Leib bemerkt, welche Ausmaße das annehmen kann, wenn man sich einer Therapie verweigert. Für mich als Außenstehende war es schrecklich, nicht helfen zu können. Ich möchte diese Belastung nicht für einen zukünftigen Partner darstellen. Also wer weiß, vielleicht packe ich es endlich mal an…

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