trèsCLICK-Kreuzverhör: Eine Altenpflegerin stellt sich 21 fiesen Fragen und Vorurteilen

*Disclaimer: Wie immer bei unserem Kreuzverhör geben wir die Antworten knallhart wieder. Das bedeutet, dass wir das Erzählte lediglich ohne Wertung darstellen und nicht jede Aussage automatisch teilen. 

Ihr Lieben, auch wir können das C-Wort einfach nicht mehr hören. Dementsprechend lassen wir es an dieser Stelle einfach mal bewusst aus, bombardieren euch nicht mit dem neuesten Nachrichten-Wirrwarr und kürzen das Ganze an der Stelle mal ab. Ihr wisst ja eh, was abgeht! Eine Sache liegt uns jedoch auf dem Herzen: Nachdem wir kürzlich mit einer Intensivkrankenschwester in unserem Kreuzverhör über die Situation der Pflege in den Krankenhäusern gesprochen haben, mussten wir einfach noch weiter unsere Fühler ausstrecken. Heute auf der Agenda: eine Altenpflegerin.

Sabine (Name wurde geändert, da wie immer alles anonym stattfindet) ist 47 und arbeitet als ambulante Altenpflegerin in einem Altenheim. Wir haben sie ins Kreuzverhör genommen und mit 21 fiesen Fragen und Vorurteilen konfrontiert. Das Ergebnis: Ein ungeschonter Einblick in den Alltag der Pflege während der C-Krise. Ready? Let’s go! 💥

Eine Altenpflegerin gibt Einblick in den C-Alltag

1. TC: Wie hat sich der Arbeitsalltag seit Corona verändert?

Sabine: Die Arbeit hat sich sehr erschwert. Allein durch das Maske-Tragen und die verschärften Hygiene-Maßnahmen, die wir nun einhalten müssen. Vor allem arbeitet man ja mit psychisch kranken Menschen, mit dement und demenziell Erkrankten, Senilen und so weiter. Die wissen oft nicht, warum sie eine Maske tragen müssen, was diese Masken sind und was sie bringen sollen. Das erschwert auch die Kommunikation, weil die Alten, die Einschränkungen beim Hören haben, nicht von unseren Lippen lesen können und damit nicht sehen, dass wir mit ihnen reden.

2. Wie gehen die alten Leute mit Corona um? Herrscht viel Ignoranz oder eher Verständnis?

Beides: Sie verstehen, dass Corona sehr schwer verlaufen kann, aber sie ignorieren, aufgrund fehlender Informationen, die Tatsache, dass sie sich trotz Impfung anstecken können.* Sie denken, dass sie keine Maske mehr tragen brauchen, dass sie nicht mehr gefährdet sind, dass die Welt wieder wie vorher wird. Dass stimmt ja aber nicht! Diese Leute müssen wir mehrfach daran erinnern, dass sie nicht richtig liegen. Viele Menschen, die wegen ihrer Erkrankung kognitiv nicht in der Lage sind, den Abstand und die Maßnahmen einzuhalten, die muss man dann auch vermehrt daran erinnern.

*Anm. d. Red.: Das RKI erklärt: „Nach derzeitigem Kenntnisstand bieten die COVID19-mRNA-Impfstoffe eine hohe Wirksamkeit von etwa 95 %. Die aktuellen Studiendaten zeigen: Die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken, war bei den gegen COVID-19 geimpften Personen um etwa 95 % geringer als bei den nicht geimpften Personen. Die Wirksamkeit in Bezug auf die Verhinderung einer schweren COVID-19-Erkrankung (also zum Beispiel einer Behandlung im Krankenhaus) war etwa 85 %. Das bedeutet: Wenn eine mit einem COVID-19-Impfstoff geimpfte Person mit dem Erreger in Kontakt kommt, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erkranken. Wie lange dieser Impfschutz anhält, ist derzeit noch nicht bekannt. Auch wenn Sie geimpft sind, ist es notwendig, dass Sie weiterhin die AHA + A + L-Regeln beachten und somit sich und Ihre Umgebung schützen. Gründe dafür sind, dass der Schutz nicht sofort nach der Impfung einsetzt und auch nicht bei allen geimpften Personen gleichermaßen vorhanden ist. Zudem lässt sich zurzeit noch nicht mit Sicherheit sagen, ob Personen das Virus (SARS-CoV-2) trotz Impfung weiterverbreiten können.

