Als er fertig war, fuhr er einfach weg. Ich habe ihn nie wieder gesehen.
Damals hat es Monate gedauert, bis ich jemandem etwas sagen konnte. Als erstes erfuhr es meine beste Freundin. Ich hatte mich auf unserer Klassenfahrt betrunken und weiß nichts mehr von dieser Nacht. Sie hat danach nicht weiter gefragt und hat mich auch zu nichts gedrängt. Irgendwann hab ich selbst gemerkt, dass ich so nicht weitermachen kann und habe meiner damaligen Klassenlehrerin gegenüber Andeutungen gemacht. Ich denke, ihr war nie bewusst, was genau passiert war. Ihr muss wohl aber klar gewesen sein, dass es mir nicht gut ging und so ging sie mit mir zum Jugendamt, wo ich eine Selbsthilfegruppe vermittelt bekam. Wir haben uns beide gegen eine Anzeige entschieden. Vielleicht wäre sie anderer Meinung gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass es nicht „nur“ um eine Belästigung ging. Ich hatte Angst vor einer Anzeige, deshalb habe ich versucht, einfach nicht mehr daran zu denken.
Ganz hat das nie geklappt, obwohl ich meinen Heimatort nach der Schule schnell verlassen habe und auch jetzt nur noch ein paar Mal im Jahr zu Besuch komme. Ich hatte die ganzen Jahre über immer wieder Flashbacks, bin lange Zeit nicht mehr in Parks gegangen und war auch nachts nur selten allein unterwegs. Fahrradgeräusche haben mir Angst gemacht. Mit der Zeit wurde es besser, aber ganz verdrängen konnte ich es nie. Manchmal war es so, als wäre es gerade erst geschehen.