Kann man mehr als nur einen Menschen lieben und mit mehreren Partnern gleichzeitig eine Beziehung führen? „Ja“, sagen Anhänger der Polyamorie, bei der Partnerschaften offen, mit mehreren Partnern und ohne exklusive Ansprüche geführt werden. Wir haben uns mit Dominik (*Name von der Redaktion geändert) getroffen, der rund fünf Jahre lang mit zwei Partnern zur selben Zeit zusammen war.
„Meine allererste Beziehung hatte ich mit zwei Menschen gleichzeitig. Einer Frau und einem Mann. Wenn ich heute daran zurückdenke, glaube ich, wir haben es damals alle nicht so ernst genommen. Anders wäre es auch gar nicht gegangen, sonst täte man sich zu sehr weh. Vielleicht hätte ich mich auch nicht darauf eingelassen, wäre ich nicht so jung gewesen und wäre es nicht so schleichend gekommen: Ich war fünfzehn, als ich Marleen kennenlernte. Sie kam aus Hamburg, ich kam aus Berlin und wir schrieben uns erst mal nur ganz harmlos Briefe hin und her. Das ging ein paar Jahre so, bis ich dann mit 18 nach Hamburg kam, um meine Ausbildung anzufangen. Sie war damals schon Mitte zwanzig und wollte mehr. Aus der Freundschaft wurden Dates, irgendwann sagte sie ganz beiläufig: „Ich habe übrigens einen Freund.“
Im ersten Moment war ich natürlich überrascht, aber ich war ja auch noch sehr jung und fand sie ziemlich cool. So wie sie es sagte, gab es auch gar nicht die Wahl „Er oder ich“. Es gab nur ein „Entweder-oder“. Entweder eine Beziehung, mit uns beiden gleichzeitig, oder ich wäre raus. Sie war so eine dominante Bondage-Frau, die viel in Clubs rumhing und sexuell sehr erfahren war. Das hinterließ bei mir ziemlich Eindruck, und weil sie meinte, es sei für ihren anderen Freund okay, dass es mich gab, trafen wir uns weiter und sie hatte mit der Zeit zwei Beziehungen.
Nach einem Dreivierteljahr, das Marleen und ich zusammen waren, lernte ich Sven, ihren anderen Freund kennen. Anfangs war das komisch und ich weiß nicht unbedingt, ob da was gelaufen wäre, hätten wir nicht so viel zu dritt gemacht. Ich habe mich schon immer zu beiden, Männern und Frauen, hingezogen gefühlt und mich in den Menschen, nicht in das Geschlecht verliebt, aber Sven war erst mal gar nicht mein Ding.
Die Dates zu dritt waren ganz nett, aber so viel haben wir anfänglich auch gar nicht alle zusammen gemacht. Meistens war es eher so, dass Marleen mal mit mir, mal mit Sven rumhing. Wir hatten auch alle getrennte Wohnungen. Mit der Zeit machten Sven und ich immer mehr zusammen und nach ungefähr neun Monaten, die wir beide mit Marleen zusammen waren, machten wir das erste Mal zusammen rum. Danach hatte dann jeder mal was mit jedem.
Unsere Beziehung war in alle Richtungen offen. Wir erlaubten uns, mit Anderen rumzumachen, wenn uns danach war und Sex zu haben, mit wem wir wollten. Ich hatte in der Zeit aber gar nicht so viel mit Anderen. Wenn alle paar Monate mal, maximal. Wir haben da alle nicht aktiv nach gesucht, zwei Partner reichen ja auch. Wenn hat sich das eher mal auf einer Party ergeben, und wenn ich tatsächlich Sex mit Anderen hatte, war das auch anders, als das, was ich mit Marleen und Sven hatte. Ich hätte zum Beispiel niemals die Hand von jemandem genommen, mit dem ich nur Sex hatte – viel zu intim.
Es war schon so, dass ich Marleen und Sven beide geliebt habe. Wir haben uns das auch gegenseitig gesagt und ernst gemeint, obwohl mir damals schon klar war, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann.
Je länger die Beziehung andauerte, desto anstrengender wurde es. Ich konnte mich in dieser Art der Beziehung nie so richtig zugehörig fühlen und es war belastend, scheinbar niemandem davon erzählen zu können. Man kann ja nicht einfach zu seinen Eltern sagen „Du, ich habe übrigens wie Partner und die würde ich dir gern vorstellen.“ Mein Papa hätte das vielleicht sogar verstanden; er hat mir früher immer gesagt, dass Liebe keine bestimmte Form haben muss und von ihm habe ich auch diese Offenheit. Mein Papa war aber schon tot, als ich mit Marleen und Sven zusammenkam. Ich weiß noch, wie ich schließlich meiner Mutter davon erzählte. Ich meinte zu ihr „Marleen hat übrigens einen Freund.“