3. Herrscht eine verängstigte Stimmung auf der Arbeit?

Von der Seite der Patienten, ja. Einige denken, jeder, der kommt, könnte Corona haben. Aber da die Mehrheit geimpft ist, glauben manche irrtümlicherweise, dass sie jetzt kein Corona mehr kriegen können. Es ist ein Irrtum. Man ist auch mit zwei Impfungen gefährdet, sich anzustecken. Zusätzlich ist man als Altenpfleger noch Träger und damit noch gefährdeter als all die anderen. Auf der Arbeit herrschen unter den Kollegen gemischte Meinungen. Viele denken sich, Corona hin oder her, wissen aber, dass die Impfung nicht vor Corona schützt, sondern nur den Verlauf der Krankheit dämpft. Trotzdem ist das so ein Heile-Welt-Gespiele seit der Impfung. Das Risiko, einen schweren Verlauf zu haben, ist aber immer noch da. Das Virus verläuft ja bei jedem anders, egal ob mit Impfung oder nicht. Außerdem wissen wir alle nicht, egal von welcher Marke, wie sich der Impfstoff dann auf lange Zeit auf den Körper auswirkt.

4. Wie hoch ist die Gefahr, dass sich das Pflegepersonal ansteckt?

Sehr hoch! Wir sind zu 90% gefährdet, weil wir direkt am Patienten arbeiten – trotz der Maske auf beiden Seiten. Manchmal ist es zum Beispiel nicht zu vermeiden, dass ein Patient oder Bewohner sich an einem abstützt. In manchen Situationen muss man ihnen sehr nahe sein, da gibt‘s einfach eine Gefahr! Die Maske schützt nicht zu 100 %. Deshalb hatten wir am Anfang bei Corona-positiven Patienten die gesamte Montur gehabt, also Kittel, Hauben für Schuhe, für den Kopf, Visiere und FFP2-Masken. In meinem Fall trug ich auch doppelte Handschuhe. Denn wenn einer schmutzig wurde oder ein Loch bekam, konnte ich die ja nicht einfach wechseln. Das war alles mit mehrfachem desinfizieren verbunden. Erst dann konnte ich weiterarbeiten. Die Hygienemaßnahmen sind sehr, sehr streng.

5. Sind du und deine Kolleg:innen geimpft? Musstet ihr euch impfen?

Ich bin geimpft. Das Angebot war da und jeder der wollte, konnte. Einen Zwang gab aber es für niemanden.

6. Gab es besonders einschneidende Erlebnisse?

An Silvester habe ich eine sehr unschöne Situation mit einem Corona-Patienten erlebt. Der Patient war ganz allein und ich musste immer daran denken, wie es denn sein kann, dass man an Silvester niemanden hat, der mit einem feiern kann, weil man keinen Besuch empfangen darf. Er tröstete sich vielleicht mit einem Videoanruf, aber im Endeffekt hat dieser Mensch Todesängste gehabt und konnte nicht einschätzen: Sterbe ich an Corona oder nicht? Wie wird mich das beeinträchtigen? Und so weiter. Der Patient weinte auch viel. Die Traurigkeit spürt man auch als Pfleger. Ich muss ganz ehrlich sagen, die Situation hat mich sehr berührt. Und dann ist er nur einen Tag nach Silvester verstorben. Das Gefühl, dass man aufgrund eines Virus alleine sterben muss, fühlt sich ungerecht an. Vor allem ist es nicht dasselbe, wenn du dich über einen Bildschirm verabschiedest oder ob du die Person direkt neben dir hast. Er wusste nicht, dass er am nächsten Tag sterben wird, das war alles so schnell. Der Patient hat am Tag davor noch mit seiner Tochter gesprochen und sich verabschiedet, da war ich sogar selbst dabei! Er sagte noch: Wir sprechen morgen, Tschüss, gute Nacht und ein frohes neues Jahr. Am nächsten Morgen wurde festgestellt, dass er in der Nacht verstorben ist.

