Normalerweise bekommt ihr von uns jeden Freitag einen Sextalk, der euch zum Lachen bringen soll. Heute verzichten wir darauf mal – aus gegebenem Anlass. Es waren nur 15 Minute Sendezeit, in denen Joko und Klaas sexuelle Belästigung und Übergriffe thematisierten, die anscheinend eine ganze Nation wachrüttelte. Danke für diese Aktion, nicht umsonst hat sie Tausende von Menschen tief bewegt. Andererseits, wie Madita Oeming auf Twitter postete: „Wem Joko und Klass mit diesen 15 Minuten die Augen öffnen konnten, der hat bislang weder richtig zugehört noch hingeguckt.“ Was uns das sagt: Sexuelle Übergriffe sind überall. Das waren sie schon immer. Sie fressen sich wie ein Parasit durch unsere Gesellschaft, nur spricht niemand über sie. Aus Scham. Aus Angst. Aus Angst, nicht gehört zu werden. Angst, dass einem nicht geglaubt werden könnte. Zu häufig hört man von Frauen, die den Schritt an die Öffentlichkeit gehen und dann als männerhassende Lügnerin dargestellt werden. Ein Schlag in die Fresse, der härter nicht treffen könnte.
Als ich gestern meine Postfächer öffnete, konnte ich kaum glauben, was da passierte. Eine Flut an Nachrichten erreichte mich, in denen ihr eure Geschichte teiltet. So schnell, dass sie rasanter einflatterten, als ich sie öffnen konnte. Das war offen gestanden vermutlich das erste Mal, dass ich bei der Arbeit weinen musste. Und auch nicht wirklich aufhören konnte. Zu lesen, welch großes Leid so vielen von euch angetan wurde, hat mir mit großer Schlagkraft die traurige Realität des Frauseins vor Augen geführt. Oder eher geschmettert. Tröstende Worte lassen sich kaum finden, aber was ich sagen kann: Ihr seid nicht alleine. Wir stehen das alle zusammen durch. Wir finden unsere Stimme und wir werden sie auch nutzen. Meine eigene verlor ich selbst im Februar 2018. Als ich eines Nachmittags aufwachte, mein Gesicht nach unten in mein vollgebrochenes Kopfkissen gedrückt. Am Tag zuvor war ich feiern – etwas, das bei mir äußerst selten passiert und wobei ich noch nie die Kontrolle verlor. Der Body, den ich in dieser Nacht trug, war immer noch an meinem Körper. Die Knöpfe unten offen. Meinen Slip fand ich im Flur. Die letzten 16 Stunden in meinem Kopf waren wie ausgelöscht. Ich wusste nicht, wie ich überhaupt nach Hause kam. Mein Körper schmerzte. Jede Öffnung. Ich hatte blaue Flecken. Mein ganzes Bad war voller Kotze. Als ich ins Wohnzimmer ging, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Dieser ganz besondere Duft lag in der Luft. Den kenne ich doch, dachte ich. Von einem Mann, in den ich einst verliebt war. „Warst du hier?“, schrieb ich ihm. „Ja. Wir haben miteinander geschlafen“, kam zurück. Wie ich später erfuhr, wurde mir in dieser Nacht meine anale Jungfräulichkeit genommen. Ich hatte nicht vor, sie herzugeben. Vielleicht erzähle ich den Rest der Geschichte lieber in einem gesonderten Artikel.
Was ich also ganz genau nachfühlen kann, ist dieser lähmende Schmerz. Seelisch. Und dann die Zweifel, die einsetzen, und bei denen man anfängt, sich zu hinterfragen: Das würde ER doch nicht wirklich böswillig tun. Vielleicht wollte ich es ja wirklich. Habe ich ihm das Gefühl gegeben, er dürfe das? War das jetzt ein Übergriff oder nur ein Missverständnis? Dramatisiert mein Kopf die Situation? Wieso habe ich es nicht sofort unterbunden? Es sind die Zweifel, die einen dazu bringen, lieber zu schweigen. Man will ja keine männerhassende Lügnerin sein. Aber dieses Paket, das man über Monate, Jahre, vielleicht Jahrzehnte mit sich herumträgt, gewinnt mit der Zeit an Gewicht und birgt die Gefahr, daran zu zerbrechen. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir anfangen, zu sprechen. Uns auszutauschen, gegenseitig Gehör zu schenken und dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu geben.