Will Smith und die Kritik an seiner Offenheit – Berechtigt oder völlig übergriffig?

Dass Will Smith wieder mehr im Rampenlicht steht und anfängt, seine privaten Geheimnisse auszuplaudern, das scheint nicht allen Menschen auf diesem Planeten zu gefallen. Und I get it, dass aus dem Nichts wirklich krasse Aussagen von ihm auftauchen, wo er doch gerade gaaaaanz zufällig auch seine Biografie veröffentlicht, ist schon auffällig. Aber ist es wirklich so, dass „private“ Emotionen, Gefühle und Geschehnisse nichts in der Öffentlichkeit zu tun haben? Ist es wirklich okay, es als NERVIG zu empfinden, wenn andere Menschen sich öffnen?

Schwierig, schwierig… Zumindest hatte auch ich meine gemischten Gefühle, als ich seine neuesten Ausbrüche recherchiere und auf unseren Kanälen postete. Also habe ich mich an einem Dienstagmorgen ins Kino gesetzt und den neuen Film „King Richard“ vorab gesehen, mit Will Smith in der Hauptrolle. Und wisst ihr, das hat für mich einiges geändert. Ich erkläre euch auch, warum.

 

Vorher müssen wir aber nochmal klären: Was schnackt der Will denn überhaupt? Alsoooo. Unter anderem geht er sehr ehrlich mit der offenen Ehe mit Jada Pinkett Smith um, genau so wie mit dem Thema Drogenkonsum. Auch im Bezug auf seine Familie scheint da nämlich ein eher lockerer Umgang zu herrschen. Was kam neulich noch gleich dazu? Ach ja, dann gestand er noch, überlegt zu haben, seinen Vater umzubringen. Plus: Er hatte Selbstmordgedanken… Natürlich müssen wir alle für uns entscheiden, ob wir glauben, dass er gerne in seinem Leben aufräumen möchte, oder ob es einzig und allein zu PR-Zwecken ans Licht kommt. Mittlerweile gibt es sogar eine Petition (!!!), die fordert, dass Will Smith endlich aufhören solle, seinen ganzen Schmarrn ans Tageslicht zu bringen. Nun ja…

Aber so oder so spricht er über kontroverse, komplizierte und gleichermaßen auch sehr menschliche Themen – das können wir nicht leugnen. Und sind es Themen, die noch sehr viele andere Menschen durchleben? Absolut.

Also kommen wir nun zu dem Punkt, an dem sich meine Skepsis gegenüber Will Smith geändert hat. Sein neuer Kinofilm kommt am 24. Februar 2022 raus und handelt von der Geschichte der Tenniswunder Venus und Serena Williams, die zwei absolute Granaten sind (Wer sie nicht kennt, unbedingt nachholen! Krasse Geschichte…)! Dort spielt Will Smith die Hauptrolle, nämlich Richard Williams, also den Vater der Mädchen. Und während des Films wechselten meine Gefühle für diesen Mann so häufig, dass ich nach dem Film echt fix und fertig war. Ab hier spreche ich vorsichtshalber mal einen kleinen SPOILER aus!

Will Smith spielt den, der er vielleicht mal war und jetzt nicht mehr sein möchte

Richard Williams (Will Smith) ist emotional absolut nicht erreichbar. Aber nicht auf diese typische Art und Weise, sondern er ist oberflächlich immer wirklich ernsthaft an dem Leben und dem beruflichen Glück seiner insgesamt fünf (!) Töchter interessiert. Er schuftet hart und arbeitet nachts, damit er tagsüber als ehemaliger Sportler mit Venus und Serena Tennis spielen und üben kann. Anfangs ist es einfach rührend. Er hat eine herzliche Frau, die sich um ihn kümmert, beschützt seine Töchter und lässt sich sogar verprügeln, übt unerbittlich mit Venus und Serena weiter und ermutigt die Mädchen ohne Ende. Er preist sie bei allen Tennisprofis an und tut alles, was er kann. Er gibt sich für sie auf. ZUNÄCHST!

Als der Durchbruch kommt und es vorwärts zu gehen scheint, beginnt er, mehr Interviews zu geben, über alles Tolle und Schöne in seinem Leben. Er zieht eine richtige Show ab, sobald Kameras da sind und stellt seine Familie eher hinten an. Dass die Mädels gerne Turniere spielen möchten, ignoriert er. Dass seine Frau weiß, dass er Kinder mit anderen Frauen hat, ignoriert er. Sobald sie mit ihm reden wollen, geht er aus der Situation…

Er ist nur bei sich. Er spricht nicht über Gefühle, er kümmert sich nicht um die der anderen und lebt in einer ganz anderen Welt, in der alles ganz in Ordnung ist und in der er nur auf den „großen Durchbruch“ wartet. Und oft hatte ich wirklich das Gefühl, dass er seine Töchter ausnutzt für seinen Fame und wirklich komplett fake ist. Er hat mich furchtbar aufgeregt. Sein Umgang mit seinen Kindern und seiner Frau.

Zwischenmenschlich und emotional war er also halt so gar nicht da. ZERRRRRO. Seine riesige Angst, dass seine Töchter Drogen ausprobieren und schlechte Erfahrungen machen könnten, ließ ihn völlig verkrampfen und er verschloss sich immer weiter, ohne sich auch nur EINMAL wirklich auf seine Familie einzulassen. Seine Frau fand die richtigen Worte, als sie sagte, dass sie kein Team seien und er sie immer vor vollendete Tatsachen stelle und alles alleine für die gesamte Familie entscheiden wolle…

Like OMG, es hat mich alles so aufgeregt!!! Er hat sich damit sein Leben und seine Ehe fast zerstört und es nicht mal sehen können! Immer hat er vorgeschoben, dass er sich aufgeben würde und einen Plan habe. Es ging immer um diesen PLAN für seine Family. Alles ab vom Plan ignorierte er und schob es von sich weg. Völlig realitätsfern.