7. Hast du Corona-Verluste erleben müssen? Wie geht man damit um?

Ich kannte privat eine Ärztin, die leider an den Folgen von Corona gestorben ist. Das hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Es ist einfach ein unermesslicher Verlust, weil sie eine ganz enge Freundin der Familie war. Als ich das von meiner Schwester erfahren habe, wurde mir ganz schlecht.

8. Wie sehr schlägt die Situation auf die Psyche? Gibt es in der Hinsicht Unterstützung?

Das schlägt sehr auf die Psyche, muss ich ganz ehrlich sagen. Du bist privat belastet, weil du nicht weißt, ob du das Virus mit nach Hause schleppst. Ich könnte meine Familie damit kränken und anstecken. Man ist einfach Träger, ob man es will oder nicht. Es ist eine sehr große Belastung. Man geht einkaufen und man weiß nicht, wer auf die Puderdose gehustet hat oder sie angefasst hat, nachdem er sich die Spucke abgewischt hat. Du weißt das alles nicht und das ist eine sehr große Belastung. Auf der Arbeit gibt es für die Situation keine psychische Unterstützung. Da müssen wir alle alleine zusehen, wie wir damit klarkommen. Es gab ja mal diesen Corona-Zuschlag, aber das Geld macht das nicht leichter. Es erfreut einen ein bisschen, dass die Arbeit anerkannt wird, aber es würde mehr Sinn machen, wenn das Gehalt allgemein angemessen angepasst wird. Die Pflegekräfte, Ärzte, alle Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, sollten wirklich mehr verdienen, weil die Belastung so groß ist. Nicht nur die psychische Belastung, auch die körperliche Belastung. Manchmal hast du die Arbeit für drei oder vier Pflegekräfte gleichzeitig, weil der Mangel so groß ist. Verdienen tust du aber nur das Gehalt für eine einzige Kraft. Der Bereich Pflege ist allgemein in ganz Deutschland komplett unterbesetzt. Der Mangel beruht zurzeit auf 95.000 fehlenden Pflegekräften.

9. Fühlst du dich in deinem Job genügend wertgeschätzt?

Mal ja, mal nein. Nicht immer wird man geschätzt, das ist einfach so. Sowohl von den Patienten als auch von den Angehörigen und dem Arbeitgeber. Das ist situationsbedingt und immer unterschiedlich. Es genügt manchmal einfach ein Dankeschön, ein Feedback, etwas, was zurückkommt und ein Lächeln. Auch von den Angehörigen mal ein Danke. Vom Arbeitgeber kommt manchmal auch ein Lob für die Leistungen. Das macht die Sache ein bisschen leichter.

10. Was kann der Staat oder die Politik tun, um deinen Beruf mehr wertzuschätzen?

Ach, die können einiges machen, zum Beispiel die Pflegekräfte angemessen bezahlen. Fangen wir damit an, dass mehr Menschen ausgebildet werden müssen und das nicht mit einem Gehalt von 1.100 Euro. Viele verdienen nur 900 Euro für die harte Arbeit. Es wird niemals genügend bezahlt, für all das, was man da durchzieht. Besonders mit dem Schichtdienst.

Das ist der größte Grund, warum viele Menschen diese Ausbildung nicht machen wollen. Den Corona-Bonus hat immerhin jeder bekommen. Ebenso die Zuschläge, die bekommen die Auszubildenden auch. Das hängt von dem Vertrag ab. Nur das Gehalt selbst ist einfach zu wenig. Du bekommst 900 Euro, dann wird das noch versteuert, dann hast du 600 Euro übrig. In der Steuerklasse 1 noch weniger, denke ich. Das kann nicht sein, dass der Mindestlohn in der Pflege bei 9,50 Euro liegt. Ein Mindestlohn sollte für Pflegehelfer bei 15 Euro mindestens liegen. Geschweige denn bei einer Pflegefachkraft. Das normale Gehalt reicht dir von vorne bis hinten nicht, aber arbeiten tust du wie ein Tier. Es sollte auch eine Regelung zum Gehalt geben. Es geht ja nicht, dass einige Arbeitgeber weniger bezahlen als andere – nur, weil sie privat sind. Meiner Meinung nach sollte der Mindestlohn bei 20 bis 25 Euro liegen. Ich habe für einen Arbeitgeber im Krankenhaus gearbeitet, da habe ich 17,80 Euro pro Stunde verdient. Da hatte ich allerdings auch einen Tarifvertrag. Den bekommt aber auch nicht jeder so schnell, da kommt es auf die Erfahrung an. Wenn du frisch bist, hast du natürlich weniger Erfahrung als jemand, der schon 20 Jahre in dem Berufsfeld arbeitet. Das wirkt sich natürlich auch auf die Bezahlung aus. Das finde ich in Ordnung, aber die Gelder sollten trotzdem gerechter ausgezahlt werden.

11. Was verdienst du?

Über 3000 EUR Brutto plus die Zuschläge und Boni und all das, was dazugehört. Wenn ich dann Dienst ab 8 Uhr abends habe, gehört dazu auch ein Nachtzuschlag. Am Wochenende, am Samstag zum Beispiel ab 12 Uhr, gehört ein Samstags-Zuschlag dazu. Sonntags gibt es hundert Prozent, genauso wie an Feiertagen.

12. Wie schätzt du den Umgang mit der Krise, bzw. die Maßnahmen ein?

Ich finde den Umgang mit der Krise zum Teil übertrieben und unkorrekt. Es würde schon reichen, wenn die Menschen selbst entscheiden dürfen, ob sie eine Maske tragen wollen oder nicht. Dafür müsste man in den Supermärkten mehr darauf achten, dass die Produkte von außen gesäubert sind. Man weiß ja nicht, wie viele Menschen die Sachen angefasst oder wie viele es noch in der Produktion getan haben. Gerade das ist eine Quelle, die nicht bearbeitet wird. Man weiß nicht, ob da mal jemand draufgehustet oder geniest hat. So kann das Virus auch weitergetragen werden. Wenn darauf geachtet werden würde, wäre das Ansteckungsrisiko schon viel geringer. Dann muss man auch nicht so mit den Masken übertreiben. Gerade die Bestrafungen finde ich nicht gut. Es kann jedem mal passieren, dass man die Maske vergisst und dafür muss man 160 Euro bezahlen – das ist ungerecht. Das Geld hat nicht jeder – vor allem die nicht, die gerade ihre Arbeit verloren haben. Menschen können ihre Miete und ihr Essen nicht bezahlen. Was passiert mit den Menschen, die Kinder haben oder die auf alte Menschen privat aufpassen müssen? Auf die achtet niemand.

Das stürzt uns in eine richtige Armut und eine ungerechte Situation, die so nicht sein muss. Und vor allem darfst du im Restaurant nicht zusammensitzen und mit deiner Familie essen, aber in einem Flugzeug mit anderen zusammen dicht gedrängt hocken und vorher mit Tausenden am Flughafen rumlungern. Das ist kontraproduktiv. Also ganz ehrlich, wer hat sich das ausgedacht in jeglicher Hinsicht?