 

„King Richard“ kommt im Februar in die Kinos. Will Smiths Rolle darin brachte mich zum Nachdenken… ‼️

Dafür ist das Leben doch da!

Und wisst ihr, warum ich so nachdenklich wurde? Weil ich weiß, dass viele Väter genau SO sind. Sie übersehen das Offensichtliche. Dass sich Kinder oft einfach wünschen, dass man sich nach ihren Gefühlen erkundigt, dass man zuhört und wirklich einfach da ist. Wie viele meiner Freundinnen haben mir schon von ihren Vätern erzählt, von denen sie bis heute das Gefühl haben, dass sie sich null für sie interessieren. Dass sie sich benehmen und beweisen müssen, anstatt einfach sie selbst zu sein. Dass sie sich gar nicht kennen gegenseitig.

Geht es nicht aber darum? Dass man eine Familie ist? Das sind doch die Menschen, die einem am Nächsten sind. Wenn man sich denen gegenüber nicht öffnet und es nicht schafft, inne zu halten und sich so zu zeigen, wie man ist, verletzlich, menschlich, caring, wozu ist das Leben dann da?

Als ich aus dem Kinosaal kam, wurde mir klar, wie hart ich über Will Smith geurteilt habe. Ich bin Teil davon, dass viele Männer nach wie vor keine Gefühle zeigen möchten und können. Immerhin spricht er in Wirklichkeit! Er kommuniziert sogar mehr und teilt seine Emotionen offen mit der Welt, während die Menschen, die darüber urteilen, teilweise sicher nicht mal annähernd über sich selbst sprechen können. Wahrscheinlich nicht mal mit der Person, die neben ihnen auf dem Sofa sitzt. Lieber unterhalten sie sich vielleicht darüber, dass Will Smiths PRIVATE GEDANKEN nicht in die Öffentlichkeit gehören.

„Sowas teilt man doch nicht mit allen“. „Sowas macht man doch in der Familie aus und schützt sich“. „Sowas ist einfach nur schwach und es muss einen Grund geben, warum er das erzählt. Total peinlich!“ So in etwa stelle ich mir viele Kritiker:innen vor. Das Ganze beschäftigte mich sogar noch mehr, als ich herausfand, dass sowohl Will Smith, als auch Jada Pinkett Smith an der Produktion beteiligt waren. Ob der Film also sogar auch etwas mit der neu gewonnenen Offenheit des Paares zu tun hat?

 

What is YOUR Dad like?!

Also wenn ihr mich fragt: Ich hätte lieber einen Vater, der auch im Erwachsenenalter noch dazulernt. Der zur Therapie geht. Der offen mit mir spricht. Der sich für nichts schämt, was menschlich ist. Den hätte ich lieber, als einen, der „nun mal so ist, wie er halt ist“ und der bis zu seinem Lebensende nicht ein ehrliches Gespräch mit mir geführt haben wird, in dem wir uns wirklich mal kennenlernen und austauschen. Was viele vergessen: Alles, was wir fühlen, kennen die meisten Menschen auch. Weil wir vom Grundlegenden her doch alle ähnlich funktionieren, oder nicht?

Wovor haben wir also Angst? Als ob man plötzlich etwas sieht oder hört, was man selbst niemals vorher schon mal selbst gesehen oder gehört hat? Unwahrscheinlich. Wenn wir also alle die Möglichkeit haben, die gleichen Gefühle zu teilen und uns darüber auszutauschen, warum tun wir dann so, als gäbe es da Unterschiede und niemand dürfte etwas mitbekommen von dem, was in einem vorgeht? Glauben wir wirklich, dass die anderen nicht wissen, dass Ehebrüche, Drogenkonsum, Paartherapie und Depressionen existieren? LOL.

Es ist einfach völlig unnötige Doppelmoral und manchmal kommt es mir so vor, als wären wir völlig blind, was die Tatsache betrifft, dass wir alle zur gleichen „Spezies“ gehören. Leute, also ehrlich… Wem wollt ihr denn erzählen, dass ihr keine Gefühle habt? Höchstens zeigt ihr damit, dass ihr nicht den Mumm habt, offen zu kommunizieren.

Ich finde, dass Will Smith ein mutiger Mann und Vater ist. Er entwickelt sich immerhin irgendwie weiter und macht sich (leider) angreifbar und beweist damit mehr Balls, als die meisten anderen von uns, die sich schon ins Hemd machen, wenn wir einer anderen Person sagen müssen, was wir für sie empfinden. Und was die Väter (und sicher auch viele Mütter) betrifft: Mit Zuhören und Selbstreflektion hat man die Möglichkeit, auch als Elternteil WIRKLICH Teil der engen und innigen Familie zu sein. Anstatt eher so darüber zu schweben und eine Distanz zu halten. Ich wünsche uns allen, dass auch Männer sich noch mehr trauen und sich sicherer fühlen, ihre Erfahrungen, Ängste und Gefühle zu teilen.

Es wäre so schön, wenn wir uns alle etwas besinnen würden und sanfter miteinander wären – genau so, wie wir uns selbst das auch wünschen. Mehr Verständnis. Ich habe nämlich das Gefühl, dass wenn wir auf unsere Grundlagen schauen, alle irgendwo miteinander anknüpfen könnten. 😶

Credits: Instagram Will Smith,

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