13. Hast du Angst vor Corona?

Was heißt Angst? Aber ja, um ehrlich zu sein. Am Anfang hatte ich allerdings mehr Bedenken. Jetzt, im Laufe der Zeit, habe ich keine so große Angst mehr vor Corona. In dem Bereich, in dem ich arbeite, habe ich vieles gesehen, aber ich finde es übertrieben, zu zeigen, wie das alles gehandhabt wird. Ich hätte es lieber, wenn nicht nur die Regierung oder das RKI die Inzidenzen veröffentlichen würden, sondern der Bevölkerung auch mitgeteilt wird, wie viele Corona-Kranke wirklich im Krankenhaus liegen und wie viele Betten dadurch wirklich belegt sind. Dann wäre dieses ganze Gewirbel reduziert. Aber diese Angaben werden nicht gemacht. Das müsste noch spezifischer sein, damit die Menschen ganz genau wissen, wie hoch das Risiko ist. Aber es wird nur eine Inzidenz gegeben, in der jeder, der eine Grippe, eine Erkältung oder eine grippale Symptomatik hat, als Corona-verdächtig gilt und als solcher schon deklariert wird. Das ist ein Unding, finde ich. Man hätte mehr davon, wenn man ganz genaue Angaben von den Krankenhäusern hätte.

14. Was sagt du zur Berichterstattung der Medien?

Es kann nicht sein, dass das RKI Inzidenzzahlen meldet, die dann überhaupt nicht aktuell sind. Also, dass heute gesagt wird, die Zahlen sind auf 129 gestiegen, aber alle Menschen, die vorgestern krank waren, werden trotzdem miteingerechnet. Das heißt, der Wert bleibt automatisch hoch. Also finde ich, dass diese Inzidenzzahlen ein totaler Fehleintrag sind, ganz einfach nicht wahrheitsgemäß. Dadurch ist diese Berichterstattung für mich ein kompletter Fail.

15. Was können wir als Bürger:innen tun, um deinen Job mehr wertzuschätzen? Was sagst du z.B. zum Klatschen?

Das Klatschen ist eine sehr nette Geste, keine Frage. Sie rührt einen zu Tränen, aber ich denke, die Menschen sollten mehr zusammenhalten. Das Zusammenhalten soll am Ende auch bewirken, dass die Regierung an den gesamten Strukturen arbeitet – vor allem im Gesundheitssystem! Dieser Job ist zurzeit einfach überhaupt nicht attraktiv, aufgrund der Bezahlung, der Zustände und der Situation. Keiner sagt: Ich gehe dahin, ich möchte mir die Sache selbst anschauen, einen Kittel anziehen, die Kranken anschauen und mithelfen, vielleicht den Rücken waschen. Keiner da würde etwas von den Aufgaben übernehmen, damit er oder sie direkt erleben kann, was wirklich los ist. Und das nicht nur einen Tag, sondern mindestens drei Monate. Damit man wirklich weiß, was Sache und wie groß die Belastung ist.

16. Was würdest du Verschwörungstheoretikern und Querdenkern gerne sagen?

Also den Verschwörungstheoretikern würde ich gerne sagen, dass biologischer Krieg scheiße ist. Das macht man nicht. In meinen Augen sieht das aus, als würden sie weltweit diktatorische Maßnahmen durchführen wollen und sowas unterstütze ich nicht.

17. Kommt es dir gelegen, dass auf Grund des Besuchsverbotes die Bewohner:innen aktuell niemanden empfangen dürfen? Bedeutet das weniger Stress?

Das ist nicht weniger Druck, sondern mehr. Die Kranken sind traurig, frustriert, hilflos und wütend. Wer fühlt sich schon wohl, wenn er krank und hilflos ist und keine Angehörigen in der Nähe hat? Man braucht immer die Menschen, die man liebt, wie die Familie um sich herum. Besucher, die zu uns kommen wollen, können sich bald in einem Raum in unserem Haus auf eigene Kosten testen lassen. Die Angehörigen können das machen, sie müssen es aber nicht. Ansonsten müssen sie einen aktuellen Test vorzeigen. An der Tür wird so oder so auch Fieber gemessen. Wir haben extra Wachmänner und -frauen, die das machen und auch notieren, wer für wen zum Besuch kommt. 

18. Findest du es generell nervig, wenn Angehörige ständig zu Besuch kommen und sich einmischen?

Nein, das ist sehr gut, denn Familie kann man nicht ersetzen. Die emotionale Ebene und die sozialen Kontakte der Bewohner sind sehr wichtig, die dürfen nicht darunter leiden. Was hat der Mensch denn noch außer die Familie? Vor allem ist gut, weil man so auch mit den Angehörigen face-to-face Dinge bezüglich der Bewohner besprechen und organisieren kann. Falls die Angehörigen für ihren Besuch weit anreisen müssen, haben sie bei uns auch die Möglichkeit, sich ein Apartment zu mieten.

19. Hand aufs Herz: Wie sehr achtet ihr (noch) auf die Hygiene-Maßnahmen, wenn keiner guckt?

Wenn keiner guckt, gucken wir halt selbst, weil das auch unsere eigene Gesundheit betrifft. Die können wir nicht gefährden, die steht an erster Stelle. Dazu machen wir das aus ethischen und gesetzlichen Hintergründen. Zum Beispiel durch das Infektionsschutzgesetz: Da wird einem von Anfang an beigebracht, dass die Hygiene das Wichtigste ist. Daran wird sich also gehalten, auch wenn keiner guckt. 99 Prozent der Zeit guckt uns ja keiner beim Arbeiten zu. Da müssen wir eben extrem aufpassen, weil nicht nur wir die Hygiene einhalten müssen, sondern auch unsere Patienten. Wir achten darauf, dass die ihre Masken tragen, sich die Hände gründlich waschen und desinfizieren und den Abstand einhalten. Auch wenn das nicht notwendig ist, wird die Distanz gehalten. Wenn ich nicht darauf achte und jemanden mit einer Krankheit wie Corona anstecke, dann begehe ich eine Straftat. Das fällt in den Bereich Zivilrecht und das kann mit einer Geldstrafe bestraft werden oder sogar mit einer Arbeitsentzugserlaubnis.

20. Bist du gegenüber einem Bewohner schon mal ausfällig oder aggressiv geworden, als keiner geguckt hat?

In unserer Ausbildung werden wir so ausgebildet, dass wir in solchen Situationen richtig handeln. Entweder deeskalieren oder wir verlassen die Situation. Aggressiv werden ist komplett untersagt. Das wäre Misshandlung des Schutzbefohlenen, das wäre ein Delikt. Wir haben alle juristische Kenntnisse und wissen, wie wir uns in diesen Situationen verhalten müssen. Wir sind ja auch psychologisch dafür ausgebildet. Wenn der Patient aber so aggressiv ist, dass er Jemanden außer mir gefährdet, dann muss ich die anderen Schutzbefohlenen in Sicherheit bringen. Je nachdem, wie aggressiv der Patient dann ist, wird auch der psychologische Notdienst und die Polizei angerufen. Das ist gerade bei schizophrenen Menschen oft der Fall. Der psychologische Dienst und die Polizei sind ja auch dazu befähigt, den Menschen dann unter Kontrolle zu bringen. Ohne ärztliche Anordnung dürfte ich ja nicht mal eine Beruhigungsspritze geben. Ohne gerichtliche Anordnung darf ich auch niemanden festhalten. In Notfällen, in denen sich der Patient sehr schlimm verhält und sein eigenes Wohl gefährdet, darf ich den Patienten für eine bestimmte Zeit festhalten. In diesem Fall muss der psychologische Dienst aber auf jeden Fall kontaktiert werden. Menschen, die an Demenz erkrankt sind, können uns ja oft auch nicht zuordnen und reagieren dann aggressiv. Auf die kann ich ja nicht einfach losgehen. Die reagieren ja so, weil sie krank sind und nicht, weil sie uns hassen.

21. Würdest mit dieser Situation eine andere Jobwahl treffen, wenn du könntest?

Um ehrlich zu sein, nein. Ich mag das, was ich tue, ich habe es nicht aus Jux und Tollerei gewählt. Ich mag sehr gerne mit Menschen im Kontakt sein. Egal ob krank oder nicht. Wenn man damit auch eine gute Leistung für die Gesellschaft bringen kann, ist es auch erfüllend – mehr oder weniger.


An alle Pfleger da draußen: Danke, dass es euch gibt! 🥰

Credits: Pexels, Getty Images

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